Un giorno sul mare

„Ah, piove“, sagt der Italiener. Unser Tag auf dem Meer scheint unter einem schlechten meteorologischen Omen zu stehen. „Aber so ist es auch schön“, fährt der Mann fort. „Hauptsache, es regnet nicht noch mehr.“

Ich stehe am Heck auf Deck 11, und der Regen prasselt auf Stühle und Tische. Wenigstens schaukelt es nicht mehr so stark wie mitten in der Nacht. Gleich hinter Barcelona waren wir auf der Flucht vor dem Unwetter.

Das Mittelmeer hat mich mit großzügiger Geste in den Schlaf gewogen.

Oder habe ich mich schlichtweg an die bewegte See, il mare mosso, gewöhnt? Auf Französisch heißt das: la mer agitée. Das weiß ich, weil mir der Kabinensteward aus Versehen das täglich erscheinende Bordblatt „Today“ mit aktuellen News von der Brücke auf Französisch ins Zimmer gelegt hat: „programme du jour“.

Regen prasselt aufs Deck.
Regentag?

Statt ihn um die deutsche Version zu bitten, nehme ich’s sportlich und krame mein Rest-Französisch hervor. Nur die Erklärung zum GPS-System überlese ich. Dabei wäre sie nicht nur interessant, sondern auch hochaktuell gewesen.

Als ich nämlich dank der freundlichen Hilfe der italienischen Rezeptionistin endlich eine Internetverbindung habe und einen Blick auf die Karte werfen will, verortet der Satellit mich am Hafen in Dubai. Kein Scherz.

Prompt springt meine Handy-Zeit zwei Stunden vor. Bin ich im falschen Film? Ein Hackerangriff? Eigentlich sollten wir zur unserer Linken durch die tiefhängenden Wolken die Küste Sardiniens ausmachen können.

Dubai sieht anders aus.
Dubai sieht anders aus.

Ein Ehepaar aus Wales setzt sich zu mir, und ich frage nach der Uhrzeit. Dann zeige ich ihnen mein Handy und versuche ihnen klarzumachen, dass wir in Dubai am Hafen liegen. Guter Gag! Wir lachen, doch die Sache ist ernst.

In der Tat müssen sich die Passagiere der neoRiviera mit einer kleinen Planänderung abfinden. Wegen „ungünstiger Wetterbedingungen und starkem Wind“, wie es erneut in vier Sprachen aus den Lautsprechern tönt, werden wir morgen statt Trapani nämlich in Palermo anlegen.

Eigentlich bin ich damit auch glücklich, denn ich muss ja die Cannoli, die gefüllten Röllchen aus Ragusa, in der Variante mit Ricotta aus Ziegenmilch probieren. So zu finden in den Konditoreien Palermos.

Ich erzähle den Walisern, dass ich sonst eher auf Fähren in Skandinavien unterwegs bin und dort immer gutes Wetter hatte. Was ist los auf dem Mittelmeer? Die Waliser stimmen mir zu. Es ist ihre fünfte Kreuzfahrt, obwohl beide eher die Berge lieben.

An Deck
Bodenwäsche

Die Sache beginnt schleichend und scheint abhängig zu machen. Zunächst wollten Hefin (das ist Walisisch für Juni) und David die Fjorde Norwegens sehen und dachten, die beste Möglichkeit wäre vom Wasser aus. Beim zweiten Mal entschieden sie sich für Russland, wollten jedoch aus Gründen der Sicherheit lieber von Bord aus Proben in geringen Mengen nehmen.

Sie entdeckten, dass Russland keineswegs ein unsicheres Reiseland ist. Und so nahm die Sache ihren Lauf. Dieses Mal war der Stopp in Salerno der Grund für ihre Wahl. David möchte dort einen Friedhof besuchen, auf dem ein Verwandter begraben liegt.

Hefin und David reisen jedes Mal mit Costa, weil sie die internationale Atmosphäre einer komplett englischsprachigen Cruise vorziehen. „Obwohl“, wundert sich Hefin, „dieses Mal überraschenderweise viele Briten an Bord sind.“ Es war wohl ein Angebot annonciert, das einige aufs Schiff gelockt hat.

Hello again!
Da ist sie wieder.

Langsam lichtet sich der Himmel, mein Telefonnetz springt vom maritimen Satellitennetz auf ein italienisches um, und damit stimmt die Uhrzeit auch wieder. Zeit fürs Lunch. Der frisch gebratene Thunfisch schmeckt ausgezeichnet, wenn man schon ganz früh am Buffet ist. Ansonsten empfiehlt sich das Ristorante Cetera zum À-la-carte-Essen.

Beim Wort Salsa werde ich hellhörig. Vermutlich sind meine kubanischen Tanzkenntnisse verschütt gegangen, doch probieren könnte ich es wieder mal. Wäre da nicht ein klitzekleines Problem: die Bühne mitten auf Deck 11. Mehr auf dem Präsentierteller geht nicht, denn hier liegt das halbe Schiff auf Sonnenstühlen und chillt.

Den Salsatänzern beim Lernen zuzuschauen, ist geradezu ein gefundenes Fressen für die sensationshungrige Meute. Doch als ich mich selber zunächst unter die Zuschauer mische, erlebe ich mein blaues Wunder: Der mehr oder weniger vorhandene Hüftschwung der Tänzer wird quasi bewundert.

An Bord
Should I stay or should I go?

Am ausgeprägtesten ist er natürlich beim brasilianischen Vortänzer Mauricio, Mamma mia! Was mich besonders wundert und auch begeistert: Unter den hauptsächlich italienischen Teilnehmern des Kurses befinden sich sogar Männer.

Ich schmeiße meine Jacke beiseite und stürme auf die Tanzfläche. Was die können, kann ich auch! Und es macht tierischen Spaß! Die Hitze versengt mir das Hirn, der Schweiß rinnt in Bächen, aber ich fühle den Rhythmus wieder.

Danach drei Liter Wasser. Minimum. Ein Kollege hat sich um 16 Uhr in Sachen Italienisch weitergebildet. Parli italiano? Wenn ich nicht schon so sportlich gewesen wäre, hätte es mich noch ins Hamam getrieben.

Slow Cruise, Slow Food
Slow Cruise, Slow Food

Später treffe ich Cornelia und Philip zum Dinner auf Deck 11. Wir erwarten einen Bomben-Sonnenuntergang, das Wetter könnte nicht besser sein. Heute stehen sardische Spezialitäten auf der Speisekarte, da wir die Mittelmeerinsel quasi den ganzen Vormittag lang zu unserer Linken sichten konnten.

Vor allem Fregola gefällt mir, sardische Pasta in Form von Kügelchen, die entfernt an Couscous erinnert. Ihre Besonderheit: Vor der Weiterverarbeitung wurde sie geröstet. Dazu braucht es nur ein bisschen Soße, Parmesan – e basta! Zum Hineinsetzen.

Mein erster Sonnenuntergang draußen auf dem Meer. Am Heck von Deck 11 ist es ruhig, das Wasser rauscht und braust ein paar Meter tiefer, und ein Frachtschiff zieht am Horizont vorbei. Soviel Stille hätte ich auf einer fahrenden Kleinstadt nicht erwartet.

Sunset
Ohne Worte.

Vielleicht liegt es daran, dass viele Passagiere jetzt das Unterhaltungsprogramm wahrnehmen, Bachata auf Deck 7 tanzen, südamerikanischer Live Music oder dem Pianospieler lauschen. Weil sie sich in Schale werfen, um ein Foto mit Kapitän Giovanni zu erhaschen oder um beim Offiziersball mitzumischen.

Weil sie Roulette oder Poker im Casino spielen. Als es draußen dunkel wird, starte ich einen Streifzug durch sämtliche Lokalitäten an Bord. Um am Ende wieder draußen zu landen, an der Reling zu stehen und dem Meer zu lauschen.

Denn „il mare“ ist der eigentliche Protagonist hier draußen. Das ganz große Spektakel.

Text und Fotos: Elke Weiler

Der Protagonist
La mer

Mit Dank an Costa Kreuzfahrten, die diese Reise unterstützt haben.

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