An der Seite von Enzo Bonaldo laufen wir durch den Hafen von Cervia. Ein Tourist aus den Niederlanden sei schuld, erzählt er uns. 1981 habe nämlich eben jener Mann den Anstoß zur Muschelzucht gegeben.
Auf diese Weise hätten sie die Wasserqualität der Adria verbessern können. „Ciao, Enzo!“ Die Fischer grüßen den Präsidenten ihres Verbandes, während sie die Netze von Muschelschalen und Krebsgetier sauber klopfen oder flicken.
Andere bieten an den überdachten Ständen entlang des Hafenkanals ihre Ware an: fangfrische Seezungen, Steinbutt, Seebarben, Sardinen, Sardellen, Garnelen und die hellen Fangschreckenkrebse.
Immer noch reduziert seien die Fischsorten, so Bonaldo. „Doch wir haben ein gutes Tintenfisch-Jahr.“ Etwa 60 Fischer sind in Cervia noch aktiv. Kein leichter Job.
Vor den Ständen streunt ein einsamer Hund am Kai entlang. „Er ist die Nähe des Wassers gewohnt“, sagt Bonaldo. „Sein Herrchen, ein ehemaliger Kapitän, kann nicht mehr zur See hinaus fahren. Doch der Hund kommt immer hierher.“
Es ist noch früh am Morgen, und einige Cervesi sind bereits unterwegs, um den besten Fisch auszuwählen. Von der antiken Salzstadt ist heute nichts mehr zu sehen. Cervia wurde vom Ende des 17. Jahrhunderts bis Anfang des 18. Jahrhunderts nach Plan neu geschaffen, was der Stadtkern mit seinen historischen Gebäuden bezeugt.
Neben der Fischerei ist auch die Salzgewinnung in der Stadt immer noch von Bedeutung. Ein Rad- oder Kanutour dorthin lohnt sich – vorbei an stillen Kanälen und durch die Pinienwälder der alten Römer. Boote gibt‘s beim Kanu Club von Cervia; Räder verleihen meist die größeren Hotels.
Denn Radfahren gilt in der Emilia Romagna als Volkssport, es gibt Fahrradstädte wie Ferrara. So treten auch wir in die Pedale, dieses Mal begleitet von Stefano Corvetti aus Cervia. Der gute Mann kennt den Weg und geleitet uns durch die Pinienwäldern bis zu den Salinen, dem Ziel unserer kleinen Tour.
Es gilt als eines der besten Italiens – das Salz von Cervia. Denn es ist besonders rein: Der Natriumchlorid-Anteil liegt bei mehr als 97 Prozent. So nimmt es kein Wunder, dass die Arbeiter der letzten manuellen Salina „Camillone“ stolz auf ihr „dolce sale“, ihr süßes Salz, sind. Nach Rosen soll es riechen.
Mit nackten Oberkörpern verrichten sie die schwere körperliche Arbeit in der sengenden Sonne. Es ist Showtime. „Sie machen das Salz wie vor 100 Jahren“, erklärt Corvetti. Mit einfachem Werkzeug zeigen die ehemaligen Salinari, wie das Salz abgeschöpft und mit Holzkarren Marke anno dazumal verladen wird.
Ein riesiger Salzberg türmt sich schon vor den Becken. Einer der braungebrannten Männer mit dem wundersamen Namen Africo scherzt: „Wir sind in der Saline geboren und aufgewachsen. Wohlmöglich auch gezeugt.“ Grinsend zeigt er auf eine Hütte, in der er als Kind manchmal geschlafen hat.
Nun verbringen die rüstigen Pensionäre hier ihre Freizeit und zeigen Interessierten alles über die Salzgewinnung. Im angeschlossenen Salzmuseum bieten sie das „weiße Gold“ in kleinen Säckchen zum Verkauf.
Die Feuchtzone rings um die Salinen gilt heute als Naturreservat. „Über 100.000 Vögel rasten hier Jahr um Jahr“, weiß Stefano Corvetti. Seeschwalben ziehen ihre Runden, aber auch Flamingos sind in den Salinen ansässig.
Untrennbar mit Cervia verbunden ist der Badeort Milano Marittima – Anfang des 20. Jahrhunderts als Villenkurort für die lombardische Bürgerschicht in den Pinienwald gebaut. Berühmt für seine Glamourgäste: Fußballspieler wie Luca Toni gehen hier baden.
Das moderne Milano Marittima ist ein Sommerort bestehend aus Hotels und Ferienwohnungen. Im Zentrum eine verkehrsberuhigte Shoppingmeile mit Luxusboutiquen. Alles perfekt organisiert auch am Strand, der Hauptsache Milano Marittimas. Weiße Badehäuschen, teure Restaurants, adrette Kellner und schickes Strandvolk.
Denn auch beim Baden heißt es in Milano Marittima „bella figura“ machen. Wir haben Hunger, und siehe da: In einem der Strandhäuschen steht Mirella und backt „Piadina“, den Lieblingssnack der Romagna.
Seit 2004 betreiben die „Azdora“ – so heißt die Hausfrau und Königin der Küche in der Emilia Romagna – und der Presidente Maurizio Zoffoli hier eine Schule für internationale Gäste, denn Aufklärungsbedarf in Sachen Fladenbrot scheint zu bestehen.
„Die Idee entstand aus Spaß“, meint Zoffoli. Mirellas gute Laune am Herd scheint das zu bestätigen. Die Zutaten wie Mehl, Schweineschmalz, Wasser, Olivenöl, Milch und Cervia-Salz verarbeitet sie zu einem glatten Teig und formt Bällchen, die eine halbe Stunde ruhen müssen.
Nach dem Plätten in der Maschine oder mit dem Nudelholz landen die Brotfladen auf der heißen Terracottaplatte. Mirella wendet sie flott: „Jede Piadina muss kurz und heiß gebacken werden!“
Sie ist fertig, wenn sie herrlich duftet. „Steif wie ein Rad“, lacht Mirella und schneidet die fertige Piadina zum Probieren in Dreiecksstücke. „In unserem Brotersatz ist keine Chemie.“ Und das schmeckt man dem noch warmen Fladen an.
Gegrillter Pesce azzurro, also Sardinen, Sardellen und Makrelen, sind ebenfalls sehr beliebt in der Romagna. Unter den Pastasorten sollte man hausgemachte Cappelletti, Passatelli oder Tagliatelle einmal probieren.
Oder Risotto alla marinara, Reis mit Meeresfrüchten. Dazu machen sich die Weine der Romagna wie der Sangiovese, Trebbiano, Albana oder Cagnina gut. Und ich denke jedes Mal, wenn ich hier bin: „Che buono!“
Text und Fotos: Elke Weiler
Mit Dank an die APT (Agenzia di Promozione Turistica) der Emilia Romagna, die diese Reise ermöglicht hat.
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