Im Schatten des Cafés machte ich Gebrauch von meinem Bewegungsverweigerungsrecht. Lediglich auf Leckerli reagierte ich sparsam. Es war brütend heiß wie im Sommer, und die Lutscher faselten etwas von 24 Grad Celsius. Scheinbar mochten sie das.
Ich also immobil. Fragte doch tatsächlich so ein neunmalkluges Mädchen: „Läuft der nur mit Bestechung?“ Lassen wir die unkorrekte Geschlechtsbezeichnung mal beiseite. Geht es bei diesen netten Häppchen zwischendurch nicht vielmehr um Motivation? Anreiz? Positive Verstärkung? Schließlich bin ich noch in der Ausbildung.
Aber es half alles nichts. Madame et Monsieur waren tendenziell blamiert, und ich hatte mal wieder für Erheiterung gesorgt. Monsieur trug mich nämlich zurück in die Blechhöhle, gemütlich schaukelte ich in seinen Armen.
Wozu hatte ich ihn denn, meine süße Rikscha? Hätten mir die beiden Hübschen allerdings direkt vertickert, dass wir mein heißgeliebtes Sankt Buddel anpeilten, liebe Leute – meine vier Pfoten hätten sich augenblicklich in Flügelchen verwandelt!
Doch dann… Der Japaner geriet ins Stocken, plötzlich saßen wir fest. Vermutlich ein Sahara-Sandsturm! Nicht gerade begeistert stieg Monsieur aus und drückte gegen Yoshitoshis Hintern, während Madame versuchte, das Blech wieder in sichere Gewässer zu steuern.
Halleluja! Endlich gruben sich meine Pfoten in diesen feinen, weißen Sand. Doch wir waren nicht allein. Seltsame Tiere flattern über uns und krabbelten am Boden.
Durften die das? Ich lief Amok! Bellte gleichzeitig in alle Himmelsrichtungen, gegen die dicken roten Käfer am Boden und die Drachen hoch über uns. Verzweifelt versuchte ich, dieses unheimliche Höhenrauschen zu übertönen.
Ording oder: die Wüste
Ich musste diese Sache hier erledigen, bevor ich mich dem nördlichen Viertel von Sankt Buddel widmen konnte – Ording. Oder sagen wir besser: die Wüste.
Wie ihr inzwischen vielleicht schon mitbekommen habt, bin ich ein feinfühliger Typ. Also blieb mir auf Dauer nicht verborgen, dass meine Aktion gegen das nicht genehmigte Verhalten der Lufttiere keine Zustimmung unter den mir sonst so ergebenen Lutschern hervorrief – noch nicht mal ein winziges bisschen Applaus!
Letztendlich brachte mich das von der Fährte ab. Wir nahmen Kurs auf das Meer, durchquerten das Buddelparadies mit seinen unermesslichen Schätzen. Seltsame Zweige, Muscheln, Müll.
Zu unserer Rechten hatten die Lutscher ihre bunten Lappen abgelegt. So komplett felllos wirkten sie wie ungeborene Welpen, ihre Leiber schimmerten hell und ungeschützt in der Sonne. Dieses nackige Rumlaufen nannten sie FKK.
Madame et Monsieur schienen keinerlei Ambitionen in dieser Richtung haben. Und Schwimmen wollten sie zum Glück auch nicht. Dass einige der von mir geliebten Titis aber ins Wasser sprangen, konnte sich mir nicht so recht erschließen.
Auch wenn das verrückte Meer heute genau die richtige Temperatur hatte – wir konnten unseren kleinen Disput einfach nicht begraben! Die Salzbrühe kam und ging, klatschte mir vors Maul und gegen meinen gepflegten Körper.
So ging das nicht! Mir blieb nichts anderes übrig, als das Meer scharf zurechtzuweisen. Zwar hüpfte und sprang ich hinein, ja, ich hatte auch ein bisschen Spaß, aber was für eine Aufregung!
Ich bellte mir von der Seele, was sich die ganze Zeit aufgestaut hatte. Tage der Entbehrung, Sehnsucht… Erschöpft ließ ich mich nieder, doch … so ein Mist! Meine Unterseite war klatschnass! In dieser Situation musste ich mich erst zurechtfinden.
Als wir eine Weile die Wüste entlang schlenderten, konnte ich wieder einen klaren Kopf fassen. Das Meer hatte mich wie üblich zur Weißglut gebracht. Und doch mochte ich es.
Ich traf auf Lupo, der mit seinem österreichischen Bergrudel die Wüste bewunderte und einen prima Spielkameraden abgab. Das Leben war schön. Und die Wüste voller Leben.
Am Ende schlummerte ich sanft schaukelnd in der Blechhöhle. Verwüstet, versandet, versalzen. Aber hochzufrieden.
Text: Julchen (nach Diktat eine SMS abgeschickt: Huhu, Meer! Kannst du morgen auch?)
Fotos: Elke Weiler