Da kocht der Norden

Bremen

Geht Rhythmus von oben nach unten oder umgekehrt?

Es ist Freitagabend in Bremen – mitten im Viertel. Das Lagerhaus quillt über vor Menschen verschiedenen Alters, die nur eines im Sinn haben: Warmwerden. Einheizen.

Über den Bühnen des Kulturzentrums weht ein brasilianisches Lüftchen, und das ist heiß. Samba, Batucada, Samba-Reggae, Maracatu. Wuchtige Trommeln mit vollem Klang, es sind die Surdos. Tiefsatt ihr Bass, der als Herzschlag des Spiels gilt.

Der Sound schwillt an

Die Apito schrillt durch den Raum, als Dirigentenpfeife kündigt sie einen Break an. Das Spiel der Tamborime, Timbas, Caixas und Agogos greift kunstvoll ineinander, der Sound schwillt an zu einem alles mitreißenden Orkan.

Sambakarneval in Bremen

Ganz langsam fängt es an. Mit einem Zucken in den Füßen. Ein erster Schritt nach rechts, dann links. So wie die Sambistas vorne auf der Bühne. Hin und her, rechts, links. rechts, links. Und einmal infiziert, breitet sich das Sambavirus unaufhaltsam im Körper aus.

Die dumpfen Beats sind physisch zu spüren, pochen im Körper, lockern die Schenkel, bringen die Hüften zum Vibrieren, die sich verselbständigen. Zuckend, bauchgesteuert.

Bewegung kommt in die Schultern, die Arme schwingen. Der Rhythmus hat dich. Es ist Samba.

Schon die Kleinsten steppen mit

Gibt es etwas, das besser zum Karneval passt? Beim großen Umzug am Samstag sind die Zuschauer ganz nah dran. Keine Barrieren zwischen Tanzenden, Kostümierten, Trommelnden, Darstellern, Musizierenden.

Schon die Kleinsten steppen am Straßenrand mit. Die Stimmung ist gelöst, man lacht, tanzt, klatscht. Wenn man nicht gerade fotografiert. Denn noch vor dem musikalischen scheint der optische Reiz zu wirken.

Überall regieren die Trommeln.

Der Bremer Sambakarneval, der eine Woche vor dem rheinländischen gefeiert wird, hat vielleicht eine nicht ganz so lange Tradition. Immerhin wurde er vor 27 Jahren von einer gebürtigen Schweizerin ins Leben gerufen. Janine Jaeggi hat auch heute noch die künstlerische Leitung inne.

Samba in der alten Hansestadt, das ist eine satte Mischung aus Rio, Rheinland und Venedig. Ebenso bodenständig wie abgefahren. Genauso fantasievoll wie mitreißend.

Rio? I wo!

In diesem Jahr heizen rund 1.400 Sambistas in Bremen ein. Mehr als 100 Gruppen aus ganz Deutschland, Dänemark und der Schweiz schwingen die Trommelstöcke, wirbeln mit fantasievollen Kostümen vom Rathaus durchs Viertel und bis zum Schlachthof, wo ab 20 Uhr der Maskenball steigt.

Metamorphose heißt das Motto in diesem Jahr. Und weil die Kostüme so umwerfend sind, surren die Kameras, wird am Straßenrand geknipst und gefilmt, was das Zeug hält.

Meine eigene Verwandlung wird nicht in einem schrill bunten Kostüm sichtbar. Doch ich spüre sie am ganzen Körper. Pures Endorphin. Hohe Dosis.

Nächstes Jahr muss ich wieder hin. Rio? I wo. Bremen. Samba. Karneval.

Text und Fotos: Elke Weiler

3 thoughts on “Da kocht der Norden

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert