Was für ein Empfang, als wir in Bergen ankommen. Es ist Sonntag, die Sonne lacht, und die Lebensfreude scheint zu explodieren. Auf jedem Flecken Gras liegen junge Leute, picknicken, quatschen oder machen Kunststücke.
Natürlich in Sommerklammotten. Das inspiriert uns, nach vier Tagen in Wanderschuhen und Fleecejacken endlich Shirts und Chucks herauszuholen. Ruben, unser junger Busfahrer, geht sogar kurzärmelig vor die Tür. Doch als wir uns auf den Weg zur Fløibahn machen, wirkt die Luft frisch. Alle frösteln – außer dem Norweger Ruben.
Schon Minuten später hat uns die Standseilbahn den steilen Weg zum Fløien hochgebracht. Die Italiener neben mir tragen Jacken, die sie vermutlich nur im italienischen Winter überwerfen.
Auf 320 Metern Höhe genießen wir Bergen, die Stadt der sieben Berge und sieben Fjorde. Es ist der vermutlich romantischste Ort der ganzen Gegend, zumindest bei Sonnenuntergang. Obwohl rund um Mittsommer die Sonne hier nicht wirklich untergeht.
Hecht mit Selleriepüree
Romantik hin oder her, für ein Tête-à-Tête ist der Fløien an diesem Sonntag viel zu frequentiert. Wie jeder andere begehrte, öffentliche Platz auch. Alle sitzen auf den Stufen oder im Fløien Folkerestaurant, um wie wir Hecht mit Selleriepüree zu speisen. Lachstartar. Krabbencremesuppe. Oder Muscheln mit Pommes.
Fisch und Meeresfrüchte sind immer ein gutes Thema in Bergen. Am nächsten Tag erfahren wir von der Österreicherin Maja, die schon seit über 30 Jahren in Bergen lebt, dass es zu den Sommerhighlights gehört, mit Freunden zusammenzusitzen und bei einem Glas Weißwein Schalentiere zu bearbeiten. Stundenlang.
Und dass Bergen auch heute noch eine beliebte Stadt unter Zuwanderern ist, merken wir vor allem auf dem Fischmarkt. „Nicht so schüchtern!“, meint einer auf Deutsch zu uns. Auf der anderen Seite laden uns zwei Italiener ein, Moltebeeren-Marmelade zu probieren. Und ein Franzose will uns nahelegen, Kavier in sämtlichen Farben zu kosten.
„Hier werden alle Sprachen gesprochen“, meint Maja lachend. „Nur kein Norwegisch.“ Der Fischmarkt ist eben ein Touristenmagnet. Doch es gab Zeiten, da bestand die gesamte Hafenstadt zu 50 Prozent aus Zugereisten.
Bergen profitiert vom Golfstrom
„Da frotzelte der Rest des Landes schon, die Bergenser seien keine richtigen Norweger. Heute beträgt der kosmopolitische Teil immer noch 10 Prozent,“ weiß Maja, „und Bergen ist stolz auf sein Image.“ Die Österreicherin reist zwar regelmäßig nach Innsbruck, doch sie hat es keinen Tag bereut, nach Norwegen gezogen zu sein: „Man lebt gut hier.“
Trotz des häufigen Regens. Zwar profitiert Bergen vom Golfstrom, der ihr ein relativ mildes Klima beschert. Doch wenn das Wetter von Süden kommt, bleiben die Wolken in den Bergen hängen und schenken der Stadt jede Menge Wasser. Nur das frische Nordwetter versorgt Bergen mit Sonnenschein. Dann ist jeder Tag ein Fest.
Als ich mittags in einem kleinen Café in Bryggen sitze, fühle ich mich aufgrund des hohen touristischen Aufkommens eh wie mitten in der babylonischen Sprachverwirrung. Umgeben von historischen Holzhäusern, die hanseatische Kaufleute einst auf Pfählen hafennah gebaut hatten, habe ich ein Sonnenfleckchen ergattert. Mitten im Weltkulturerbe.
Der Café-Tipp in Bryggen
Mein persönlicher Tipp für Bergen: das „Sakristiet Kaffe“ in der Gasse Jacobsfjorden. Es wirkt so niedlich wie ganz Bryggen, hat auch draußen nur ein paar Tische stehen, alles ist minimalistisch designt und ein bisschen Retro. Neben dem üblichen Espresso-Repertoire gibt es auch köstlichen Filterkaffee.
Für guten Kuchen habe ich eh einen Riecher. Ich entscheide mich spontan für „eple pai“ – viel Apfel, wenig Teig. Rote Beeren und Schlagsahne inklusive. Prompt kriege ich Besuch. Ein Bearded Collie aus dem Süddeutschland samt Rudel. Man zieht mit dem Wohnmobil durch Norwegen und ist hellauf begeistert.
Alle Farben Rot
Sie lassen sich am Tisch nebenan nieder und bilden neben Bryggen DIE Attraktion in Bryggen. Denn jeder Dritte will ein Foto vom Hund. Ich muss lachen, denn ich kenne die Geschichte von meinem Roadtrip mit Julchen.
Überhaupt scheinen sich die Bryggen-Besucher halbtot fotografieren zu wollen. Immer wieder stehe ich jemandem im Weg oder laufe ins Bild. Kein Wunder, es ist alles so hübsch hier. Die Holzhäuser werden gehegt und gepflegt, nach jedem Brand wieder aufgebaut und aktuell höher gelegt, damit sie auch kommende Springfluten überleben.
Maja hatte uns erzählt, dass nicht nur die Häuser Überbleibsel der Hanseaten sind. Wenn jemand in Bergen einen deutschen Nachnamen trägt, handelt es sich oft um einen Nachfahren der alten Kaufleute. Auch wenn diese sich hier anfangs nicht vermischen durften.
Natürlich konnte man den Kontakt zu den Frauen vor Ort nicht wirklich unterbinden. Und als dann schließlich grünes Licht gegeben wurde, konnten sich die Hanseaten auch offiziell um ihre Bergenser Kinder kümmern – insofern sie die norwegische Staatsbürgerschaft annahmen. Maja hat uns über all diese historischen Dinge aufgeklärt.
Und der Regen?
Fast bekomme ich ebenfalls Lust einzuwandern, denn nicht nur Maja scheint zufrieden mit ihrer Wahl zu sein. Fjordnorwegen und Bergen gefallen vielen, fast zu vielen. Die Stadt ist nicht zu groß, liegt spektakulär zwischen den Fjorden, und die Architekturen wirken wie frisch gewaschen.
Ach ja, der Regen. Uns hat er sich kaum gezeigt. Aber wenn, ist er vermutlich mit „eple pai“, Schlagsahne und Kaffee effektiv zu bekämpfen. Oder mit Musik. Da wir noch am gleichen Tag abreisen müssen, verpassen wir die Konzertreihe über Edvard Grieg, einer der bekanntesten Bergenser, der der norwegischen Seele und der Natur in seiner Musik nahe kommen wollte.
Wir sind Grieg, beziehungsweise seinem Klavier, bereits am Vøringsfossen begegnet. Es war der Tag, an dem ich eine Eingebung hatte, ganz allein mitten in der wilden Natur…
Text und Fotos: Elke Weiler
Mit Dank an Innovation Norway, die diese „Fjord & Fjell-Reise“ möglich gemacht haben.
Ich sage es doch … Du schaffst es noch das ich irgendwann auch einmal nach Bergen und Norwegen aufbreche. Obwohl ich nach meiner ersten Reise einen absoluten Norwegen Koller hatte, aber eben so das ich nie wieder dahin wollte. Super, super schön liebe Elke.
LG sendet Dir Dani
Ehrlich, Dani, einen Norwegen-Koller? Das musst du bei Gelegenheit mal ausführlich erzählen! Ich stehe kurz davor auszuwandern… ;-)
Ich finde deine Bilder einfach super schön. Ich liebe Bergen. Ich war in diesem Jahr seit 2007 das 7. mal dort. Wir hatten im Mai bereits 28°C, ein Traum… Deine Bilder sorgen bei mir für Fernweh oder doch „Heimweh“? :-)
Danke, Danny!
Wow, 28° im Mai, herrlich! Und du bist ja wirklich sehr oft dort – wie eine zweite Heimat!
LG, Elke
Aktuell bin ich mit meiner neuen Taschen Patin auch auf dem Weg nach Norwegen. Mit dem Schiff geht es auch ganz in den nördlichen Norden :-) Ich werde berichten.
Sonne in Bergen – da hast Du aber Glück gehabt! Als ich dort war, hat es leider geregnet, wie fast immer. Trotzdem hat mir die Stadt gut gefallen.
Dein Artikel macht große Lust, nochmal wiederzukommen. Dann werde ich unbedingt das von Dir empfohlene Café ausprobieren!
Viele Grüße, Meike
Danke, liebe Meike! Ja, das war tatsächlich ein großes Glück. ;-) Wie lange war dein Aufenthalt in Bergen? Die Stadt liegt wirklich spektakulär. Liebe Grüße!