Es schwimmt ein Nise im Fjord

Erwin ist der Mann mit dem besten Kurzzeitgedächtnis der Welt. Braungebrannt und durchtrainiert steht er vor uns und kann in Nullkommanix alle Namen herunterbeten.

Wir stehen am Aurlandsfjord in Flåm – bereit die Kajaks zu entern, bereit für das Abenteuer auf dem Wasser. Erwin und Montana begleiten uns nicht nur dabei, sie sind tonangebend. Wir müssen also genau aufpassen.

Zunächst einmal die Trockenübungen. So richtig trocken sind sie nicht, da es leicht regnet. Trotzdem versuchen wir die Sitzflächen in den Kajaks mit einem Spezialschwamm abzuwischen, ziehen uns Schutzwesten über und bringen unsere Kameras in Sicherheit.

Dafür gibt es extra „Floating Bags“, so dass wir uns bei eventuellem Kentern keine Sorgen darum machen müssen. Obwohl die Wahrscheinlichkeit laut Erwins Erfahrung bei null Prozent liegt, üben wir, wie man sich in einem solchen Fall möglichst schnell aus dem Kajak herausschält.

Dazu gehört es, die Spritzdecke, die wir über den Bauch und die Kajaköffnung gezogen haben, mit einem Griff vom Kajak zu ziehen und sich dann mit beiden Händen flott herauszustemmen.

Startpunkt Aurlandsfjord
Alle startklar?

Wenn du in Sekundenschnelle neben dem Kajak hockst, Boot und Paddel gesichert, hast du es geschafft. Ich verhake mich etwas mit den jetzt riesengroß wirkenden Wanderschuhen, die sich nicht wirklich fürs Kajakfahren eignen.

Da richtiges Fortbewegen auch gelernt sein will, haben wir den kleinen Paddelkurs schon hinter uns. Wenn es jemand überhaupt nicht kapiert, greift Erwin ein und hilft, den Bewegungsfluss beim Paddeln zu optimieren.

Endlich sind wir startklar, tragen mit vereinten Kräften unsere Doppelkajaks zu Wasser. Nur die Guides paddeln einzeln. Meine Co-Pilotin Corinna hat bereits Paddelerfahrung, allerdings von wilden Drachenboot-Aktivitäten. Ich paddelte hier und da mal in Kajaks und Kanus, allerdings noch nie „professionell“.

Corinna sitzt hinten, sticht tief ins Wasser und macht auf Speed. Ich weise auf Erwins gutes Beispiel hin und hoffe, dass sie sich mit der Zeit meinem Rhythmus anpasst. Erwin lacht und meint, ich sollte Corinna doch lassen.

Kajaking ist ein Sport für Genießer.
Ab ins Wasser!

Also lege ich kurzzeitig mein Paddel hoch und warte. Der Fjord ist einfach eine Wucht. Trotz Wasserattacken von oben und unten: Kajaking ist ein Sport für Genießer. Mit Sicherheit gut gegen arbeitsbedingte Nackenverspannungen. Und am schönsten in einer Umgebung wie dieser.

Ich paddele nicht zum ersten Mal in Fjordnorwegen. Beim vorvorletzten Norwegenbesuch hat uns eine Brasilianerin über das Welterbe Nærøyfjord geleitet und zu einer hübschen Wiese geführt. Barbecue inklusive. Und besonders schön, wenn dieser Flecken nur per Boot zu erreichen ist.

Heute halten wir uns mit Erwin und Montana auf der linken Seite des Aurlandsfjords, sollen wegen möglichen Steinschlags jedoch nicht zu nah an den Berghang. Die rechte Rinne sei für die motorisierten Boote. Zwei Fähren kommen vorbei und machen uns schöne Wellen. „Kommt jetzt nicht zu nah zueinander!“, warnt Erwin.

Wir genießen einfach nur das Schaukeln und paddeln dann weiter. Noch am Morgen in Undredal fuhr ein Kreuzfahrtschiff den Aurlandsfjord entlang, der wie der Nærøyfjord ein Seitenarm des Sognefjords ist. Nun liegt es in Flåm an und wird sich vorerst nicht bewegen.

Erwin gibt das Zeichen zur Versammlung und stellt sein Paddel in die Höhe. Ab und an mimt er den Naturguide und klärt uns auf, zum Beispiel über die Moosarten am Fjord. Wir sehen Wasserfälle von unten, begrüßen fünf Schafe zur Linken und bilden so langsam einen gemeinsamen Paddelrhythmus aus.

Ich frage Montana, ob es eine Strömung gibt, doch er verneint: „Nur den Tidenhub, der kann hier bis zu anderthalb Meter betragen.“ Eine andere Kajaktruppe kommt uns entgegen, sie hätten eine Kombi-Tour gebucht, meint Erwin. Er winkt uns weiter nach rechts, damit es nicht zu Zusammenstößen kommt.

Im Kajak über den Fjord
Erwin kennt sich aus.

Die Anderen werden in der Nähe eines Wasserfalls anlegen und dann ein Stück hoch wandern. Als wir unsere sechs Kilometer auf dem Hinweg fast geschafft haben, passiert es. Etwas bewegt sich im Wasser. Es taucht kurz auf und wieder höchst elegant ein. Ein Schweinswal.

Wir sind alle mächtig aufgeregt. Wie viele sind es? Wohl nur einer, der sich mehrmals zeigt. „Das ist wirklich selten“, meint Erwin. Er schiebt es auf das Wetter. Denn bei Sonne sei einfach mehr los, und da werde es den Schweinswalen schnell zu wirbelig und laut hier oben.

Schweinswale, die so stark an Delphine erinnern, sind einfach Zucker. Wir haben ein unverschämtes Glück mit dieser Begegnung und stoppen erst einmal unsere Fahrt, um den Nise, wie er auf Norwegisch heißt, nicht zu vertreiben.

Dann ist er weg, und für uns wird es Zeit für den Rückweg. Am Ende sind unsere Hände aufgeweicht, die Haare hängen herunter wie gekochte Spaghetti, ein Fuß ist eingeschlafen, das Mascara zerlaufen und die Klamotten sind trotz Jacken und Spritzschutz nass.

Doch unsere Gesichter strahlen. Und das Erste, was wir den Anderen an Land erzählen: „Wir sind einem Schweinswal begegnet.“

Text und Fotos: Elke Weiler

P.S.: Und zum krönenden Abschluss unserer Reise gibt es noch Sonne in Bergen.

Mit Dank an Innovation Norway für die Unterstützung der „Fjell & Fjord“-Reise.

16 thoughts on “Es schwimmt ein Nise im Fjord

    1. Merci, Claudia, freut mich!!

      Kajaks finde ich deswegen schön, weil man direkt im Wasser sitzt. (Ja, man wird auch nasser. :-) )

      Nise hört sich eben süß an!

    2. „Wir stehen am Nærøyfjord in Flåm …“

      Sorry, aber wie machst Du das :-)? Also entweder es war Flåm und damit der Aurlandsfjord oder es war Gudvangen und der Nærøyfjord…

  1. Kajaks, Natur, paddeln … fast zum Fisch werden. Super super toll liebe Elke … ich glaube ich muss Norwegen mir so auch einmal anschauen.
    LG sendet Dani

  2. Schön geschrieben. Wir sind in diesem Jahr auch in Norwegen, und als erstes Ziel steht Gudvangen auf der Liste. Ich hoffe, der Schweinswal ist dann noch da ;-)

  3. Norwegen ist ja extrem beliebt für Kajakfahrer. Ich persönlich habe dort echt eine schöne Zeit verbracht und bin immer wieder gerne dort. Echt ein toller Artikel.

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