Dieser ewige Herbstregen. Ohne Schirm eile ich durch die Gassen von Gamla Stan. Das hauchfeine Nieseln ist nicht zu unterschätzen, es kann durchaus effektiv durchnässen. Die Metrostation ist zum Glück ganz in der Nähe, und so nehme ich die Tunnelbanan bis Skanstull. Ein Katzensprung, und ich bin auf der nächsten Insel.
Södermalm also, oder Söder, wie die Einheimischen sagen. Es sollte hip sein. Vor allem das sogenannte SoFo, South of Folkungagatan. In diese angesagte Ecke mit ihren kleinen Cafés und Vintageläden muss ich natürlich gehen.
Aber erst einmal zum Hotel, den Koffer parken. Auf der Ringvågen, die halbkreisförmig über die Insel führt, wirkt Stockholm busy und urban. Die Atmo alles andere als beschaulich wie in der Gamla Stan. Innerhalb dieser äußeren Ringstraße legten die Stadtplaner das Straßennetz größtenteils rechtwinklig an.
Damals, also zu Beginn des 20. Jahrhunderts, war der Schachbrett-Style schwer angesagt. Heutzutage wirkt es nicht gerade aufregend, doch in Sachen Orientierung eben handlich. Nichtsdestotrotz existiert noch Bebauung aus den vorherigen Jahrhunderten, denn auf der Insel wohnten schon vor dieser Stadtplanung meist Seeleute und Hafenarbeiter.
Auf dem Ringvågen braust der Verkehr, und plötzlich stehe ich vor einem Glaspalast skandinavischer Machart. Schlicht und ruhig, doch von feiner Raffinesse. In der Lobby ein Gefühl von großzügigem Raum, unaufdringlich mit Design und Kunst ausgestattet.
Künstlerin bin ich ja nun nicht, dann könnte ich nämlich mit Malerei oder Poesie auf dem Papier bezahlen. Auch mit Strichmännchen – falls von künstlerischem Wert. Dann eben ganz banal mit Karte. Und schon steige ich mit dem Aufzug hinauf in eine andere Stockholm-Sphäre. Durch die Fensterwand meines Zimmers blicke ich auf das Eriksdalbadet, ein Schwimmbad neueren Datums, das sich scheinbar regen Zulaufs erfreut.
Rundherum eine Parkanlage, die im Kontrast zu den übereinander gestapelten Straßen zur Linken steht. Im Hintergrund das größte sphärische Gebäude der Welt, der Ericsson Globe, hierzulande einfach Globen genannt. Ich kann auch die beiden kleineren Kugeln erkennen, die an einer Seite hinauf und hinunter gondeln.
Nachdem ich die Lage aus höherer Sicht gecheckt habe – das Hotel hat immerhin acht Stockwerke – schaue ich mir nun Södermalm wieder von weiter unten an. Über die Götgatan laufe ich in Richtung Folkungagatan, biege aber schon bald in eine der kleineren Nebenstraßen ein. Nun bin ich mitten in SoFo, dem angeblich angesagtesten Teil der Insel. Kinderwagen schiebende Pärchen, geschmackvoll gekleidet, lässig und bohemian, bevölkern die Straßen, Cafés und kleinen Läden.
Das „Grandpa“ etwa, längst kein Insidertipp mehr. Wer auf der Suche nach netten skandinavischen Klamotten oder Vintage Möbeln ist, wird vielleicht fündig. Ich quetsche mich an den schwedischen Samstagsshoppern vorbei und bin für meine Verhältnisse ziemlich schnell durch. Vielleicht mal in den Secondhandladen dort?
Die Straßen werden leerer, die schnuckeligen Cafés sind zum Bersten gefüllt, und ich schiebe Kohldampf. Also zurück ins nicht minder hippe Clarion Hotel, das angeblich nicht nur Herberge, sondern auch Treffpunkt fürs ausgehfreudige Stockholmer ist. Während ich so in die Speisekarte vertieft bin – Layout gemäß Stockholmer Metroplan – setzt sich ein Mann mittleren Alters an meinen Tisch.
Glücklicherweise ist er nicht auf Kommunikationskurs etc., so dass ich mich weiter um die Speisefolge kümmern kann. Weine, Hauptgerichte, Desserts – alles mit eigener Haltestelle. Ein paar Mal umsteigen bis zur köstlichen Crème brûlée. Zum Abschluss ein Espresso – ohne Stopp.
Alles sehr nett, wenn auch von der anonymen Atmosphäre eines größeren Hotels geprägt. Die Leute kommen und gehen, steigen in Taxis, um weiteren Stationen des Nachtlebens zu frönen. Ich schaue mir noch ein wenig Leute und Kunst im Foyer an. Am nächsten Morgen Nahkampf im überfüllten Frühstücksraum. Dank skandinavischer Ruhe geht es trotzdem gesittet zu.
Oder liegt es an der guten Musik? Gerade läuft „Ragga Muffin“ von Selah Sue. Da könnte man doch glatt um Käse, Obst und Müsli herumtanzen. Wenn Platz dafür wäre. Einige nehmen sich den Kaffee mit auf die Designersitze im Flur. Nur ob der dezenten und vorsichtigen Art der meist schwedischen Gäste kommt es nicht zu Ausschreitungen an den Futterquellen.
Doch einige Blicke en passant sagen mir alles über das Befinden der Anderen. Ein Lächeln, komplizenhaft, und ich sitze an der Wand – der letzte Platz. „Dear raggamuffin is one of the friends…“ Nein, ich esse kein Muffin, die Croissants sind gut. Und danach das letzte Highlight meines Schweden-Trips: die Insel Djurgården. Das Vasa Museum. Mit einem echten Schatz.
Text und Fotos: Elke Weiler
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