Morgens sind wir in der glühenden Hitze zerflossen, doch am Nachmittag kommt Wind auf, und der Himmel zieht sich zu. Von Süden nähern sich schwarze Wolken, hängen drohend über dem Meer. Der Wind peitscht die Wellen hoch, und ich weiß: jetzt oder nie. Behutsam schreite ich die Treppe hinab, das Wasser klatscht gegen die Beine.
Von schräg rechts rollen die Wellen an, türmen sich auf, ohne zu schäumen, und klatschen gegen die Steinböschung des Büsumer Strands. Entschlossen werfe ich mich ihnen entgegen. Ich schwimme. Ringsherum das aufgewühlte Meer – was für ein Kontrast zum chilligen Sonnenuntergang gestern! Als wir bei mediterranen Temperaturen barfuß über den Meeresboden liefen.
Graues Watt, das heute von Wasser bedeckt ist. Und wie dieser lebhafte Boden quatschte, rauschte und blubberte. Emsig mit uns sprach. Wäre doch nur die laute Musik der Hafenkirmes nicht zu uns herüber geschwappt. Nun die Kraft des Meeres zu spüren in dieser gänzlich veränderten Szenerie. Wie viele Gesichter das Watt doch hat.
Ich lege mich an die Wasseroberfläche wie auf ein schaukelndes Sofa. Immer wieder treibe ich ab, um dann energisch zurückzukraulen. Bis ich müde werde von diesem ewigen Kräftemessen, von den Wellen im Spiel mit dem Wind, von diesen sichtbaren und unsichtbaren Kräften, die um mich herum walten.
So ist es immer mit dem Meer und mir.
Irgendwann muss ich mich lösen und zurückgehen in meine Welt. Zurück aus der scheinbaren Schwerelosigkeit, mich trennen von der vielleicht zu sehr gewollten Symbiose, bevor mir doch noch Schwimmhäute und Kiemen wachsen in diesem Badesommer, der nie endet.
Die Treppe hochsteigen, noch halb im Wasser die Wellen abklatschen, mich für diesen Tanz bedanken. Abtrocknen ist sinnlos, der schwarze Himmel steht fast über Büsum, bald wird es krachen, der Himmel die Schleusen öffnen. Ich sehe noch einen Kutter am Horizont, der den Hebel auf den Tisch gelegt hat, um rasch den Heimathafen zu erreichen.
Zwei junge Leute vom DLRG holen die letzten Badegäste von der Wasserkante, denn das dumpfe Grollen aus der Ferne wird lauter, die Abstände kleiner. Und dann fallen die ersten dicken Tropfen. Im Hafen tuten die Schiffe, als würden sie den Regen begrüßen. Ich laufe im Badedress durch die leergefegte Fußgängerzone, das Handtuch als Poncho um die Schultern geworfen, und strahle in den Regenhimmel.
Die Menschen in den Lokalen und Geschäften rings um die Fußgängerzone müssen mich für eine Verrückte oder Verliebte halten. Fast schon höre ich mich laut rufen: Regen! Regen! Regen! Doch es ist nur die innere Stimme. Ich laufe, tanze, lache. Nie im Leben habe ich eine monatelange Trockenheit wie in diesem Sommer erlebt, nie im Leben habe ich mich dermaßen über Regen gefreut. Der mir nun das Salz des Meeres aus dem Gesicht wäscht. Der die ringsherum ausgedorrten Landschaften wiederbelebt.
Zurück im Hotel sehe ich zum offenen Fenster hinaus und höre dem Regen zu, dem Rauschen, Gießen, Tröpfeln. Höre „La mer“ von Charles Trenet. „La mer, des reflets changeants sous la pluie.“ Unter dem Regen ändern sich die Reflexe. Alles ändert sich.
Text und Fotos: Elke Weiler
Ich habe Büsum im Rahmen einer Pressereise auf Einladung des Hotels „Zur Alten Post“ erlebt – danke dafür! Bald folgen weitere Geschichten über Krabben, Kutter, Eiergrog und ein Rennen auf dem Wasser.
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Bonsoir und meinen aufrichtigen Neid zum Regen! Wir trocknen hier in Bonn völlig aus und der Wetterdienst sagt für hier noch die kommenden Tage 0% Regenwahrscheinlichkeit an. Aber wir haben Sommer! Wenn es wieder ein kühl-nasser wäre, wäre es auch nicht in Ordnung.
Schöne Grüße vom Rhein!
Franziska
Moin! Bei uns geht es leider auch trocken weiter. Für die Kühe, Schafe und die Ernte ein riesiges Problem. Doch während einige Bäume verdorren, sind bei anderen die Früchte sehr früh reif. Und unseren Quitten scheint die mangelnde Feuchtigkeit gut zu bekommen. Liebe Grüße von der Küste! Elke
Ach, Elke, das muss herrlich gewesen sein! Bin gespannt auf weitere Büsum-Berichte (es ist einer der ganz wenigen Orte, mit denen ich in Dithmarschen nicht recht warm werde. Darum freue ich mich umso mehr drauf, es aus Deiner Perspektive zu sehen). Liebe Grüße + hoffentlich bald wieder ein paar Tropfen für Euch, Stefanie
Danke dir, liebe Stefanie! Ich habe Büsum am Wochenende ganz neu erlebt, mir ging es nämlich genauso wie dir. Bis bald und liebe Grüße! Elke
Wie schön diese Abkühlung im Meer bei diesen heissen Temperaturen
Liebe Elke,
Vielen Dank für diesen wundervoll geschriebenen Text. Richtig poetisch hast du uns mit ins Meer genommenen und den Regen spüren lassen. Eine Wohltat.
Liebe Grüße
Moni
Liebe Monika, ich freue mich sehr, ganz lieben Dank! Leider war das nur ein Tag, wir brauchen dringend noch mehr… Aber das ist vermutlich bei euch genauso? Liebe Grüße, Elke