Ich frühstücke im Liegen. Keine Ahnung, wie es die alten Römer gemacht haben, aber ich finde es gar nicht so lässig. Eher unpraktisch. Doch der Apfel hat mich verführt. Dieser ehemals perfekte Apfel. Von gewisser Größe, rot-grün, knackig beim Reinbeißen. Also frühstücke ich zur Abwechslung mal gesund, nur Tee und Apfel. Ringsherum das Plätschern und Blubbern von Wasser. Doch kein Nebel über den Fleeten.
Ich bin in einer Grotte. Vor dem „Frühstück“ hat Mileidys meinen Körper komplett mit heißen Steinen massiert. Tiefenentspannt bin ich dann zu den Liegen im Seagull Spa gewandelt. Mit jedem Schluck Tee kommt mehr Leben in die Bude. Ich könnte noch Saunen, mich am Eisbrunnen erfrischen oder eine Runde im warmen Wasser schwimmen. Doch lieber spüre ich die Wirkung der Hot Stone Massage nach, genieße den Tee und schließe die Augen.
Wasserfälle im Hintergrund. Wenn ich die Augen wieder öffne, blicke ich auf geschwungene Wände mit türkisfarbenem Mosaik. Wer wähnt sich da mitten in Hamburg? Es ist eher ein Ausflug in eine unterirdische Badegrotte. Die Stimmung, die Farben, die gute Laune der Kubanerin Mileidys: ein Hauch Karibik. Allein die Wärme, die von den Lavasteinen in meinem Körper nachwirkt. Danke Mileidys!
Im halbverglasten Aufzug fahre ich zurück in die geschäftige Großstadtwelt. Mit Blick auf den Fleet. Die Kanäle sind hier überall präsent, auch direkt vor meinem Zimmer im Sofitel am Alten Wall. Hamburg pur. Das Hotel mit seinem klassisch eleganten Design wirkt edel und passt optimal ins moderne Stadtbild von Hamburgs Mitte.
In Nebel getaucht wirkt die kantige Stadt plötzlich weich und geheimnisvoll. Ich muss raus. Vom Alten Wall kann ich zu Fuß zum Jungfernstieg und an die Binnenalster. Oder Richtung Speicherstadt und HafenCity.
Es ist der Teil Hamburgs zwischen Alster und Norderelbe, der mit Wasseradern durchzogen ist. Seine unzähligen Brücken zeichnen sich unscharf ab. Horizontale Elemente im vertikalen Kosmos. Verbleibende Strukturen in diesem alles auflösenden Grau. Nebel über den Fleeten.
Es zieht mich zur Deichstraße, die ich beim letzten Besuch nur kurz und von weitem gesehen habe. Ein kleines Stück des alten Hamburgs, das weder Brand, Krieg noch städtebaulicher Neuordnung zum Opfer gefallen ist. Zwar wurde die Deichstraße schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts angelegt, doch stammt das älteste verbliebene Ensemble aus dem 18. Jahrhundert.
Das Gegenteil der perfekten Linie: Fachwerkhäuser mit Macken, schief, schmal, schön. Eine Hobbyfotogruppe hat schon den Nicolaifleet erobert, um die besondere Stimmung dieses Novembertages einzufangen. Genau hier. Auch Touristen sind auf dem Weg über die Deichstraße weiter in die Speicherstadt: Um mich herum spanische, italienische, englische, japanische Sprachfetzen.
Just in dem Augenblick, als mich nach dem federleichten Frühstück im Spa ein gewisses Hungergefühl überkommt, stehe ich vor dem Ti Breizh – die Anlaufstelle in Hamburg für Freunde der bretonischen Galette. Ein hauchdünner Pfannkuchen aus Buchweizenteig – das ideale Brunch. Und samstags mittags scheint das Ti Breizh einfach der Hit unter Pärchen, Mehrgenerationenfamilien und gut gekleideten Kindern unter vier zu sein.
Nils rümpft die Nase, als ich Café au lait plus eine Galette mit französischen Emmentaler und Spinat bestelle. Man trinkt halt eher einen trockenen Cidre zum herzhaften Pfannkuchen. „So was kennen wir nicht“, meint der Kellner mit dem original Ringelstreifenshirt zu meiner Kombination. Ich auch nicht, aber mangels „normalem“ Frühstück lüstet es mich nach Koffein.
Und die abschließende Crêpe mit Bananen passt ja dann auch wieder hervorragend zum Milchkaffee. Alles im grünen Bereich. Fleetblick auch von meinem Platz in der Bretagne aus, ringsherum lustige Schwarzweißfotos von Originalen des westfranzösischen Landstrichs. Nils schnackt gerne mit den Gästen auf Französisch, wenigstens ein paar Worte. Wie im Urlaub.
Gestern war ich in Montevideo. Eigentlich haben wir einen uruguayischen Film auf Spanisch mit deutschen Untertiteln gesehen. Im 3001, einem sehr netten Programmkino im Schanzenviertel. Und zuvor gab’s Hacklava und Meze im Peacestanbul. Auf jeder Seite der Restaurantkarte steht „Trinken für den Weltfrieden“. Auch ansonsten scheint der Laden Kult zu sein. Was ich aus kulinarischer Sicht allerdings nicht bestätigen kann.
Trotzdem tobt der Bär und ohne Reservierung geht nichts. Später ziehen wir an einem Souterrainlokal vorbei, wo türkische Musiker ihre Instrumente herausgeholt haben. Ein unverhofftes Konzert zu später Stunde. Ich resümiere: Über Uruguay in die Türkei, über die Karibik in die Bretagne. Oder einfach Hamburg im November. Mit Nebel über den Fleeten.
Text und Fotos: Elke Weiler
Mit Dank an das Sofitel am Alten Wall, das diese Reise unterstützt hat.
Wieder ein schöner Artikel, der Fernweh in mir weckt. Am liebsten würde ich in den nächsten Flieger steigen, um Hamburg im Nebel zu sehen ;-). Danke, liebe Elke.
Danke!!! Fernweh ist gut, liebe Monika. So weit ist Hamburg ja nicht entfernt. Ich meine, nicht so weit wie dein geliebtes Nordamerika ;-)
„Horizontale Elemente im vertikalen Kosmos.“ Lyrisch schön!
Und das, obwohl es um Hamburg geht – mag ich nicht sonderlich. um um Nebel – mag ich genauso wenig. Aber es klingt sooo anheimelnd… :)
LG ausm Berliner Grau!
Claudi
Danke, Claudi! ;-)
Hamburg mochte ich auch nicht! Zu sauber und cool. Aber jetzt komischerweise jedes Mal mehr.
Nebel nervt nur auf dem Land, wie ich finde, Städte macht er hübsch. ;-)
Grüße zurück (hier ist es stockfinster)!!
naja, vielleicht muss ich mich einfach irgendwann nochmal auf HH einlassen ;)
LG Claudi
Eben. Sag‘ Bescheid – dann ziehen wir um die Häuser ;-)