Über Cannoli & Co
Ragusa überschlägt sich für uns. Es ist fast ungewöhnlich warm im April, und überall duften Zitrusbäume und Kräuter. Ich muss unweigerlich an good old Goethe denken. Auch wenn er eine andere Region Italiens besang, fühle ich mich mitten im Land, wo die Zitronen und Orangen blühen.
Wir haben Glück mit dem Wetter, denn die Regenphase wurde gerade abgearbeitet. Die Sonne gibt dieser Tage ihr Bestes, selbst die Sizilianer schwitzen. Kein Wunder eigentlich, liegt die Provinz Ragusa doch auf dem selben Breitengrad wie Tunis. Sizilien ist Afrika, sagen die Norditaliener.
Und das nicht nur im Hinblick auf das Klima. Auch der Orient ist präsent. Ich weiß das, nachdem ich mich ein bisschen durch die südsizilianische Küche gearbeitet habe. Schwerpunkt: Gerichte arabischer Abstammung. Schon in Catania am Flughafen duftet es nach Süßigkeiten, nach Marzipankeksen und frischen Torten.
Ich stehe vor „I dolci di Nonna Vincenza“, also vor den Süßigkeiten von Oma Vincenza, und es herrscht reger Betrieb. Ein paar Mandelplätzchen muss ich mitnehmen und damit bin ich eher die Ausnahme. Um mich herum wimmelt es von Italienerinnen mittleren Alters, die ausnahmslos mit vollen Tüten die Pasticceria verlassen.
Das Nummernsystem
Damit sich bei dem Gewusel in dem Minigeschäft keiner vordrängelt, zieht man eine Nummer – wie auf dem Amt. Einige Kunden geben zwischenzeitlich wieder auf, so dass die Verkäuferinnen weiter vorspulen müssen. Ein echter Nummernsalat!
Bei den Enddreißigern angekommen, ruft niemand mehr Hier. Die 43 erscheint auf dem Display, bald habe auch ich es geschafft, nur Sekunden vor dem Boarding. Die Damen schräg neben mir an der Theke belieben zu scherzen.
Eine meint, sie hätte die 44, falls sich wieder keiner meldet, und die beiden Anderen stimmen ein. Ja, plötzlich haben alle die 44. Dann zeige ich den Dreien mein „Blatt“ – siegessicher wie eine Pokerspielerin kurz vor dem finalen Aufdecken. Und alle lachen herzlich.
Nur die Verkäuferin wundert sich ein bisschen, dass ich außer den Kekstüten keine weiteren Wünsche habe. Sie weiß nicht, dass ich seit vier Tagen zu jeder Zeit und Gelegenheit Cannoli esse. Und dass ich nicht glaube, die mit Frischkäse gefüllten Brandteighörnchen über zwei Flüge zuzüglich Zwischenstopp in einem noch souvenirfähigen Zustand zu Hause ausliefern zu können.
Ja, es waren Tage des „dolce vita“. Wer sich in der Ecke rund um Ragusa aufhält, sollte mit Ricotta glücklich werden können. Als Feind von sizilianischem Frischkäse hat man kaum eine Überlebenschance. Selbst die Kühe, die unter Johannisbrot- oder Olivenbäumen grasen, würden leicht beleidigt dreinschauen.
Der Arancino
Ich vertilge also fleißig Cannoli, sobald sie aufgetischt werden. Wie viele waren es in den letzten Tagen? Ich habe den Überblick verloren. Frische Cannoli gaben sich mit herzhaften Arancini quasi die Klinke zur Tür meines Körpers in die Hand. Wobei meine Leidenschaft vor allem letzteren gilt.
Auch wenn ich zunächst über das birnenförmige Erscheinungsbild und bei diversen Gelegenheiten auch über die Ausmaße des gemeinen Arancino staunen muss. Aber frittierter Reisklops ist nicht gleich frittiertem Reisklops.
Das wissen wir spätestens seit unserem Schnellkurs in Sachen sizilianische Küche. Im Vordergrund standen die beiden Errungenschaften arabischen Ursprungs, das Ricottaröllchen und die mit Hackfleisch gefüllte Reisbirne.
Es gibt auch noch den Reisapfel, beziehungsweise das gemeine Reisbällchen in Apfelsinengröße, in unserem Fall mit Spinat und Mozzarella gefüllt. Beide Variationen der Spezies Arancino werden paniert und in heißem Öl frittiert. Für ein schnelles Lunch genügen ein bis zwei dieser Gattung – je nach Größe, Appetit und Wetterlage.
Vielleicht noch ein paar Antipasti dazu, Oliven und Tomätchen – fertig. Danach ein Espresso, gerne auch „macchiato“, also mit etwas Milchschaum. Und natürlich ein abschließendes Cannolo. Wobei der Italiener oder angepasste Italienfan die Reihenfolge der Letzteren umdrehen würde.
Ich für meinen Teil bevorzuge den gleichzeitigen Konsum von Süßem und Kaffee. Egal, ob zur Kaffeezeit im Norden oder beim letzten Gang im Süden. Kaffee ohne etwas geht gar nicht. Cappuccino hingegen mag ich nur morgens, da bin ich angepasst. „Il cappuccio si mangia“, sagt man in Italien. Denn da genug aufgeschäumte Milch im Kaffee ist, sättigt das ganz schön. Und wer will schon nach dem Essen „essen“?
Das Cannolo-Geheimnis
Chefkoch Damiano und Dolci-Experte Giorgio lernen uns kulinarisch an: Der Cannolo ist als ehemalige Karnevalsleckerei heute zum Glück ganzjährig verbreitet. Weiter zum praktischen Teil, zum Formen des Brandteigs, der über Bambusrohre gerollt wurde, als es noch genügend davon gab auf Sizilien.
Spannend wird’s beim Füllen der fertigen Röllchen. Dabei postiert Giorgio die enorme Zapftüte – prallvoll mit Ricotta – in Höhe der Achselhöhle und stützt sie mit einer Hand, während er mit der Anderen beherzt zudrückt, um die Masse wechselseitig im Röllchen zu verteilen. Gefühl ist alles. Der Cannolo sollte weder zu üppig, noch zu sparsam gefüllt aussehen.
Für den Arancino hingegen haben sie den Reis sowie die Füllung schon vorbereitet. Giorgio formt mit etwas Reis eine Mulde in der Hand, legt ein bisschen von der Hackfüllung hinein und dreht alles geschickt und flott zur Birne. Foodbloggerin Ariane ist auf dem besten Weg, auch bald 1300 Stück in drei Stunden zu schaffen – wie Giorgio, wenn es hoch hergeht.
Ich liebe den Arancino, da geht es mir ganz wie „Commissario Montalbano“ aus den Romanen von Andrea Camilleri. Vielleicht sollte ich mal wieder einen lesen, sie spielen in der Provinz Ragusa. An schönen Orten wie Modica und Scicli, die ich gerade kennengelernt habe.
Und was den Cannolo betrifft, da gibt es Bedarf nach weiteren Recherchen. Meine nächste Sizilienreise wird nach Palermo gehen, schon im Mai. Dort fabrizieren sie die Ricotta aus Ziegenmilch. Und angeblich ist der Cannolo etwas süßer.
Und noch ein Genusstipp: Hier geht es zum Rezept für Arancini aus Ragusa!
Text und Fotos: Elke Weiler
Ist das Päckchen unterwegs? :-)
Alles auf dem Weg!
Mehr davon!
Kommt asap! ;-)
Ich befürchte Inhalte wurden unterwegs vernascht. :-)
Das kann natürlich passieren… :-D
Was heißt asap. Nur mal für mich so nebenbei.
LG aus Defereggental St. Jakob
Morgen? ;-)
In Sizilien würde ich innerhalb kürzester Zeit kugelrund werden, glaube ich, wenn ich mir das so ansehe. ;-) Einfach köstlich und soooo verlockend.
liebe heißhungrige Grüße aus Innichen
Absolut richtig, Danni! :-)