Schaukelnd durch Paris

Im 2CV mit Chauffeur

Mein Traum wird wahr. Als passionierte Entenfahrerin ist es für mich das Größte, einmal mit der Ente durch Paris zu gurken. Beziehungsweise gegurkt zu werden.

Als das wäre Gérôme, Privatchauffeur, vielmehr Student der Politikwissenschaften. Jung, smart und passend gekleidet. Aber was ist passend für eine Fahrt mit dem 2CV? Dieses Nostalgie-Feeling optisch abzurunden. Also macht Gérôme auf Nouvelle Vague und Jean-Paul Belmondo, trägt ein weißes Hemd zur schwarzen Hose.

Irgendwo in Paris steht er mit der Ente und wartet zum verabredeten Zeitpunkt auf uns. Wir steigen ein. Hoffentlich kann er fahren, denke ich noch. Mit Gefühl.

Wir starten, ich atme auf, und Gérôme lächelt schüchtern. Während der Fahrt wirft er ab und an einen prüfenden Blick in den Rückspiegel, observiert die Stimmung der Gäste und sagt etwas. Aber nie zuviel. Frischer Wind zieht durchs geöffnete Sardinenbüchsen-Verdeck, und der Himmel über Paris scheint zum Greifen nah.

Gérôme klärt uns auf.
Gérôme klärt uns auf.

Ich lehne mich zurück, genieße das Schaukeln. Wellness jeglicher Art ein Witz dagegen. Ente forever! Vom lässigen Bauernwagen zum Lifestyle-Auto hat der gute alte Döschwo in 65 Jahren eine steile Karriere gefahren.

Auch im Film. Die Ente hat den halsbrecherischen Fahrstil von Schwester Clotilde in den Funès-Filmen überlebt, wurde allerdings bei James Bond stark ramponiert. Sie durfte Charlie Brown und seine Freunde durch die Gegend kutschieren und hatte auch in den letzten Jahren weiterhin Auftritte, etwa bei „Kokowääh“.

Heute gelten die verbliebenen 2CVs als Raritäten und fallen selbst in den Straßen von Paris ins Auge. Das merken wir, denn man bewundert uns an jeder Ecke. Damit die Enten nicht ganz verschwinden, engagiert sich Florent Dargnies.

Der Betriebswirtschaftler hat sich seinen Traum nämlich mit dem Aufkaufen und Restaurieren von 2CVs und einer Idee erfüllt: Statt Hop-on Hop-off mit dem Bus bietet er eine City-Tour mit dem vielleicht französischsten aller Autos. Was noch fehlt, wäre ein Chanson von Édith Piaf oder Jacques Brel im Autoradio…

EIn Auto, das zur Stadt passt.
EIn Auto, das zur Stadt passt.

Es ist Sommer, und die Champs-Elysées wirken irgendwie gesperrt. Tour de France! „Heute müssen wir leider einen anderen Weg nehmen“, drückt Gérôme mit charmantem Akzent sein Bedauern aus. Pas de problème, denke ich. Ich mag die kleinen Straßen mit Kopfsteinpflaster, dann wackelt’s auch richtig.

Alle Enten-Chauffeure werden ihren sprachlichen Qualitäten entsprechend eingesetzt: Im Angebot sind auf Französisch, Englisch, Spanisch sowie Deutsch geführte Touren. Gérôme macht es très bien und sehr französisch.

Nicht ganz wie Clotilde. Souverän lenkt er sein Gefährt über Dunkeldunkelgelb, was wegen der entspannten Verkehrslage keine weiteren Folgen hat.

Die gepflegte Konversation schweift vom Verkehr und den Sehenswürdigkeiten zum Studium und Leben in Paris – bis sie sich beim wieder in Mode gekommenen Picknick festsetzt. Gute Idee!

Ponts des Arts
Ponts des Arts

Wer im Sommer nicht zur „Paris Plage“ geht, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, macht es sich zum Beispiel gerne auf der Pont des Arts mit Baguette, Wein und einer Handvoll Freunden gemütlich.

Oder zu zweit an einem der unzähligen grünen Fleckchen, die weniger von Picknickern frequentiert sind. Gérôme scheint da schon einschlägige Erfahrungen gesammelt zu haben.

Vor Notre Dame konzentrieren sich wie gewohnt die Touristenströme, und unser Chauffeur hält artig vor dem Zebrastreifen, was in Paris durchaus nicht „en vogue“ ist.

Die Passanten lassen die übliche Begeisterung heraus und winken uns im lustigen Vehikel zu. Sogar die altehrwürdige Kathedrale tritt für ein paar Sekunden in den Hintergrund.

Notre Dame verblasst?
Notre Dame verblasst?

So eine Ente mit ihren Rundungen, ihrem rhythmischen Knattergeräusch und dem lässigen Trööööt kann es eben locker mit jeder Pariser Attraktion aufnehmen. Selbst der Eiffelturm verblasst in ihrer Gegenwart.

Am Ende der anderthalbstündigen Fahrt tut Gérôme seinen durch die Fahrtschwingungen völlig entspannten Gästen einen letzten Gefallen und setzt sie ganz oben auf Montmartre ab – weiteres Schicksal ungewiss.

Die Ente bringt er zurück zum Firmensitz nach Versailles, privat fährt er nämlich Métro. Was die relaxten Ex-Gäste nun machen sollen, steht in den Sternen, denn Gérôme hat ihnen ja schon ganz Paris zu Füßen gelegt.

Eins ist klar: Irgendwann und irgendwo in der Stadt der Liebe werden wir sicher picknicken.

Text und Fotos: Elke Weiler

Aus der Reihe „Archivgeschichten“: Ich war 2008 privat in Paris unterwegs, und dies war mein erster Versuch mit Ente und Chauffeur! Über den zweiten lest ihr hier.

7 thoughts on “Schaukelnd durch Paris

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert