Gab es Reggae auf Sylt? Ich hatte keine Zeit, mich groß ins Thema einzuarbeiten. Denn kurz nach meiner Amrum-Geschichte musste ich wieder los. Auf Insel No. 3!
Doch dieses Mal wunderte ich mich: Es gab Landflecken, die waren von Wasser umgeben, und trotzdem konnte man mit dem Zug anreisen. So praktisch war Sylt: Es hatte einen Bahndamm. Viele ließen sogar ihren Schlitten hinüberbringen.
Wir sprangen in Keitum ab – im Osten der Insel, an der Wattseite. Doch kaum war ich fünf Minuten dort, beschlich mich so ein ganz bestimmtes Gefühl: Die Menschen, die Häuser – alles tiptop gestylt. Der Jan Delay unter den Inseln?
Jedenfalls klopfte ich mir die letzten Körner des Amrumer Kniepsands aus dem Pelz, rückte mein Rainbow-Beanie zurecht und legte mein smartestes Lächeln auf.
Das schnieke Dorf war voller Leben, teure Autos sausten durch die schmalen Straßen, stylishe Babes stürmten die Geschäfte. Shopping ist nicht so mein Ding, obwohl Ladendichte und Angebot auf Sylt mit einem internationalen Airport vergleichbar waren.
Grundnahrungsmittel wie Gummibärchen entdeckte ich in Keitum allerdings nicht. Sowieso lebte ich von Luft, Liebe und Sonne. Und davon hatten wir auf Sylt reichlich!
Also schwangen wir uns erneut aufs Rad und zogen los. Null Wind! Alles easy, man. Endlich trafen wir auf Schafe. Freiwillig versuchte ich, ein Gruppenfoto zu organisieren, doch die Kollegen machten mir einen recht hungrigen Eindruck.
Es kam so krass, dass mir eines dieser niedlichen Skudden immer näher auf den Pelz rückte. Ich hielt den Atem an, während es seine schmale Schnute durch den Zaun steckte. Schafskannibalismus? Zum Glück kriegte das Tier sein Maul im Maschendraht nicht so weit auseinander. So blieb ich – trotz höchster Gefahr für Leib und Leben – mal wieder verschont.
So etwas baute auf. Ich fühlte jung und stark. Let‘s get together, sagte ich zu den Galloways auf den angrenzenden Salzwiesen. And feel allright!
Diese Kühe waren verdammt locker und gut drauf. Nichts konnte die schweren Kumpels so leicht erschüttern. Vermutlich noch nicht mal ein Erdbeben oder ein Motorrad.
Ich hätte mich dort noch eine ganze Weile aufhalten können. Vielleicht konnten meine neuen Freunde Söl‘ring – das Sylter Friesisch? Zum Beispiel war mir aufgefallen, dass auf der Insel die Wege meist Wai hießen. Und Keitum war Kairem, was nach Kairo klang und mich leicht irritierte.
Zwar fand ich keine Pyramiden, doch immerhin ein Hünengrab in Wenningstedt: Denghoog. Mit enormen Steinen, die dort schon seit der Steinzeit herumlungerten. Niemand hatte sie weggeräumt, coole Sache.
Komische Vögel gab es auch auf Sylt. Auf dem Weg zwischen Kairem und Kaamp (Kampen) trafen wir auf einen. Crazy und kunterbunt! Zwei Schäfer trieben in der Nähe ihre Schafsherde zusammen und wieder mal vermisste ich meine zahlreichen Brüder und Schwestern aus dem Teeladen.
Vor dieser ländlichen Idylle prangte der Paradiesvogel. Vermutlich die schickeste Vogelscheuche, der ich jemals begegnet war. Überhaupt schien mir Kunst ein Riesenthema auf der Luxusinsel zu sein.
Schon ich Keitum durfte ich auf einer exponierten Holzfigur herumklettern und mich ein bisschen sonnen. Mit Wattenmeerblick. Alles nördlich vom Hindenburgdamm ist Schutzzone eins, da fühlen sich die Wattwürmer wohl. Blicken ließ sich aber keiner.
Nur die Seevögel taten sich als fetzige Backgroundsänger hervor, deren Sound ich genoss, während mein Pelz in der Herbstsonne anglühte. Ich musste wieder runter von der Kunst.
Kaamp, so war mir zu Ohren gekommen, sollte der luxuriöseste Ort weit und breit sein. Ich bemerkte keinerlei Auffälligkeiten, doch wie auch! Wir richteten unser Augenmerk ganz auf die Natur. Als wir die weltberühmte Uwe-Düne erklommen, fragte ich mich, ob wohl auch eine Luis-Düne existierte. Irgendwo auf der Welt.
Aber der blanke Wahnsinn war das Rote Kliff: eine Landschaft fast wie der Oak Creek Canyon von Arizona! Okay, nicht in den Ausmaßen. Aber dafür brandete hier das Meer gleich unterhalb vom Kliff.
Bei Wenningstedt kletterten wir einen Dünenwai hinab. Ein Oldie but Goldie, der ebenfalls fotografierte, erklärte uns kurzerhand zu Künstlern. So ein Strand-Shooting erregte sogar auf Sylt noch Aufmerksamkeit.
Denn auch eine Joggerin stoppte für uns ab und applaudierte. Und die Belohnung nach der ganzen Schufterei: Jammin‘! Mit der Meeresbrandung. I hope this jam is gonna last!
But my friends, die Insel-Triologie scheint hier zu enden. Natürlich gibt noch wahnsinnig viele andere Themen – lasst euch überraschen!
Hasta la próxima, bis bald!
Euer Luis Maria Fernando da Silva Santos
Fotos: Elke Weiler