Lüttmoor-Glamour

Julchen am Deich

Klick. Klick. Klick. Die Fotoapparate surrten, ich badete im Blitzlichtgewitter. Hollywood?! Artig plumpste ich auf die Hinterbacken, blickte naturbelassen aber mit Schärfentiefe in die Kameras. „Du hast so schöne Augen! So hell!“, meinte mein neuer Fanclub unisono. Sowas passiert nur in Lüttmoorsiel.

Ich verschwieg, dass ich frisch vom Friseur kam. Madame legte Wert auf einen freien Blick. Also mussten der wuselige Teil der Rennplüsche sowie meine Wenigkeit in regelmäßigen Abständen unters Messer. Dem alten Friesenspruch „Rüm hart, klaar kiming“ – für alle Nicht-Friesen übersetze ich mal: „Weites Herz, klarer Horizont“ und so – stand also nichts mehr im Weg.

Denn ohne Matte vor den hübschen Augen war ich mindestens so weitblickend und weltläufig wie ein oller Friesenkapitän! Und meine Augen, grün und edel wie Smaragde, leuchteten klar wie das karibische Meer, wo die Piraten… Oder die Nordsee bei Windstille, durchleuchtet vom großen Feuerball.

In Lüttmoorsiel gab es übrigens viel Wasser, das wegen des Windes in Aufruhr war. Doch Monsieur bestand darauf, dass es nicht das Meer war. Zumindest auf der Schafsseite. Er konnte stur wie ein Beardie sein! Was sollte es sonst sein? Abgesperrtes Wasser? Warum zäunte man es ein? Damit es nicht zu den Pferden lief? Fragen über Fragen. Während ich nach Antworten suchte, ergaben sich neue Fragen…

Reporter-Madame trieb sich nämlich auf verbotenem Gelände herum. Warum? Sie fotografierte Gleise statt ihren Kolumnenstar! Schmale Gleise, der einzige Zugang zur Hallig Nordstrandischmoor, deren Häuserzipfel in der Ferne aus dem echten Meer ragten.

Julchen wird getragen.
Monsieur, die süße Rikscha

Wenn nun die Bahn kam? Ich hatte ja einschlägige Erfahrungen mit Bahnhöfen, Zügen sowie Gleisen und vertraute dem Schienenverkehr nur eingeschränkt. Auch wenn der Zug minipupsklein war und Lore hieß! Lieber würde ich trockener Pfote durchs Watt zur Hallig rennen, vielleicht gemeinsam mit meinem Freund Buddy, der sich in der letzten Zeit ein wenig rar machte.

Verführerische Düfte

Aber wie machten die Wollknäuel es? Die am Lüttmoorsiel glichen von der Mentalität her stark den Hamburger Halligschafen. (Ich berichtete.) Blieben sie am Deich? Oder spazierten sie bei Ebbe nach Nordstrandischmoor – wohlmöglich ein weiteres Schafsparadies? Ich tippte auf Ersteres.

Denn zu meiner großen Verblüffung verfügten die Lüttmoorpelze zwar über wenig Fell, aber einen eigenen Wohnwagen. Alle Achtung. Glücklicherweise hatte ich mir ein paar Portionen ihrer deftigen Köddel genehmigt, bevor es Madame et Monsieur in die örtliche Gastronomie zog.

Lachs- und Krabbendüfte zogen direkt an meiner empfindsamen Nase vorbei, doch jegliche Tisch-Enter-Maßnahmen wurden rüde unterdrückt. In dieser verzwickten Situation sah ich nur einen einzigen Ausweg: Ich machte für meinen neuen Fanclub – bestehend aus den reizenden Mädels Nina, Kim und Namensvetterin Jule – auf Supermodel und lächelte in die Kameras.

Warf man den Model-Hungerhaken nicht auch manchmal einen Bissen vor? Ein Häppchen? Ein paar Kalorien, damit sie auf dem Laufsteg nicht auseinanderfielen? „Mein Schatz!“, rief Nina immer wieder. Leckerli? Fehlanzeige! Dann erschienen sogar die Mütter auf der Bildfläche. Eine bot mir an, in ihrem Rucksack mitzureisen. Sollte ich annehmen? Natürlich wollte ich als Reisehund alle Möglichkeiten der Fortbewegung ausprobieren. Doch ich sah hier ein klitzekleines Platzproblem auf mich zukommen.

2CV Ente und Hund
Bar oder Kreditkarte?

Apropos mobiles Leben: Neulich hatte ich doch tatsächlich auf Nordstrand mein Traumauto entdeckt! Rot, rund, radikal… Madame klärte mich auf, dass es sich um ein älteres französisches Modell handelte. Ich plädierte für einen Sofortkauf, bar oder Kreditkarte, doch Monsieur trug mich lieber quer durch Nordfriesland, als so ein hübsches Entending als fahrbaren Untersatz zu benutzen.

Außerdem konnte ich mir gut vorstellen, dass Erpel Enzo sich in einem Döschwo wohlfühlen würde. Ob die rote Blechhöhle nur französisch verstand? Egal, ich stand auf Multikulti – hier, jetzt, überall und morgen! Besonders kulinarisch.

Frisiersalon am Deich?

Jedenfalls kam das schmucke Teil auf meine Wunschliste – gleich neben die Adoption von Frido dem Mini-Pony und den Umzug zur Hamburger Hallig zwecks Extremschafehüting und der Eröffnung einer italienischen Gelateria vor Ort.

Indes hatte sich mein Lüttmoorsieler Fanclub in den nordfriesischen Weiten verflüchtigt. Ich war in bester Spiellaune. Doch die Lüttmoorschafe fraßen stur vor sich hin. Manchmal schauten sie ein wenig neidisch zu mir hinüber. Wohl weil mein Plüsch so locker und duftig fiel.

Hier am Deich, so schien es mir, herrschte ein enormer Bedarf an einem professionellen Frisiersalon. Ich konnte die Sache organisieren… Dann hätte ich alle Sympathien auf meiner Seite, und die Plüschbacken würden nicht mehr davon galoppieren, wenn ich sie mit glockenheller Stimme zum Spiel aufforderte.

Schließlich näherten wir uns optisch aneinander an. Auch wenn wir akustische Verständigungsschwierigkeiten hatten. Wir mussten uns halt an einen Tisch setzen. Gemeinsam. Über Deiche und diverse Untertunnelungen reden. Und vielleicht einen Lüttmoorsiel-Teller mit Lachs und Krabben bestellen?

Text: Julchen (nach Diktat eine eigene Kreditkarte beantragt)
Fotos: Elke Weiler

8 thoughts on “Lüttmoor-Glamour

  1. Also Missy macht in diesem Falle von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht* Gebrauch!

    *Zweck des Zeugnisverweigerungsrechts ist der Schutz des Zeugen vor Konfliktlagen, die sich aus Loyalität zu sich selbst oder einem Dritten gegenüber und der Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage ergeben würde, wenn der Zeuge zur Aussage gezwungen wäre. Zu solchen Konfliktlagen gehört insbesondere die Situation, dass der Zeuge sich selbst oder ihm nahe stehende Dritte belastet und so eventuell der Gefahr einer (schwereren) Strafverfolgung aussetzt.

    So!!!:-))

    1. Danke, Frau Anwältin, danke, Missy! Wir müssen in Revision gehen!!! Der Maulwurf muss sich freiwillig stellen! Ich finde ihn! Und wenn ich den ganzen Garten umgraben muss!

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