Strandsymmetrie

Als Kind bin ich nie an der Adria gewesen. Unsere Familientrips gingen nach Spanien oder Portugal, erst mit 16 Jahren landete ich zum ersten Mal in Italien, auf Ischia. Und doch habe ich diese Bilder im Kopf: Familien in vollgepackten Vintagecars bei der Überquerung der Alpen. Das Ziel: der Adriastrand mit seinem Meer von Schirmen.

Später wich das Sardinenbüchsen-Feeling individuelleren Gelüsten. Noch später kam ich nach Milano Marittima und Rimini und dachte an Fellini im Grand Hotel. Es muss dieser spezielle Kosmos des Adriastrandes sein, der mich in die Rolling Fifties und Swinging Sixties beamt.

Da stehe ich nun in Lignano zwischen Triest und Venedig auf einer Halbinsel mit dem euphemistischen Beinamen Goldsand „Sabbiadoro“. Es ist Mai, da gehen Friulaner ungern baden, zumal das Wetter laut einstimmiger Aussagen gerade erst schön geworden sei. Da muss das Wasser ja noch frisch sein!

Aber die Lust auf Strand steigt enorm bei 26 Grad Außentemperatur. Leider fehlt mir ein nicht unwesentliches Detail für dieses Vorhaben: „il costume da bagno“. In der irrigen Annahme, in einem italienischen Badeort mit umwerfender Bademode geradezu überhäuft zu werden, erkunde ich mein Viertel Pineta.

Städtebau in Spiralform

Das kapriziöse Straßensystem von Marcello d’Olivo in Form einer Schnecke sollte aus dem Strandbad des frühen 20. Jahrhunderts eine moderne Gartenstadt der 50er Jahre werden lassen. Villen inmitten des Pinienwalds. Heute finde ich im Zentrum der Spirale Cafés, Buchhandlungen und mehr Billigläden als italienische Couture.

Aber da! Ein kleiner Laden mit einer Verkäuferin, die einen Vollprofi mit der perfekten Mischung aus Einfühlungsvermögen und Geschäftssinn darstellt. Ich probiere fast sämtliche Modelle durch, bis sie mir einen korallenroten Badeanzug vor die Nase hält – wow! Ich fühle mich wie eine Diva der „anni sessanta“.

Voller Einsatz
Voller Einsatz

„Darf ich Ihnen noch ein paar passende Strandkleider zeigen?“ Sie lächelt gewieft. Aber der Diva-Anzug hat schon ein Vermögen gekostet, und so verlasse ich fluchtartig den Laden. „Bis demnächst!“ Der Strand ruft.

Auf der Landzunge von Lignano Sabbiadoro ist der Strand nirgends weit entfernt. Und so laufe ich von meinem Hotel zwischen duftenden Pinien nur ein paar Minuten zum Strandbad 1. Ich lege den Voucher am sogenannten Strandbüro vor, und die freundliche Signora ruft nach Matteo. Der zuständige Bagnino trägt mit einer Lässigkeit zwei Liegen zum Schirm, die italienischen Bademeistern in der DNA liegen muss.

Ich gebe zu bedenken, dass ich nur auf einer Liege liegen kann, doch Matteo winkt ab. Bloß nicht die Symmetrie zerstören! Ordnung ist der halbe Strand. Ich richte mich häuslich ein, indem ich die Symmetrie erstmal auflöse und meine Liege in den schrägen Schatten der Nachmittagssonne ziehe.

Mikrokosmos Adriastrand

Ein kurzer Blick in die Runde sagt mir: Hier ergeben sich problemlos Freundschaften fürs Leben, der Nähe sei dank. Aber ich habe zu tun. Anbaden bei 20 Grad Wassertemperatur – absoluter Luxus! Dann der Schnorcheltest mit der neuen Maske.

Das Teil erinnert entfernt an Science-Fiction-Fantasien in Blau, Darth Vader mit Plastikdutt auf dem Kopf, denn der Schnorchel ist oben aufgesteckt. Was mich zunächst begeistert, muss ich doch kein fieses Gummistück zum Atmen in den Mund nehmen. Außerdem ziehen die Kopfbänder nicht wie bei anderen Schnorchelbrillen an den Haaren.

Umzingelt von Türkis
Umzingelt

Die Silikonabdichtung sollte sich lückenlos rund ums Gesicht legen, doch das tut sie bei mir leider nicht. Zwei Möglichkeiten: Mein Gesicht ist zu individuell, oder ich habe einfach die falsche Größe erwischt. An der Wasseroberfläche treibend könnte alles so schön sein: unter mir der Sand, ein paar Muscheln, eine Alge.

Leider läuft aber das Wasser oben und unten in die Maske. Abbruch also. Nächste Herausforderung: meine zwei Liegen wiederzufinden! Ich irre verzweifelt durch die Reihen, alles scheint ähnlich, nichts vertraut. Endlich, meine Tasche! Das Kind von nebenan sieht meinen Schnorchel und will sofort seinen haben. Doch der Herr Papa meint nur, der Schnorchel sei bereits verstaut.

Free WiFi gibt’s am ganzen Strand, was will der moderne Handymensch mehr? Ein kleiner Snap, noch ein bisschen chillen, ich komme langsam auf den Geschmack. Österreicher parlieren um mich herum und sorgen so für die Musik im Hintergrund. Ich habe nur Augen für den Himmel aus leise im Wind flatternden Schirmen. Türkis. Genau meine Farbe.

Text und Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an Lignano Sabbiadoro Marketing, die meine Reise ermöglicht haben und mir die schönsten Seiten der Gegend gezeigt haben. Bald mehr im Blog!

6 thoughts on “Strandsymmetrie

  1. Einfach genial geschrieben ich selber fahre seit nun schon 10jahre nach lignano, mit kinder, Koffer vollgepackt über die Alpen und wenn ich zuhause in Österreich diesen beitrag lese zieht es mich doch gleich ans Meer gedanklich denn auch mir erging es so beim 1.mal dort…
    Ich liebe wie sie schreiben, einfach toll, lustig, ehrlich und total zum wiederfinden
    Bitte noch ganz viel davon….

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