Lübeck, ein Wintertag

Fassaden in Lübeck

Geschafft! Ich sitze im Zug nach Lübeck, das schon lange auf meiner Wunschliste steht. Zwei Mal bin ich der alten Hansestadt verdammt nah gekommen, einmal aus nördlicher Richtung, als ich am Strand von Niendorf Bergsalbei-Tee getrunken habe. Und dann im letzten Herbst, als ich auf der Ratzeburger Dominsel landete und einen Mann in Pumphosen traf.

Auch Lübeck ist eine Insel, zumindest was den historischen Teil der Stadt an der Ostsee angeht. Genauer gesagt, liegt sie unterhalb der Lübecker Bucht zwischen der Trave und ihrem Nebenfluss Wakenitz. Holstentor, Dom, Salzspeicher, Gänge – die Lübecker Altstadt ist Weltkulturerbe. Wie mein idealer Tag im Winter aussieht?

Café Affenbrot, Lübeck
Frühstück im Affenbrot

9 Uhr
Das Sonnenlicht bricht sich an den riesigen Fenstern des Cafés Affenbrot an der Kanalstraße 70 unweit des Elbe-Lübeck-Kanals. Das Publikum ist gemischt, in den 30er bis 50ern, alternativ, grün bis Bohemien. Kein Wunder, habe ich das Café doch unter den vegetarischen Lokalen gefunden. Man kauft nach Möglichkeit regionale Bio-Produkte. Ich bestelle à la carte: Körnerbrötchen, Croissant, Marmelade, Kräuterquark, ein Bio-Ei von glücklichen Hühnern. Bio und fair der Kaffee, die Backwaren noch warm, alles köstlich.

Zugewiesene Gänge
Zugewiesene Gänge

10 Uhr
I’m walking… Am liebsten kreuz und quer und ohne Plan. Auf diese Weise habe ich schon einige der Gänge entdeckt, an anderen bin ich vorbei gelaufen. Denn oft duckt sich ein Gang ins Haus hinein, so niedrig, dass man sich stark beugen muss. Es gibt rund 90 in der Lübecker Altstadt, zählt man die Höfe und Torwege dazu. Als Lübeck im Mittelalter boomte, wurde der Platz auf der Insel knapp. Die Hinterhöfe wurden mit einfachen Buden zugebaut, begehbar durch neue, schmale Gänge. Ein Ort der Handwerker und Tagelöhner. Später wurden Steinhäuser daraus. Jene Puppenhäuser, Gänge und Höfe wirken wie winzige Oasen inmitten der Stadt.

Im Café "Frøken Wildhagen", Lübeck
Smørrebrød, Smørrebrød

12 Uhr
Ich treffe mich in der Beckergrube 90 mit einer Freundin, die seit ein paar Jahren im schönen Lübeck lebt. Beide lieben wir Skandinavien, also ist ein Besuch im „Frøken Wildhagen“ nur konsequent. Die Inhaberin arbeitete als Zahnärztin auf der dänischen Insel Bornholm, bevor sie mit ihrem Mann den Schritt zum eigenen Café wagte. Ich probiere Smørrebrød – sehr lecker. Obwohl eigentlich der Kuchen zu Frau Doktors Kernkompetenz zählt.

St. Petri, hinauf zum Aufzug!
St. Petri, hinauf zum Aufzug!

13 Uhr
Lübeck von oben! Normalerweise muss man in alten Kirchengemäuern ja unzählige Treppenstufen nehmen, um den Aussichtspunkt im Turm zu erreichen. Nicht so in St. Petri. Der Aufzug ist die drei Euro Eintritt allein wert, aber die Sicht auf Holstentor, Salzspeicher und Trave noch mehr. Wenn’s hier oben nur nicht so zugig wäre!

Bummel auf der Hüxstraße
Bummel auf der Hüxstraße

14 Uhr
Wahl-Lübeckerin Julia zeigt mir die beliebte Hüxstraße mit ihren kleinen Boutiquen und Lokalen. Samstags ist hier autofreies Bummeln angesagt. Wir checken die erste Bio-Konditorei der Stadt: das Café Gaumenfreude. Ich probiere veganen Apfelkuchen, die Sahne ist leider aus. Wir plaudern und plaudern und plaudern. Da Lübeck eine sehr hohe Café-Dichte aufweist, passiert das hier öfters.

Das Backsteinwunder
Das Backsteinwunder

16 Uhr
Nur noch eine Stunde habe ich, bevor das neue Europäische Hansemuseum an der Untertrave 1 schließt. Zwar bin ich als Kunsthistorikerin nicht zwangsläufig ein Fan historischer Museen, aber in Lübeck sind die Hanse unumgänglich. Am modernen Bau fasziniert mich schon der Backstein, der auf traditionelle Weise handgepresst und aus der Holzform kommt.
Die Architektur wirkt zunächst schlicht bis verschlossen, auf den Verteidigungscharakter der Stadtmauer anspielend. Und doch wird sie an einigen Stellen aufgerissen, schafft Fluchten, horizontale Öffnungen (schöner Blick aus dem Museumsrestaurant) und sogar eine ornamentale Struktur, die an Gotik erinnert. In das Museum konnten archäologische Funde eingegliedert werden, überhaupt habe ich ob der Dunkelheit in der Ausstellung ständig den Eindruck, unter Tage zu wandern. Für den helleren Teil 2 nehme ich die Treppe hinauf zum Burgkloster. Ich verliebe mich ein bisschen in den Kreuzgang der Dominikaner, bevor es weitergeht – zum Niedergang der Hanse. (Eintritt 12,50 Euro)

Gemüseberg – the art of cooking
Gemüseberg – the art of cooking

18 Uhr
Ich bin der erste Gast im NoKi – Nordic Kitchen in der Doktor-Julius-Leber-Straße 69. Das ist wahrscheinlich auch gut so, denn ich habe nicht reserviert. Das Restaurant interpretiert typische Gerichte aus dem Norden wie Labskaus neu, verwendet dabei am liebsten Bio- und regionale Produkte. Ich entscheide mich für das einzige vegetarische Gericht auf der Karte: Herbstboden „NoKiArt“- ein köstlicher Turm aus Gemüse für schlappe 16,50 Euro. Ein Dessert schaffe ich danach leider nicht mehr. (Leider wurde das NoKi inzwischen geschlossen.)

Lübeck by night
Lübeck by night

20.30 Uhr
Kinozeit! Also laufe ich vom NoKi zum KoKi, dem Kommunalen Kino. Nice! Alternativ, niedlich, das Publikum wie im „Affenbrot“ mit dem einzigen Unterschied, dass der Frauenteil hier leicht erhöht ist. Was am Film liegen mag. Ein Dokumentarfilm über Janis Joplin. Das komplette Gegenteil zu heutigen Popchanteusen, die durchgestylt und -choreografiert auch nicht einen einzigen Schritt auf der Bühne dem Zufall überlassen. Janis trat eher ungeschminkt und mit wilder Mähne auf. Sie gab alles auf der Bühne. Schon mit 27 Jahren starb sie – an Heroin. Zuviel „Live Fast, Love Hard, Die Young“. Ein zu großer Kontrast zwischen großen Emotionen auf der Bühne und der Einsamkeit in Hotelzimmern.

Im Nachtschein der Laternen laufe ich durch Lübecks Gassen zurück in mein Zimmerchen. Voll schöner Eindrücke und Erlebnisse. Danke, Lübeck! Ich komme wieder. Im Sommer, wenn die Gänge und Höfe voller Besucher sind. Zur Beachtime am Fluss. Stand-up-Paddeln auf der Trave…

Text und Fotos: Elke Weiler

Lübeck, du bist so wunderbar...
Lübeck, du bist so wunderbar…
Verschlossene Gänge
Verschlossene Gänge
Gänge mit lustigen Namen
Gänge mit lustigen Namen
Bunte Gänge
Krumme Gänge
Und dann erst die Fassaden...
Und dann erst die Fassaden…
Fassaden, Lübeck

20 thoughts on “Lübeck, ein Wintertag

  1. Wirklich eine schöne Stadt! Als ich letzten Sommer dort war, musste ich unbedingt die Lübecker Marzipan-Torte kosten – so lecker :-)

  2. Hallo Elke!

    Ein sehr schöner Bericht!
    Ich war bestimmt schon 10-mal in Lübeck und mache immer neue Entdeckungen. Letzten Sommer war ich erstmals auf den Theaterschiff. Unbedingt einen Besuch wert!

    LG
    Christine

  3. Was für ein schöner Blogpost! Ich habe mich im letzten Monat sehr in Lübeck verliebt und fest vor, in nächster Zeit noch mal dort hinzufahren. Die Hüxstraße hat mich auch völlig begeistert – es gab sooo viele schöne Läden und einladende Cafés!

    Die Adventszeit in Lübeck kann ich übrigens auch sehr empfehlen, ich fand die Stadt mit den vielen Lichtern und Weihnachtsmärkten wunderschön!
    LG
    Verena

    1. Danke, liebe Verena! Kann ich voll verstehen. Advent steht auch auf meiner Liste, sowie November – wegen des Skandinavischen Filmfestivals! Liebe Grüße von der Nordsee, Elke

  4. Tja, Lübeck, meine Heimatstadt! Seit fast 20 Jahren bin ich nicht mehr dort gewesen. An solchen Berichten wie auch Deinem erkenne ich, dass es höchste Zeit für mich wird, mich in Lübeck mal wieder blicken zu lassen. Es hat sich ja sooo viel verändert!
    Danke für Deinen schönen und erkenntnisreichen Ausflug.

  5. Ein schöner Post. Und ein schöner Tag. Da sieht man, dass ein Tag zu kurz ist. Wäre mehr Zeit gewesen, hätte vielleicht eine Thailändische Fussmassage in einem der schönsten Thai Day Spas Deutschlands, das international bereits vielfach ausgezeichnet wurde, reingepasst. Befindet sich in einem Rennaissance-Giebelhaus aus dem 16. Jahrhundert an der Obertrave gegenüber den historischen Salzspeichern. Aber man muss ja auch noch Ideen für den nächsten Besuch in Reserve haben ….

  6. Liebe Elke,
    wirklich einladend geschrieben. Dazu viele schöne Bilder :) Erinnert mich an meine Spaziergänge durch Lübeck. Aber nicht annähernd so schön dokumentiert und beschrieben, wie Du es in diesem Artikel tust. Ich freue mich selbst wieder über die wärmeren Tage, die blühenden Gärten und einladenden Hinterhöfe. Egal, wie oft ich bereits denselben Weg gegangen bin oder wie oft ich an Gebäuden vorbei gelaufen bin, es gibt immer wieder was Neues zu entdecken. Ich bin selbst zugereister (gebürtiger Kieler). Fühle mich aber sehr wohl in Lübeck. Liebe Grüße André

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