Eigentlich war ich ein netter Hund. Dass Madame et Monsieur mich hin und wieder „Fukushima“ nannten, wollte ich gar nicht an die große Glocke hängen. Wozu auch?
Entscheidend erschien mir, was das Gros der Lutscher sagte, beziehungsweise schrie. „Oh, wie süß!“, tönte es unisono von allen Seiten. Manchmal war eine regelrechte Kettenreaktion möglich. Es bildeten sich Lutscheraufläufe. Meine Mission musste fortan sein: Lutscher zum Strahlen bringen. Ihr Herz erwärmen. Abschlecken.
Deswegen zog es mich ständig nach Husum, wo es doch einige von dieser enthusiastischen Spezies gab. Ich nahm ein Bad in der Menge und dann diese modesten Komplimente einfach so mit, ohne mich daran zu berauschen. Als bodenständige Nordfriesin.
Auch sonst liebte ich die Stadt. Natürlich ging nichts über pfotenfesten Schlick. Draußen, wo die Nordsee sein könnte, und meist Watt war. Schlick, diese herrliche Andeutung von Meer.
Aber in der Stadt … da gab es zum Beispiel Mayonnaise-Flecken auf dem Lutschersteig. Eine Herrlichkeit, die mehr versprach. Vielleicht ein Pommes? Leider rief Monsieur mich im entscheidenden Augenblick zurück. Das entsprechende Codewort lautet „Hej“. Alter Schwede! Doch ich ignorierte seinen rüden Ton und blieb dran. Wir Norddeutschen galten ja als stur. Wozu das jetzt noch ändern?
Ganz unter uns: Würde Monsieur sich etwa einer guten Mayonnaise verweigern, wenn sie ihm so liebreizend serviert wurde? Niemals. So artig und brav, gutwillig und gehorsam ich also normalerweise war – von wegen Fukushima! – , in diesen Momenten gab es nur noch die Mayonnaise und mich.
Überhaupt war die Stadt voller Verführungen. Vor allem beim ersten Husumer Fischmarkt des Jahres. Mir wurde fast schwindelig: Lutschermassen schoben sich durch den Hafen, immer mehr und mehr. Wen sollte ich zuerst anspringen? Warum gab Monsieur mir nicht mehr Freiraum dafür? Die Leute wollten das doch. Und ich sah, wie ihre Augen glänzten.
Auch Hunde waren zugegen, doch diese teilten keineswegs die Begeisterung der Lutscher. Ja, manche vermittelten mir sogar in leicht blasiertem Ton, dass ich aufdringlich wirkte. Ich! Der süßeste Hund weit und breit.
Da passierte es. Ich war umzingelt von den Massen und suchte nach einen Ausweg. Sollte ich in das wunderbare Wasser des Binnenhafens springen? Ich stand kurz bevor. Nur ein quasi gezischtes „Hej!“ stoppte mich in letzter Sekunde. Madame et Monsieur hatten eben andere Pläne, als im Wonnemonat März baden zu gehen.
Also Nase hoch! Überall waberten wilde Gerüche von Fischbrötchen, Kibbeling und Krabben durch den Äther. Ein Fest für die Sinne. Wenn auch leider nur für die Geruchsnerven. Denn nicht ein Krümelchen Fischfriko fiel für mich ab. Nicht mal zufällig!
Anderntags liefen wir durch den Park – wegen der Krokusse. Und Madame fotografierte sich halb tot. Wegen so einem bisschen Lila auf dem Boden! Rund um das Schloss blühten Blumen in der Farbe meines Halsbandes.
Das entging einigen achtsamen Lutschern nicht, und sie wollten wissen, ob ich ein „Krokusblüten“-Band trug. Passend zum Fest am kommenden Wochenende. Also machte ich auf hippe Welpine.
Da! Ein akustischer Anschlag, es dröhnte nur so in den Plüschohren. Direkt vor meinen Pfoten stand das Grauen. In Kastenform. Grell, donnernd, unerbittlich. Durch meine Gehörgänge drang der qualvolle Lärm in mein Gehirn und vernebelte es. Mein Körper geriet außer Kontrolle, ein unangekündigter Streik war nicht abzuwenden.
Hölle, Hölle, Hölle!
Was war das??? Ein ungehöriges Ding, das sie Drehorgel nannten. Plötzlich verstummte das quadratische Monstrum, dafür schaltete der Betreiber einen tanzenden Affen an. Ja, wo waren wir denn? Im Zoo? Im Zirkus? Ich tat dem Affen meine Meinung kund, kann sein, dass ich etwas unhöflich rüberkam. Aber ich musste mich auf die essentiellen Dingen konzentrieren.
Die Dinge am Boden. Vorgekostete Kaugummis und andere Köstlichkeiten. Kulinarische Oberliga. Trotzdem sagte ich zwischendurch Mara, einer 12 Jahre alten Hündin „Hallo“. Ein bisschen Respekt vor dem Alter schadete nicht, und sie war erstaunlich gut beisammen.
Bestimmt sah man sich mal wieder in diesem lustigen lila Krokusschlossgarten. Oder lieber am Deich? Ich musste gestehen: Nachts träumte ich eher von Schlick als von Mayonnaise. War ich also doch kein Stadthund? Oder nur manchmal, wenn ich mal wieder Lust auf Krabben, Kaugummi und Lutscher hatte.
Text: Julchen (nach Diktat von einem Affen geträumt, der ihr ein Fischbrötchen wegschnappte.)
Fotos: Elke Weiler
Oh Julchen,
das ist ja so toll zu lesen!!! Und obwohl du so klein warst, ist doch eine richtige Beardieline aus dir geworden. Ich habe also noch Hoffnung!!! Und diese „Mayonnaise“ muss ich auch unbedingt mal probieren – aber ich denke, dass ich die selben Probleme mit meinem Frauchen haben werde!! *tststs* Diese 2Beiner wissen, wie sie einem den Spaß verderben!!
Kussi Cousinchen
Candy xxx
Ja, Candygirl,
aber die Welpenzeit war schon famos! Genieße es in vollen Zügen, überall gibt es was zu entdecken. Man rennt ja quasi nur mit der Nase über den Boden ;-)
Du machst das alles schon richtig! Und dann auch noch Schnee!
Knutschis, bis bald mal wieder!
Dein Julchen