Im Osten von Glücksburg finde ich mein Domizil für die kommende Nacht. Eigentlich zieht es hier vor allem Interessierte in Sachen alternativer Energien auf die grüne Wiese. Ganze Schulklassen ebenso wie angehende Solartechniker besuchen den artefact-Powerpark.
Und wie die ganze Anlage mit zahlreichen Öko-Features aufgebaut ist, interessiert mich natürlich auch. Eine Art Freilicht-Museum nebst Beispielbauten. Probewohnen oder auch Physikunterricht zum Anfassen und Ausprobieren im Park: Wie funktioniert eigentlich die Gewinnung von Sonnen-, Wärme- oder Windenergie?
Und das Ganze startete schon weit vor dem Boom: 1986 gründete eine Handvoll Dozenten des Flensburger Studiengangs „Angepasste Technik und Pädagogik in der Entwicklungszusammenarbeit“ den Verein „artefact“ mit dem Ziel, das etwas andere Technologie-Zentrum zu schaffen.
Doch allein bei der Vermittlung von Theorie sollte es nicht bleiben. Mithilfe vieler Optimisten, Fachfirmen und Experten – auch aus Indien – realisierte der damalige Verein sein Projekt einer ökologischen Bauweise in moderner Lehmtechnologie.
Obschon das Gebäude in erster Linie den Nutzungsanforderungen eines Seminarzentrums entsprechen sollte, dient es heute als Gästehaus auch aufgeschlossenen Touristen, die sich entweder für die Thematik interessieren oder vielleicht Allergiker sind.
Mich interessiert vor allem die Lehmarchitektur, die ja vorzugsweise in heißen und trockenen Regionen der Erde angewandt wird. Wie haben die Erbauer das in Glücksburg umgesetzt?
Es gibt Kuppelappartements und Maisonettes mit nubischen Lehmgewölben. Das Material, eine Mischung aus Ton, Schluff und Sand, soll ausgleichend auf Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit wirkend. Lehm arbeitet zudem auch antibakteriell und bindet Schadstoffe.
Doch kann der Gast das spüren? Das Raumklima wirkt angenehm, es ist weder trocken noch feucht. Doch das kann ja auch an guter Durchlüftung liegen. So mitten im Sommer. Ich sehe mich in meiner Bude nur kurz um und mache erst einmal einen Rundgang.
Heute wird „artefact“ als gemeinnützige GmbH vom Pädagogen Werner Kiwitt geleitet, der auch selbst die Führungen durch die Anlage gestaltet, wenn Interesse seitens der Gäste besteht. Und das ist meistens so.
Selbstredend wird bei „artefact“ direkt umgesetzt, was der Powerpark theoretisch und praktisch vermitteln will. Rein rechnerisch ist die Anlage in der Stromversorgung autark: Durch Windkraft erzeugter Strom wird ins Netz eingespeist und zurückgekauft.
Man sammelt Regenwasser und nutzt es für die Toilettenspülungen; eine eigene Pflanzenkläranlage kümmert sich um die Abwässer. Und was die Solarkomponenten betrifft: Warmwasserkollektoren, Wärmespeicher und Photovoltaik kommen zum Einsatz. Über ein Blockheizkraftwerk auf Basis von Restholz kann zugeheizt werden.
Doch allein der Aufbau des Gästehauses ist interessant: Etwa die Tatsache, dass zirka 100.000 Altglasflaschen zur Fußbodenisolierung eingebaut sind. Oder dass die Backsteine zur Unterstützung der Konstruktion einfach einen Kompromiss an das spezielle Klima der Region darstellen.
Sprich: Was in Mali funktioniert, kann in Nordeuropa problematisch werden, denn Regen und Lehm vertragen sich nur bedingt.
Trotz des Backsteins wirkt die Bauweise eher exotisch für norddeutsche Verhältnisse. Hier auf der saftgrünen Wiese. Meine Nachbarn haben nicht an der Führung teilgenommen, sie sitzen einfach vor ihrem Apartment im Freien, genießen die letzten Sonnenstrahlen und sehen den ganzen Hasen zu, die sich hier im Landschaftsschutzgebiet tummeln.
Als es dunkel wird, klettere ich die steile Treppe hoch, werfe einen Blick auf die Sterne durch das runde Guckloch der Kuppel und wünsche mir, es wäre ohne Fenster. Aber wir sind ja nicht in Afrika, und der norddeutsche Sommer gibt nicht immer genug Wärme fürs Schlafen unter freiem Himmel her.
Ich schlafe tief und traumlos innerhalb der Lehmmauern. Oder habe ich doch von Mali geträumt? Vom Sternenmeer unter freiem Himmel?
Text und Fotos: Elke Weiler
Danke an den artefact-Powerpark für die Einladung zur Übernachtung im Lehmbau.