Auf einen Kaffee mit Pessoa

Erfrischend schmeckt die hausgemachte Limonada im berühmten Café A Brasileira. Dort sitze ich neben Pessoa und denke: das Leben, ein Sehen und Gesehenwerden. Ganz Lissabon scheint an diesem sonnigen Tag über die Rua Garrett im Stadtviertel Chiado zu schlendern. Der Schriftsteller zu meiner Linken ist ein ruhiger Tischnachbar. Fernando Pessoa leistet den Gästen im Café nämlich schon etwas länger Gesellschaft: Als Bronze-Statue sitzt er an einem der Tische, lässig ein Bein über das andere geschlagen.

Es ist Zeit Adeus zu sagen. Kameradschaftlich klopfe ich dem Dichter auf die Schulter und stürze mich ins Gewühl. Ein winziger Laden fällt mir ins Auge – gleich neben der portugiesischen Modezarin Ana Salazar. Neugierig gehe ich hinein. Der Verkäufer lächelt spitzbübisch und fängt an zu erzählen.

Der Herr der Handschuhe

„Es ist eine Schande!“ Der Mann mit dem in Portugal nicht seltenen Namen João spielt den Entrüsteten. Da berät der 38-Jährige nun seit über 20 Jahren die Damen und Herren in Sachen Handschuhen – und wer hat sich noch nicht blicken lassen? Frau Figo, Gattin des portugiesischen Ex-Fußballers.

Der kleinste Laden Lissabons

Ein Jammer sei das, wo doch sonst alle mal vorbeischauen im kleinsten Laden Lissabons. Auf etwa vier Quadratmetern Verkaufsfläche tritt man sich schnell auf die Füße. Besonders während des Weihnachtsgeschäftes platzt der Laden aus allen Nähten. „Vom 22. bis 24. Dezember stehen die Leute jedes Jahr Schlange“, berichtet Almeida. Es ist die Zeit für Handschuhe in Lissabon, auch wenn der Winter meist mild ausfällt. Die Zeit für Geschenke.

Nostalgie in Form einer Standseilbahn

Seit Geschäftsgründung im Jahr 1925 hat sich die Mode zwar desöfteren geändert, kaum merklich aber die Einrichtung. Der Marmorboden, das rötliche Eichenholz, das Werbebild von anno dazumal – alles passend zu den Jugendstilschnörkeln im Geschäftsnamen. Ein Stil, der zu Lissabon passt. Nostalgisch wie die beliebte Eléctrico 28, die Straßenbahn, die vom Campo Ourique im Viertel Prazeres durch das Viertel Chiado und hinauf zum Miradouro Santa Luzia fährt, einem der vielen Aussichtsplätze Lissabon.

Eine moderne, breitere Bahn käme kaum durch die engen Gassen. Auch die Standseilbahnen sind den geografischen Besonderheiten Lissabons angepasst und prägen wie der Elevador de Santa Justa mit seinen verschnörkelten Gusseisenformen die nostalgische Kulisse. Dass der Erbauer Raoul Mesnier de Ponsard ein Schüler von Gustave Eiffel war, ist nicht zu leugnen. Der Aufzug verbindet die Unterstadt Baixa mit dem eleganten Chiado.

Santa Justa

Unweit des Cafés A Brasileira wacht der Lorbeer bekränzte Nationaldichter Luis de Camões an der gleichnamigen Praça über das bunte Geschehen. Mit ihm werde ich keinen Kaffee trinken, denn er sitzt nicht im Café. Der Platz ist jedenfalls eine gute Stelle, um in die Eléctrico 28 einzusteigen, die sich wie ein ratterndes Reptil aus Holz und Stahl von West nach Ost durch die engen Straßen schlängelt.

In den schmalen Waggons der 30er Jahre wird vor Taschendieben gewarnt. Ächzend und knarrend geht es in vollem Tempo hinab in das Geschäftsviertel Baixa und wieder bergauf Richtung Altstadt – mitten in die Alfama mit ihrem Gewirr aus Gassen, kleinen Plätzen und Steintreppen. An der Haltestelle „Sé“ steigen die meisten Fahrgäste aus, um das kühle Innere der ehrwürdigen Kathedrale zu betreten.

Selfie mit Aussicht

Einige fahren noch drei Stationen weiter zum Miradouro Santa Luzia, trinken einen Milchkaffee, den portugiesischen Galão, oder genießen einfach die Aussicht auf die Alfama und den Fluss Tejo, dessen Delta sich wie ein Meer zu Füßen der Stadt ausbreitet.

Der Duft gebratener Sardinen

Doch ich ziehe das Castelo de São Jorge vor. Von allen Aussichtspunkten der sieben Hügel dieser schönen Stadt gefällt mir die maurische Burg am besten. Ein Treffpunkt der Flaneure und Verliebten.

Wir bleiben bis zum Abend, wenn sich das Leben in den Gassen der Alfama regt. Es riecht nach gebratenen Sardinen, und die sehnsuchtsvollen Klänge des Fado dringen aus den kleinen Lokalen an die milde Nachtluft. Viel später erst fahren wir zurück mit der Tram ins Bairro Alto. Immer noch diese vom Meer geprägte Sehnsuchtsmelodie in den Ohren.

Das junge Lissabon trifft sich hier auf den Straßen, vor allem in der Rua do Norte. Dort stehen wir draußen, trinken etwas und genießen das portugiesische Nightlife. Vor dem Café Luso warten kostümierte Folklore-Tänzer auf ihren Einsatz, die kleinen Restaurants und Szene-Bars füllen sich langsam. Gegen Mitternacht ist die Rua do Norte prall gefüllt.

Und ich frage mich, ob auch Pessoa hier gestanden hätte, einen Drink in der Hand. Vermutlich war er eher ein Café-Sitzer, der Mann, dem das bloße Existieren reisen genug war. Ab morgen jedenfalls lese ich es, das „Buch der Unruhe“, und begebe mich auf die Reise in das Lissabon des frühen 20. Jahrhunderts. Vielleicht im Café A Brasileira?

Text und Fotos: Elke Weiler

11 thoughts on “Auf einen Kaffee mit Pessoa

  1. Was für ein schöner Artikel, Elke! Ich war vor Jahren einmal in Lissabon und kann mich sehr gut an die Fado-Kneipen, die schönen Aussichtspunkte und vor allem den Flair der Stadt erinnern. Für ich ist Lissabon eine der schönsten Städte Europas mit ihrer ganz eigenen Atmosphäre, der wundervollen Lage am Tejo, den einladenden Kaffeehäusern und der leicht melancholischen Stimmung, die dort herrscht.

    1. Danke, liebe Monika! Und ich bin absolut deiner Meinung: Lissabon ist auch eine meiner Lieblingsstädte in Europa. Die Lage am Wasser und auf den Hügeln, Architektur & Azulejos, die Musik und die sehr netten Leute!! :-)
      Dir ein tolles 2013 mit vielen schönen Reisen!!

  2. Ohh, da kommen Erinnerungen hoch. An das kleine Fischrestaurant, dessen Namen wir vergessen haben. Wo eine Verständigung, bzw. Bestellung, nur durch einen Besuch in der Küche und Heben der Topfdeckel möglich war. Wo wir hervorragend gespeist und den Fado genossen haben.

  3. Oh da war ich auch! Lissabon ist so wunderschön – und bei natas kann ich einfach nicht nein sagen. Bei unserem viel zu kurzen Lissabon Besuch habe ich mich eindeutig in diese charmante Stadt verliebt! Ich will noch mal hin!

  4. Olá Elke,

    vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel!

    Es ist mein erster Besuch – bei Dir, nicht in Lissabon. Aber er war sehr angenehm, der eine wie der andere.
    Ich glaube es war eine gute Entscheidung, in Lissabon erste Bekanntschaft mit Dir gemacht zu haben. Und ich verspreche, dass ich gleich noch etwas mehr von Dir lesen werde – wenn ich darf?

    Bis dahin, einen herzlichen Gruß aus Berlin
    Alex

    P. S. Ein nicht Widersprechen nehme ich als Zustimmung…

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