Sanft schaukelte ich in meiner Koje hin und her, wir hatten leichten Seegang. Da unterbrach ein lieblich geflötetes „Heeejjjjjjj!“ meine Träume. Vermutlich waren wir vor Dänemark gestrandet!
Ich musste sofort kontrollieren, ob die Korvette beim Aufsetzen Schaden genommen hatte. Als ich die Augen aufschlug, strahlte die Sonne durch blaues Plastik und der Wind rüttelte an dem flexiblen Rohr, in dem ich mich ausgebreitet hatte.
Mein Tunnel! Madame hatte gerufen! Verschlafen trudelte ich ihr entgegen, um mir die Leine überstreifen zu lassen. Es war Zeit für einen Ausflug. Wo war Jolly Roger? Ohne mein neues Piratentuch tat ich keinen Fuß vor die Tür!
Als das knallrote Teil meinen Hals zierte, war ich bereit und gerüstet, die japanische Blechhöhle auf vier Rädern zu entern. Mir war nach Teig-Gold – Kuchen! Und ich wusste, dass meine Mannschaft ähnlich verkommene Gelüste hatte.
Der Wind pfiff durch den Garten des Cafés, den wir als einziges Rudel bevölkerten. Gute Nordfriesen wussten eben, wie man seinen Kaffee trank, bevor er draußen kalt wurde. Und wie man die Servietten davor bewahrte fortzufliegen. Obwohl es doch so lustig war, ihnen hinterher zu jagen!
Madame zeigte wenig Verständnis, als ich in einer gezielten Aktion meine Nase in ihre Kuchensahne steckte. Sie stieß ein völlig unangebrachtes „IIIIHHHH!“ aus und entfernte mich mit roher Gewalt vom köstlichen Kuchenstück. Ich beschloss, an der Schnelligkeit solcher Einsätze zu üben.
Wieder enterten wir das Yoshitoshi-Schiff. Meinen Kompass hatte ich zwar dabei, doch vermisste ich mein Kartenmaterial, so dass mir eine genaue Ortung des Ziels vom Steuermann erst spät gelang.
Fuhlehörn! Das kleine Paradies von Buddy und mir auf Nordstrand! Diese Insel anzusteuern, lag voll und ganz im Interesse der Oberkommandeurin. Erst flog ich über die Wiesen, dann ging unser Kurs Richtung Meer.
Kommt zu dem Priel!
Der Sandboden duftete unter meinen Plüschpfoten nach Fisch, Krabben und Wattwürmern. Doch das Meer hatte sich mal wieder verdrückt. Was soll‘s, dachte ich entspannt und eröffnete die Buddelsaison. Vielleicht stieß ich ja auf einen reißenden, unterirdischen Fluss? Oder einen verborgenen Schatz?
Madame zog sich die Schuhe aus, sie nannte das eine Wattwanderung. Was für ein lustiges, neues Spiel! Der Wind zerwuselte mein Fell, während ich versuchte, ihr die Schuhe abzujagen. Dann ließ sie ihre Chucks einfach irgendwo stehen.
„Kommt zu dem Priel!“, rief sie Monsieur und mir zu. Der Sand unter den Füßen schien ihr zu gefallen. Warum lief sie nicht ständig ohne Schuhe – wie ich? Dafür fiel mir bestimmt eine sinnvolle Verwendung ein.
Um zu dem in der Sonne glitzernden, mäandernden Wasserlauf zu gelangen, mussten wir eine Schlickzone durchqueren. Welche Wonne für Madame und mich! Dieses glibbrige Gefühl zwischen den Zehen, dieses leichte Einsinken in die schlubbrige Masse. Nur Monsieur hatte Angst um die Farbe seiner Fußsohlenschoner.
Mit einem Mal stand ich direkt vor diesem Ding! Im Gegensatz zum Meer war das Wasser viel wärmer. Aber genauso salzig! Wie verrückt sprang ich hin und her. Plitschiplatschi! Herrlich, so eine Wattwanderung.
Lieber Herr Priel, grüß‘ mir das verrückte Meer! Ich weiß, ich werde es beim nächsten Mal erwischen. Denn eine wahre Piratenseele gibt nie auf.
Text: Julchen (sich nach Diktat für eine offizielle Wattwanderung inklusive kulinarischen Tests angemeldet)
Fotos: Elke Weiler