Wir erwischen das einzige Sonnenfenster dieses Wochenendes, als wir Heide in Dithmarschen erreichen. Acht Uhr abends, die Sonne malt Licht und Schatten auf die Fassade der St. Jürgen-Kirche. Hier steigt am Sonntag eine Bauernhochzeit, eine echte Hochzeit mit einem original Brautpaar, das öffentlich heiratet. Und zwar nach alter Sitte – wie zu Zeiten der freien Bauernrepublik Dithmarschen.
Ein Stückchen weiter finden wir den Eingang in diese Zeit. Wo sonst ein riesiger Parkplatz mitten in der Stadt das Bild bestimmt, der jeden Samstag seiner ursprünglichen Bestimmung nachkommt und sich in den größten Wochenmarkt Deutschlands verwandelt, gehen wir auf eine Zeitreise. 500 Jahre zurück.
Zwischen zeltartigen Ständen laufen Männer und Frauen in langen Gewändern, Trachten oder Knickerbockern umher. Es duftet nach Gewürzen, Braten, frisch gebackenem Brot und Futjes. Überall wird gewerkelt, es werden Seile gedreht, Bogenschießer angelernt, Gefilztes, Felle, Kerzen und Kopfbedeckungen verkauft, Musikinstrumente, Waffen, Schmuck. Ja, es wird sogar live in Bottichen gebadet.
Gebannt starre ich auf eine Frau mit grünem Gesicht und rotem Haar, die sich prompt als Model anbietet: „Soll ich garstig gucken?“ Ich bin begeistert und falle fast über den Wagen mit Geistern. Oder was ist das, was da scheinbar aus Ästen herauswächst? Sonia Abildgaard klärt mich auf.
Die Geister im Holz
Sie sieht dieses Leben im Holz und erweckt es, in dem sie ihm eine Form gibt. „Was die Leute darin sehen, bleibt ihnen überlassen.“ Ich sehe Tiere und Kobolde mit feurigem Blick. „Manche hängen sie sich als Glücksbringer ins Auto“, erzählt Sonja, die mit ihrem Job und den Holzgeistern so etwas wie die Quintessenz des Spektakels darstellt.
Menschen sitzen am lodernden Feuer, auf Heuballen oder Holzbänken, auf den nächsten Akt des Festspiels wartend. Hunde liegen unter Tischen oder Bänken, es ist sogar genug Platz für eine Pferdekutsche auf dem Heider Marktplatz. Seit dem Jahre 1447 garantierte ein Paragraf des Dithmarscher Landrechts den Marktfrieden und leitete die Blütezeit für die Bauernrepublik ein.
Schlösser und Gutshöfe sind in unserer Nachbarregion schwer zu finden, denn nicht der Adel, sondern die Bauern hatten dreihundert Jahre lang das Sagen. Und sollte das Angebot damals nur halb so reichlich wie heute gewesen sein, ging es den Bauern wohl recht gut. Wir können uns jedenfalls kaum entscheiden, an welchem Stand wir unsere kulinarische Tour beginnen.
Und beschließen einen vegetarischen ersten Gang mit frisch geröstetem Knoblauchbrot, Kräuterquark, Oliven und Peperoni. Während wir damit beschäftigt sind, beim Essen minimalistisch zu kleckern, wird mein Assistent von einem bemützten Mann bedrängt, der seine Zunge nach unserem Veggiebrot ausstreckt. Raue Sitten!
Dithmarscher Kohlsuppe
Wir folgen dem Gierigen mit Blicken, er wandelt zu einem Stand mit Fleischspießen, die mit Kräuterpanade bestrichen und über Stunden im Birkenholzrauch gegart wird. Mutzbraten aus Thüringen. Am Ende wird er noch bedampft und kommt zart und nach Kräutern duftend auf den Teller. Dazu etwas Sauerkraut und frisches Brot.
Wir probieren, während sich der Kollege des Gierigen über meine Kamera und Seelenklau auslässt. Nur weil ich beim Zerteilen des Fleischs fotografiert habe! Man hat es nicht leicht als Paparazza im 15. Jahrhundert. Ein Ende der Genusstour ist nicht in Sicht. Wir landen vor einem Teller dampfender Dithmarscher Kohlsuppe.
Da ich schon lange weiß, dass bei den Nachbarn selbst die Schafe auf den Fennen Kohl verspeisen, komme ich um diese Suppe nicht herum. Ein angemessener dritter Gang. Fehlt noch? Das Dessert! Wir wählen Muzen und Futjes aus, ganz frisch gebrutzelt. Doch recht mächtig das ganze Mahl, so im Nachhinein betrachtet.
Genau zum richtigen Zeitpunkt entdecken wir… Adam und Eva! „Früchte aus Hispania in aqua vitae“ Wobei Adam „epfel in brant“ und Eva „brant mite figen“ meint. Auf mein Nachfragen: Ja, die Früchte kann man essen. Doch wie prostete man sich vor 500 Jahren zu? Zum Wohle, das klingt behäbig genug.
Das Wikingerkarussel, das sich aus entdrehenden Seilen lustig im Kreis bewegt, sparen wir uns nach dem Gelage. Doch wir hegen einen verwegenen Plan: zurück ins Mittelalter. Für ein paar Stunden. In zwei Jahren. Genau hier.
Text und Fotos: Elke Weiler
Mehr Infos zum historischen Hintergrund des Heider Marktfriedens, das volle Programm von Donnerstag bis Sonntag sowie die Preise findet ihr auf der Seite des Fördervereins. Das Fest findet alle zwei Jahre statt, und wer im historischen Kostüm erscheint, bezahlt weniger Silberlinge.
Heide ist sehr schön, dort war ich oft in meiner Kindheit.
Dithmarschen ist immer eine Reise wert!!!
Leider bin ich viel zu selten dort. Dabei bin ich ein großer Fan vom Kuchen am Wesselburenerkoog. :-)
Liebe Elke,
ich gehe furchtbar gerne auf solche Mittelaltermärkte. Bei uns gibt es gerade im Mai und Juni sehr schöne, die dann auch immer ein Mittelalter-Lager und ein Ritterturnier haben.
Wenn ich mir sicher bin, dass das Fest auf einem großen weitläufigen Gelände stattfindet, sind Dayo und Suri auch mit von der Partie. Ansonsten bleiben sie zu Hause.
Viele Grüße
Martina
Liebe Martina,
an dem Freitagabend, als wir dort waren, hätten die beiden locker mitkommen können! Wir haben Julchen und Janni lieber zu Hause gelassen, weil wir dachten, es wird vielleicht eng, doch es war total entspannt. Aber das weiß man ja vorher nie!
Liebe Grüße und viel Spaß bei euren Rittern! :-)
Elke