Plötzlich stand Emil vor der Tür. Natürlich hatte ich meinen Verlobten über das ganze Erziehungsgedöns mit Janni nicht vergessen. Im Gegenteil. Die Sehnsucht war groß. Riesengroß.
Auch er schwörte mir, dass der Everschop auf ewig unser Liebesnest sein würde, und Störfaktoren wie die Wollknäuel von der Occupy-Bewegug oder Badesaisonlutscher das nie ändern könnten. Auch wenn sie sich noch so sehr bemühten.
Es würde wieder die Zeit kommen, wenn der Everschop uns allein gehörte. Es tat unendlich gut, all das von Emil zu hören und über alte Zeiten zu schnacken, als die Welt noch Janni-frei und in Ordnung war.
Natürlich schmiss der kleine Pupser sich sofort an meinen Verlobten heran, wie er es im übrigen mit jedem, aber auch jedem tat. Das arme Katertier konnte ein Lied davon singen. Kaum näherte er sich dem Haus, stürzte Janni sich mit vollem Enthusiasmus auf Mats.
Hätte das Löffelgesicht nicht Hunger bis unter alle vier Achseln – Mats hätte sofort wieder kehrt gemacht. Er tat mir fast schon leid, dass er sich für ein bisschen Happihappi zunächst einer Vollmassage mit Schlabberpeeling unterziehen musste.
Der kleine Saubraten nannte das Freundschaft. Dabei bemerkte Janni nicht, dass sich das Katertier immer rarer machte. Madame unternahm diverse Versuche, a) Janni zu missionieren, sowie b) das Löffelgesicht durch Shiatsu zu lockern.
Doch intuitiv kapierte ich, dass Mats nur c) eine Konsultation bei meiner Psychoanalytikerin Mademoiselle Julie helfen würde. Ich musste mit allen Mitteln verhindern, dass das Katertier in eine Depression abdriftete.
Kaum war ich der Lösung dieses familiären Konflikts auf der Spur, brachten Lichtgestalten neuen Schwung in unsere bescheidene Hütte: Die Königsfamilie stand auf der Matte.
Also durfte gehüpft und geknutscht werden, was das Zeug hielt. Vor allem Janni freute sich wie ein Kleinkind auf Urlaub. Überhaupt wurde mir immer klarer, dass der kleine Pupser nicht nur ein Stalker war, wie er im Buche stand, sondern auch das Rudeltier schlechthin.
Die Familie. Das Größte für einen Saubraten mit Soziomanie. Während ich lieber auf Abstand zu den mitgereisten Superrüden ging – man wusste ja nie, wann sie wieder ihrem Lieblingsjob frönen wollten – stürzte Janni sich munter in die Menge. Und ging dabei allen mächtig auf den Keks.
Nur Haudegen Freddy, ein kinderlieber Cairn Terrier mit dem Gemüt eines Elefanten, erbarmte sich des kleinen Pupsers. Doch selbst als little Freddy die Schnauze voll hatte und sich lieber auf eigene Pfote übers Watt nach Pellworm absetzte, war Jannis Enthusiasmus ungebrochen.
Was ihm blieb, war die Knutscherei mit Königinmutti. Aber nein! Noch eine Abfuhr? Sie wollte nicht? Wegen akuter Versandungsgefahr! Da half nur noch eins: die ganz große Show. Wattrennen.
Wie gut, dass gerade einige Gäule vorbei trotteten, wir waren nämlich in St. Buddel-Böhl. Dort erfreuten sie uns stets mit aromatisierten Leckerbissen, die sie hinterließen. Und durch ihre entzückende Anwesenheit.
Also ich hatte meine Pferdephase ja längst hinter mir. Doch Janni drängte in meine Pfotenstapfen und preschte mit Karacho direkt auf sie zu. Hatte dieser Verrückte den Knall nicht gehört? Beziehungsweise Madames süße Stimme, die ihn von dem Schwachsinn abhalten wollte? Himmelschafundmeer!
Die Feuerwehr übernahm höchstpersönlich das Einsatzkommando. Und flog übers Watt, umzingelte den Ausreißer, bellte die Pferde kurz zusammen, damit sie nicht auf krumme Gedanken kamen und brachte das Küken wieder heil zurück.
Und wer wurde für diese Heldentat gefeiert? Niemand. Nicht mal ansatzweise. Zur Belohnung durften wir alle beide an die Leine. Auch dem Rest der haarigen Sippe erging es nicht besser. Mit zentnerweise Sand im Pelz traten wir den Rückzug an.
Nachts träumte ich von meinem Everschop und bat Madame schließlich, mich dorthin zu fahren. Meinetwegen konnten wir auch den kleinen Pupser mitnehmen, da die Gefahr einer Konfrontation mit Gäulen dort gleich Null war.
Zwar trafen wir nicht wie erhofft auf meinen Verlobten, lernten aber einen netten Nachbarn kennen: Wuschel, sechs Jahre alt und ein bezaubernder Briard. Janni konnte nicht umhin, den Süßen zu belästigen, was meine neue Bekanntschaft mit dem üblichen Fauchen quittierte.
Eigentlich war es ein wunderschöner Abend am Everschop. Die Schiffe schaukelten sachte im Hafenbecken, ein paar hartgesottene Badelutscher schwammen uns was vor, und Wuschels Madame schien uns zu lieben.
Aber Jannis Sinn für Verschwiegenheit, Romantik und dezente Zurückhaltung tendierte gegen Null. Wir mussten rasch eine Lösung finden: Kinderhort oder Kuhstall?
Text: Julchen (nach Diktat mit Emil telefoniert: „Nein, da war nichts mit Wuschel! Echt!“)
Fotos: Elke Weiler