Ein Mann namens Walter steuert das bunte Luzzu, ein typisch maltesisches Boot. Von der Anlegestelle in Vittoriosa schippern wir durch den größten Naturhafen des Mittelmeeres, der sich wie ein Krake mit langen Armen in den Nordosten der Insel fräst.
Vorbei an felsigen Küsten, aus denen barocke Festungsstädte herauszuwachsen scheinen. Je mehr wir auf die Fahrrinne der Kreuzschiffe zusteuern, desto imposanter zeigt sich die gegenüberliegende Hauptstadt Valletta.
Sanft schaukelt das Boot in den Wellen, und Walter ist froh. Er mag das Meer. „Doch es mag mich nicht“, meint er schmunzelnd. Bei hohem Wellengang wird der Bootsmann nämlich seekrank. Walter hat einen für den Inselstaat gängigen Lebenslauf: geboren in Großbritannien, die Mutter aus Malta, hat der Mittfünfziger zwar einen maltesischen Pass, spricht aber kein Wort Malti.
„Zu schwer“ sei das für ihn. Nur ein paar Wörter kenne er. Doch auf Malta spricht man – historisch bedingt – sowohl Englisch als auch Malti, so dass Walter keine Verständigungsprobleme hat. Während der 45-minütigen Bootstour erfahren wir mehr über die traditionellen maltesischen Boote. Genau genommen sitzen wir nämlich in einer Dghajsa, die eine etwas flachere Form als das Luzzu hat.
Außerdem verfügen die größeren und eleganten Luzzus am Bug über ein aufgemaltes Auge des ägyptischen Gottes Osiris. So ausgestattet hofften die Fischer wachsamer gegenüber den Gefahren der Tiefe zu sein. Die Phönizier hätten dieses Symbol einst nach Malta gebracht, erklärt Walter. Doch sie waren nicht die einzigen, die ihre Spuren auf der Insel hinterlassen haben. Am Ende der Tour sagen wir „goodbye“ und „grazzi“ zu Walter, denn „danke“ auf Malti haben wir schon gelernt.
Maltesisch entstand aus einem arabischen Dialekt und reflektiert mit einer Vielzahl an Lehnwörtern die wechselvolle Geschichte der Inselgruppe. Durch die Nähe zu Sizilien finden sich besonders viele italienischstämmige Wörter im Sprachgebrauch. Und die nahe Verwandschaft von „grazzi“ zum italienischen „grazie“ ist augenscheinlich. Jemanden auf Malti willkommen zu heißen, klingt wiederum eindeutig arabisch: „Merhba!“ Walter hat uns nicht verschwiegen, dass man außer Englisch auch Malti-Kurse auf der Insel belegen kann.
In Marsaxlokk
Auch im zweitgrößten natürlichen Hafen der Insel, in der Marsaxlokk Bay begegnen uns die Luzzus wieder. Malerisch schaukeln sie im Wasser – Farbtupfer vor der Kulisse sandfarbener Häuser. Ein Honigton, der die farbliche Grundstimmung der Hauptinsel repräsentiert: Kalkfels, natürliche Resource einer kargen Landschaft – ganz im Gegensatz zur Nachbarinsel Gozo.
Feigenbäume wachsen wild, Macchia, Kräuter und Mastixsträucher bedecken die Böden im Landsinnern. Zudem forsten die Malteser ihre Insel mit Palmen, Oliven, Kiefern und Mittelmeereichen auf. Aufgrund der relativen Vegetationsarmut verströmt Malta keinen ausgeprägten Eigenduft.
Außer dem des Meeres, das wir im hübschen Städtchen Marsaxlokk an unserer Seite wissen. Neben dem lebhaften Marktgeschehen direkt am Wasser, den zahlreichen Ständen mit ortstypischen Produkten wie Honig und Klöppelspitzen, dreht sich hier fast alles um Fisch.
An der Promenade kehren wir im beliebten Restaurant „Ir-Rizzu“ ein, der Seeigel, einem traditionellen Familienbetrieb. Ein leichtes Menü mit Venusmuscheln als Vorspeise und gegrillte Cerviola, Gabelmakrele, im Hauptgang.
Die Gäste neben uns probieren im Ofen gebackenen Lampuka – ein typisch maltesisches Gericht. Dieser Delfinfisch hat mit Delfinen garantiert nichts zu tun! Besonders in den Monaten Oktober, November und Dezember kommt er auf den Tisch, während im Hochsommer eher Thunfisch gegessen wird.
Mdina, die alte Hauptstadt
Weitere maltesische Spezialitäten wie hausgemachte Ravioli oder das Kaninchenragout „Fenek“ finden wir im Landesinnern. Die Hauptinsel ist so kompakt, dass alle Wege kurz sind: Keine Busfahrt auf Malta dauert länger als 20 bis 30 Minuten.
Und die Tour in die ehemalige Hauptstadt Mdina lohnt sich. Wir finden uns im touristischen Paradies wieder: Spaziergänger, Pferdekutschen, ländliche Ruhe mit Aussicht, denn der geschichtsträchtige Ort liegt auf einem Hochplateau in der Inselmitte.
Schaulustige scharen sich um verkleidete Fechter: Wenn in Mdina die Schwerter der Ritter klingen, geht es um Schaukämpfe in historischen Kostümen. Ein Stück weiter gibt ein Falkner eine Probe seines Könnens, auf den Straßen und in den Palästen tummeln sich ehrwürdige Leute in eleganten Roben.
Mdina bietet die optimale Kulisse für das Mittelalter- und Blumenfestival im April: Das unveränderte Stadtbild mit den geschwungenen Gassen, der freundliche Honigton der Fassaden, egal ob Mittelalter oder Barock. Jeder Stein atmet Geschichte aus.
Auch für Süßes wie den Honigring mit dem schwierigen Namen „Qaghaq ta‘ l-Ghasel“ ist Mdina bekannt. Zu genießen zum Beispiel in einem Teegarten auf der alten Bastion.
Birgu bei Kerzenschein
Auch in Birgu wirft man gerne einen Blick zurück in die Geschichte. Die auch Vittoriosa genannte Stadt ist eine der „Three Cities“ auf drei Landzungen gegenüber der Hauptstadt Valetta. Als die Johanniter nach Malta kamen, wählten sie das ältere Birgu zu ihrer Hafenstadt.
Am letzten Abend des dreitägigen Festes mit seinen geschichtlichen Inszenierungen und Musikparaden zeigt sich „Birgu bei Kerzenschein“. Im Oktober sind dank des subtropischen Klimas noch Temperaturen um die 24 Grad Celsius zu erwarten, und auch abends sinken sie selten unter 18 Grad.
Das hebt die Feierlaune in den Gassen und auf den Plätzen von Birgu. Die Einwohner stellen Kerzen in die Hauseingänge, auf die Fenstersimse, Dächer und entlang der Wege – der ganze Ort flackert und leuchtet wie zu Zeiten der Ritter.
Auf dem zentralen Victory Square tanzt ein historisches Ensemble, an den Ständen ringsherum drängeln sich die Besucher, um traditionelle Speisen wie Hobz biz-Zejt zu kosten – ein knusprig gebackenes Ftira-Brot mit Öl, Tomatenpüree, Thunfisch, Oliven und Kapern. Und mir kommt es vor, als biete ein Straßenfest eine weitaus bessere Gelegenheit, original maltesische Hausmannskost zu probieren, als es die Restaurants der Insel je könnten.
Text und Fotos: Elke Weiler
Mit Dank an Visit Malta, das diese Reise ermöglicht hat.
Ein Bootsmann, welcher seekrank wird? Unglückliche Kombination, würde ich meinen. Nun ja, solange er das Meer und seinen Beruf liebt, nimmt er das sicher billigend in Kauf. Der Rest des Berichtes liest sich flüssig und macht Lust auf mehr – vor allem die immer wieder eingestreuten Kommentare über die typisch maltesischen Leckerbissen. Doch auch die Beschreibung der Festlichkeiten lassen unendlich viele Bilder in meinen Gedanken entstehen, so dass ich mir wünschen würde, diese selber einmal erleben zu dürfen. Fazit: Danke für das tolle Leseerlebnis!