Die Lieblingsromane der Reisebloggerinnen

Frühling in der Hängematte, die Tage zu Hause, im Garten, auf der Couch, später irgendwann am Strand oder im Park – jederzeit ist Lesezeit. Und nach jedem beendeten Buch geht die verzweifelte Suche nach einem würdigen Nachfolger los. Ich durchforste die Buchhandlungen oder bestelle online. Gerne kaufe ich unterwegs, spontan, wenn mir faszinierender Lesestoff in die Hände fällt. Manchmal leider in Sprachen, die ich (noch) gar nicht spreche. Jene Bücher führen ein ruhiges Dasein, bis sie eines schönen Tages doch noch ihren angedachten Zweck erfüllen.

Zwar wollte ich mich schon längst bei der Husumer Bücherei angemeldet haben, um dort online bestellen zu können, doch dafür bin ich nun zu spät dran. Keine Reisen, keine neuen Buchhandlungen, keine Funde in ausrangierten Telefonzellen oder auf Hotelfluren. Was bleibt, ist der virtuelle Austausch. Ich habe fünf Kolleginnen nach ihrem Lieblingsroman gefragt. Meinen Tipp gibt es obendrauf. Viel Spaß beim Schmökern!

„Romania“ von David Wagner

– Vorgestellt von Lu alias Sandra Timár @ Lu Morgenstern

Die Geschichte dieses Buches spielt in Bukarest. Dorthin hat es den Autor verschlagen – als Austauschdichter und um einen Roman zu schreiben. Aber wie das oft so ist: Das Leben kommt dazwischen und man selbst kommt zu nichts. Und David Wagner kommt nicht zum Schreiben. Zumindest nicht so, wie er es geplant hat.

Irgendwann gibt sein Rechner den Geist auf. An seinem „Betonbuch“, wie er es nennt und wegen dem er gekommen ist, kann er nicht weiterarbeiten. Wirklich traurig ist er darüber nicht. Stattdessen notiert er alles, was sonst so passiert. Es sind kurze Momentaufnahmen. Ein Tagebuch über seine Wahrnehmungen im Bukarester Alltag. Ohne dass er es zu diesem Zeitpunkt weiß, wird seine Zeit in der Stadt selbst zur Geschichte.

Denn die Aufzeichnungen seines etwa 30-jährigen Ichs hat er längst vergessen, als er Jahre später zufällig die alten Dateien und Notizbücher wiederentdeckt. Er liest sich fest und wundert sich ein bisschen. Schlussendlich befindet er alles für gut. Ein anderes Buch ist geboren. Und so nehmen Notizen und Tagebucheinträge den Leser mit auf eine Zeitreise in die letzten Tage des Postkommunismus.

Für meinen Geschmack ein fabelhaftes Buch, das mich mit seiner speziellen Art und Sprache ganz schnell um den Finger gewickelt hat.

Lieblingsroman von Lu Morgenstern
Lu findet „Romania“. © Sandra Timár

„Die Frau des Zeitreisenden“ von Audrey Niffenegger

– Vorgestellt von Janett Schindler @ Teilzeitreisender

Vor ein paar Jahren hat mir eine Freundin das Buch „Die Frau des Zeitreisenden“ von Audrey Niffenegger geschenkt. Zugegeben, anfangs hielt ich es für einen Scherz aufgrund meines Blognamens, doch schon nach einigen Zeilen war ich in diesem Buch gefangen. Der Roman über Clare und Henry hat mich begeistert.

Worum geht es? Henry ist Zeitreisender – er leidet unter einem genetischen Defekt namens Chrono Impairment. Dieser Defekt zwingt ihn dazu durch die Zeit zu reisen, einen wirklichen Einfluss auf Ort und Zeit hat er jedoch nicht. Im Roman wird aber schnell klar, das sich alle Zeitreisen in seinem persönlichen Umfeld befinden.

Herny lernt Clare kennen und lieben. Auf eine ganz andere Art und Weise, wie normale Menschen das tun. Das Buch hat 543 Seiten, also keine Kost für einen Abend. Wenn ihr Liebesgeschichten mit ein wenig Drama liebt, werdet ihr dieses Buch nicht so schnell weglegen. Übrigens: die Geschichte wurde auch verfilmt. Wer also keine Lust auf viel Lesestoff hat, kann sich auch faul auf die Couch legen und schauen.

Lieblingsroman von Janett Schindler
Die Teilzeitreisende liest den Zeitreisenden. © Janett Schindler

„Sigrid Ødegårds Reise nach Amerika“ von Derek B. Miller

– Vorgestellt von Anja Beckmann @ Travel on Toast

Eines der besten Bücher der letzten Zeit war für mich „Sigrid Ødegårds Reise nach Amerika“, es ist im August 2018 erschienen. Ich mochte die Story sehr: Eine norwegische Polizistin sucht in den USA nach ihrem Bruder, der seine Freundin umgebracht haben soll. Dabei tut sie sich mit Sheriff Irv Wylie zusammen.

Meist lese ich englischsprachige Bücher im Original, das hier habe ich auf Deutsch gelesen. Die Übersetzung von Jan Schönherr (er hat auch Autoren wie Charles Bukowski und Roald Dahl übersetzt) fand ich genial. Der Wortwitz und die schrägen Charaktere kamen richtig schön zur Geltung.

Das Buch ist aber nicht nur unterhaltsam und spannend. Es ist auch bewegend und poetisch. Es zeichnet die Familiengeschichte von Sigrid nach, deren Mutter sich umgebracht hat. Außerdem geht es um die kulturellen Unterschiede zwischen Norwegen und den USA. 

Der Autor Derek B. Miller hat eine spannende Lebensgeschichte: Er wurde in Boston geboren und lebt nach Israel, England, Ungarn und der Schweiz seit längerem in Norwegen. Jetzt lese ich gerade den ersten Band mit Sigrid: „Ein seltsamer Ort zum Sterben“.

Lieblingsroman von Anja Beckmann
Anja genießt Lesestoff bei Sonne und Kaffee. © Anja Beckmann

„Im Nachtzug nach Lissabon“ von Pascal Mercier

– Vorgestellt von Gudrun Krinzinger @ Reisebloggerin

Die Kurzfassung: Ein verstaubter Professor, des Griechischen mächtig, schwänzt die Schule, setzt sich in Bern in den Zug und steigt in Lissabon wieder aus. Was hat ihn bewogen, diese Reise zu unternehmen? Wird er jemals in sein geordnetes Leben zurückkehren?

Dieser Roman hat mich verschlungen und ich ihn. Schon ab der ersten Zeile stellte ich mir diesen älteren Professor vor, in Cordsamthose und Pullunder, streng, aber gerecht. Die Figur im Buch erinnert mich an meinen Physikprofessor, ebenfalls streng, aber gerecht, ein komischer Vogel.

Dieser komische Vogel bricht aus seinem Käfig aus, reist davon, man könnte sogar von Flucht sprechen. Er macht sich auf die Suche und folgt den Spuren eines geheimnisvollen Autors. Noch mehr beschäftigt ihn die große Frage des Lebens:
Lebe ich das Leben, das ich leben will?

Und genau deshalb liebe ich dieses Buch. Weil es eine Auseinandersetzung mit uns selbst nicht scheut, in behutsamen Worten in Wunden sticht und mich mit einer wichtigen Frage konfrontiert, vielleicht der wichtigsten überhaupt: Lebe ICH das Leben, das ich leben will?

Lieblingsbuch von Gudrun Reisebloggerin
Auf dem Weg zu sich © Gudrun Krinzinger

„Das Wetter vor 15 Jahren“ von Wolf Haas

– Vorgestellt von Meike Nordmeyer @ meikemeilen

Ich habe diesen Roman verschlungen, staunend gelesen. Wolf Haas ist bekannt für seine Krimis um Privatdetektiv Brenner. Ich bin gar kein Krimi-Fan, hatte daher auch zuvor nichts von Wolf Haas gelesen. Doch dann stieß ich zufällig auf eine Besprechung von diesem so ganz anderem Buch des Autors, als es gerade erschienen war.

Der Roman besteht aus einem einzigen langen Interview und erzählt damit eine spannende Geschichte, so hieß es da. Für seine außergewöhnliche Erzähltechnik hat das Buch begeisterte Kritiken und mit dem Wilhelm-Raabe-Literaturpreis sogleich eine Auszeichnung erhalten. Da wurde ich neugierig. Ein Roman in Interview-Form – das konnte ich mir nicht so recht vorstellen. Doch es funktioniert – ich war vollkommen gefesselt von der Lektüre.

Da ist also ein langes Gespräch des Schriftstellers Wolf Haas mit einem Kritiker über sein neues Werk, nämlich genau dieses Buch, das man da in den Händen hält. Und in dieser Form erzählt der Autor eine Geschichte um die Hauptfigur Vittorio Kowalski, die in der Sendung „Wetten, dass..?“ damit beeindruckt, dass sie die Wetterdaten eines fernen Alpenortes in den vergangenen 15 Jahren für jeden Tag auswendig kennt.

Wie kommt es zu dieser Obsession des Mannes? Faszinierend ist auch, wie Haas neben dieser Geschichte zugleich ganz beiläufig das Thema behandelt, wie ein Autor einen Roman und seine Figuren entwickelt. Indem er dem Kritiker erklärt, warum er eine Figur nicht so oder so beschrieben hat, charakterisiert er diese sogar noch genauer. Was für ein Kniff. Und Haas zeichnet amüsant, mit feinem Spott ein spezielles Verhältnis von Autor und Kritiker in diesem Gespräch.

Lieblingsroman von Meike Nordmeyer
Ein Roman in Interview-Form © Meike Nordmeyer

„Auf Erden sind wir kurz grandios“ von Ocean Vuong

Am Ende noch kurz ein paar Zeilen über mein eigenes Lieblingsbuch. Dem einen oder anderen habe ich schon davon erzählt und es auch im Blog erwähnt. Denn der erste Roman des vietnamesisch-amerikanischen Dichters Ocean Vuong hat mich umgehauen, in jeder Beziehung. Sprachlich, rhythmisch, inhaltlich.

Im Buch spricht er oft seine Mutter an, die selber nicht lesen kann. Manchmal ist es, als würde er Zwiegespräche mit ihr führen. Vuong schreibt für sie. Doch träfe es nicht zu, von einem Roman in Briefform zu reden. Vuong erzählt über seine Kindheit, über die Vergangenheit seiner Großmutter und Mutter in einem Land, das er kaum kennt, das ihm vor allem durch seine engsten Verwandten präsent ist. Durch die Ängste der beiden Frauen, wenn mal wieder seelische Wunden aufreißen.

Ocean Voung schreibt mit derselben Intensität über seine Jugend, sein Coming Out in einem konservativen Landstrich der USA, über die Tristesse dort, den Drogenkonsum. Den Tod seines ersten Freundes. Als er davon erfährt, bricht er mit der Romanform, zerhackt den Schreibfluss auf schönste poetische Weise. Vuong dichtet weiter, eindrücklich, fast wird sein Schmerz physisch spürbar.

„Auf Erden sind wir kurz grandios“ ist von so radikaler Authentizität und Schönheit, dass man danach kein anderes Buch in die Hand nehmen oder gar selber schreiben möchte.

Aber das Lesen muss weitergehen.

Lieblingsroman
Ocean im Gras

Nun zu euch: Habt ihr einen Lieblingsroman, ein Herzensbuch, einen richtigen Schatz, den ihr empfehlen wollt? Ich freue mich über jeden Tipp!

Und noch einmal tausend Dank für die tollen Tipps meiner lieben Kolleginnen!

5 thoughts on “Die Lieblingsromane der Reisebloggerinnen

  1. Liebe Elke, danke das ich an dieser tollen Aktion teilnehmen durfte. Es sind wirkliche ein paar spannende Romane dabei – einige davon werde ich mir sicherlich auch holen!

  2. Hallo Elke,

    außer den üblichen Verdächtigen wie „Die Säulen der Erde“ – die vermutlich jeder Haushalt irgendwo im Fundus stehen hat…
    …kann ich noch „Achtsam morden“ empfehlen! Anwälte kenne ich selten entspannt UND humorvoll. Nun, Karsten Dusse ist beides und ich möchte nicht wissen, wie oft er schon überlegt hat, einen Klienten „loszuwerden“. Ohne jetzt mit Unterstellungen zu arbeiten: Es ist schon ein wenig gruselig, wie kaltschnäuzig diverse Figuren das zeitliche segnen. Angefangen mit dem Oberboss eines Drogen-Waffen-Prostitutions-Ringes. Der ganze Schlamassel beginnt – daher auch der Titel – mit einem Achtsamkeitskurs, zu dem der Protagonist von seiner Noch-Ehefrau verdonnert worden ist.
    Noch mehr wird aber nicht gespoilert. ^^

    Ansonsten würde die Liste wohl etwas den Rahmen hier sprengen, weil hier kein explizites Lieblingsbuch existiert. Viele Gute mit kleiner, böser Pointierung wie „Fishnapping“ (Tim Binding), Tom Sharpes „Puppenmord“ (habe gegrölt vor Lachen) oder auch „Unter die haut“ von Carl Hiaasen.

    Man merkt auch gar nicht mein Faible für Humor. Und Krimi. Und am besten alles in einem Buch. Räusper.

    Viel Spaß beim eventuell mal reingucken oder auch lesen!

    1. Liebe Franziska,

      danke für die Tipps! Dann soll ich wohl demnächst mal eine neue Runde mit den Lieblingskrimis der Reisebloggerinnen machen?

      Einen schon vorneweg: „Die letzten Meter bis zum Friedhof“ von Antti Tuomainen ist ein cooler finnischer Krimi mit bestem Humor!

      Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag!

      Elke

      1. Liebe Elke,

        da muß ich selbst auch reinschauen, vielversprechend wirken sie alle. (Außerdem braucht es neue Anregungen, da kam Dein Eintrag genau richtig.) Natürlich ist Tuomainen auch direkt auf der Liste gelandet!

        Hab eine sonnige Woche und liebe Grüße!

        Franziska

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