Und abends in Portugal

Es klingt wie „Purtugalll alé!“ – der Sound des Viertels hinter den Landungsbrücken, der Song der Ditmar-Koel-Straße. Kein Fado, zumindest nicht an diesem Abend.

Passend dazu: Rotgrün allerorten, die Fußballfarben im sogenannten Portugiesenviertel von Hamburg. Unschlüssig laufen wir an den Restaurants vorbei, darunter auch viele spanische und italienische.

Aber heute muss es Portugiesisch sein. Man versucht uns zu ködern, die Konkurrenz schläft nicht, der Druck ist groß. Permanentes Lächeln soll uns in der Entscheidungsphase beeinflussen.

Überall riecht es verführerisch, gegrillter Fisch, Knoblauch, frittierte Sardellen. Neben dem „Porto“, Urgestein der portugiesischen Gastronomie im Kiez, hat das „Nau“ im letzten Jahr frisch eröffnet.

Auch wenn es die portugiessche Küche modern interpretiert und auf rustikalen Tavernencharme verzichtet, laufen doch irgendwo im Hintergrund die Fäden mit dem „Porto“ zusammen.

Dass wir im „Nau“ bleiben, wird alsbald mit einem Aperolsektchen, Lob und Siegerlächeln geadelt. Schräg gegenüber fiebern die Fans dem Erreichen des Viertelfinales entgegen, doch der Fernseher im „Nau“ rauscht.

Süße Oliven und Honigkuchen

Da man Portugal nicht empfangen kann, läuft schließlich doch das Deutschlandspiel. Und manchmal geht der Jubel von gegenüber sogar synchron! Denn die Rotgrünen freuen sich auch über die Tore von Podolski und Bender.

Wir sitzen an der frischen Hafenluft und widmen uns dem Fisch: Grilldorade mit grüner Soße sowie Salat mit frischem Thunfisch. Vorher Fischsuppe, nachher Honigpudding nach Alentejo-Art sowie Orangenbiskuitröllchen mit Eis. Premiere für die ersten süßen Oliven meines Lebens. Auch die Weine sind köstlich.

Irgendwann in der zweiten Halbzeit zahlen wir, um uns doch noch unters jubelnde Volk zu mischen. Da kommt die Warnung seitens des Kellners: Gleich erschiene die Polizei auf der Bildfläche, würde die Straße absperren, und dann gäbe es kein Hinein und Hinaus mehr. Am besten also, wir blieben gleich da.

Wir bleiben in Potugal.

Dann liegen sich alle in den Armen, happy bis zum Anschlag. Vor dem Laden mit dem größten Fanauflauf kommen die Autos schon länger nicht mehr durch. Aber das macht nichts, man will sich sowieso nur für den Korso postieren.

Der erste Polizist patroulliert, die Gatter liegen bereit, wir lassen es drauf ankommen. Wird die Straße wirklich gesperrt? Eskaliert die Party? Mitnichten! Tröten, Trompeten, Knaller, Böller, Hupen, Jubelschreie. Pures Glück.

Langsam gehen wir zurück zu den Landungsbrücken, links das Museumsschiff „Rickmer Rickmers“, das auch mal unter portugiesischer Flagge als „Sagres“ segelte. Rechts ein Salsaschiff ohne Tänzer. In der Ferne so nah die Elbphilharmonie, nicht von dieser Welt. Bauzeit: ewig. Die Lichter des Hafens, das Geräusch des Wassers.

Nur über der Ditmar-Koel-Straße leuchten immer noch die bunten Zeichen der Ekstase.

Text und Fotos: Elke Weiler

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