Wikinger und Walgesänge

Vermutlich ist es unmöglich, nach Island zu fahren und nie über die Sagas zu reden. Altnordische Literatur, die einst aus mündlichen Überlieferungen von Götter- und Heldengeschichten herrührte. Einer von ihnen hieß Leifur, und zur Sicherheit ließ ich mich mit ihm fotografieren. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich ihm später noch mal begegnen würde.

Leifur Eiríksson war es, um genau zu sein. Geboren 974 im Westen Islands. Es war seine Zeit, ging er doch als Entdecker Neufundlands in die Geschichtsbücher ein. Leifur, der Glückliche. Unvermeidlich, ihn zu treffen.

Morgens fuhren wir schweren Herzens aus Hraunsnef fort, wo ich mich zwischen Hunden, Hühnern, Kühen, Schafen und Schweinen sauwohl gefühlt hatte. Island hatte bereits das volle Wetterprogramm für uns abgespult: Regen, Sonne, Wolken, Wind, Schnee.

Wikinger
En garde, oder wie sagten die Wikinger?

Bei strahlender Sonne fanden wir uns in Eiríkssta∂ir ein, am Hofe Eriks des Roten, Papa von Leifur, allerdings nicht ganz so gut angesehen, auch wenn er Grönland besiedelte. Ich schmiss mich zwecks Selfie an den Sohnemann heran, der in Entdeckergeste posierte und für das Wetter relativ spärlich bekleidet war.

Aber da war noch jemand, Sigur∂ur, immer einen Scherz auf den Lippen, der geborene Geschichtenerzähler. Wenn er in Eiríkssta∂ir von den Wikingern erzählt, wirft er sich die passenden Klamotten über und führt die Interessenten in ein Langhaus, das mit der Landschaft verschmilzt.

Leifur und ich
Leifur und ich

Ökologisch gebaut, Gras auf dem Dach, heute weiß man ja wieder, welche Vorteile das für die Isolation hat. In der Mitte eine Feuerstelle, sonst ist es recht dunkel und auch ein bisschen eng im Wikingerhäusle, das originalgetreu in der Nähe der Ruinen aus dem 10. Jahrhundert aufgebaut wurde.

Wir sitzen in den viel zu kurzen und kleinen Betten, wo einst die Großfamilie nächtigte, und lauschen Sigur∂ur. Plötzlich horche ich auf, denn die Rede ist vom Lopapeysa, dem traditionellen Islandpulli. Von so etwas träume ich schon lange.

Öko-Haus Viking Style
Öko-Haus „Viking Style“

Sigur∂ur weist uns darauf hin, dass seine alte, blinde Schwiegermutter den ganzen Winter hindurch gestrickt hat, und die Ergebnisse nun im Shop von Eiríkssta∂ir zu erwerben sind. Wir lachen, denn die Gute ist vermutlich quietschfidel und sieht noch sehr gut.

Kristín K. hat den Pulli gestrickt, den ich mir aussuche. Direkt zwei Stück muss ich erwerben, auch ein größeres Exemplar für die bessere Hälfte. Der zweite Lopapeysa ist komplett in den typischen Naturtönen gehalten, während meiner auch Türkis enthält und daher vom herkömmliches Muster abweicht. Ich liebe dieses Türkis, ein Hauch von Meer.

Wikingerbett
So schliefen die Wikinger.

Leider funktioniert das Kartenlesegrät im Museumsshop gerade nicht, und ich habe nicht genug Bargeld dabei. Kein Problem, meinen Sigur∂ur und seine Frau. Ich ziehe das Geld später am Automaten in Reykjavík, gebe es der dort lebenden Marie, die es wiederum auf das Konto der beiden überweist.

Auf Island kennt quasi jeder jeden, und Vertrauen ist die Basis jeglichen Handelns. Das gefällt mir. Auch das Duzen ist völlig natürlich und wirkt völkerverbindend, demokratisch und unkompliziert.

Als wir tags darauf wieder in Reykjavík eintreffen, haben wir nicht nur Landleben im Westen getestet, sondern auch eine Lavahöhle erkundet und dem Tanz der Nordlichter gefrönt. Das gute alte Island hat mal wieder ein paar Leute in seinen Bann gezogen.

Nie mehr ohne Lopapeysa.
Nie mehr ohne Lopapeysa.

Meinen Lopapeysa ziehe ich in der nächsten Zeit nur noch nachts aus. Er hält warm, wirkt ausgleichend in beheizten Räumen und weist Schmutz ab. Letzteres ist den Islandschafen zu verdanken, die sich in all den Jahrhunderten einfach bestens auf das Klima eingestellt haben.

Die Lopi enthält genug natürliches Fett. „Bloß nicht waschen!“, raten die isländischen Experten. Dabei ginge nämlich jedes Mal etwas mehr von dieser natürlichen Schutzhülle verloren. Einfach nur lüften wäre am besten.

Den geliebten Lopapeysa habe ich auch ins neue Walmuseum von Reykjavík geführt. Originalgroße Modelle sämtlicher rund um Island schwimmenden Wale schweben durch die hohen blauen Räume, so dass ich mich wie unter Wasser fühle – zu Gast im Haus der Wale.

Sehr lang, so ein Blauwal.
Sehr lang, so ein Blauwal.

Aus den Lautsprechern tönen Walgesänge, während ich mir wie ein Winzling im Vergleich zum Blauwal vorkomme, der in natura bis zu 200 Tonnen wiegen und 30 Meter lang werden kann. 90 bis 100 Jahre alt könnte er werden!

Ich persönlich bin ja ein großer Fan von Pottwalen. Auch, weil ich in Norwegen schon welchen begegnet bin. Live. Sie haben so lustige knubbelige Köpfe, und im Museum habe ich die Gelegenheit meinen Kopf hineinzustecken.

Das größte bezahnte Tier der Erde! Und blöd sind die Pottwale auch nicht. Vor Alaska wird nämlich schon von einer Gang männlicher Tiere berichtet, die den Kuttern ihren Fang von der Langleine wegschnappen. Bequemer, als nach Tiefsee-Tintenfisch Ausschau zu halten.

Walmuseum Reykjavík
Wo die Wale sich knubbeln.

Unsere isländische Walsafari fällt sprichwörtlich ins Wasser, es regnet und stürmt mal wieder. Dafür drehe ich noch eine Runde durch die Stadt, und begegne, ihr ahnt es schon, einem alten Bekannten. Mein Selfie-Wikinger! Leif the Lucky!

Da steht er nun, wie soll ich sagen, in recht angeberischer Pose vor der Hallgrímskirkja. Ein Werk expressionistischer Architektur, das entfernt an die immer wieder in der isländischen Landschaft auftauchenden Basaltsäulen erinnert.

Leifur vor der Hallgrimskirche
„Leifur, hier bin ich! Hier unten!!“

Leifur steht zu hoch für ein weiteres Selfie. Außerdem streicht der Wind zu heftig rund um die Kirche, ein Wunder, dass es den Wikinger nicht vom Sockel reißt. Aber die Männer waren ja hart im Nehmen. Und so harrt er weiter aus, trotzt den Stürmen, dem Regen und Schnee.

Und auch mich kann das Wetter nicht abhalten. Ich werde irgendwann wieder auf die Insel reisen, egal ob im Sommer oder Winter. Und wenn ich den Lopapeysa überstreife, komme ich mir schon jetzt wie ein halbe Isländerin vor. Ich habe unter den Inselbewohnern übrigens Ähnlichkeiten mit meiner Ur-Oma entdecken können.

Text und Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an die Veranstalter Isafold Travel, Icelandic Farm Holidays, Elding und Icelandair, die diese Reise ermöglicht haben.

9 thoughts on “Wikinger und Walgesänge

  1. Bei Whales of Icleand war ich am Ende auch noch. Eine wirklich gute Ausstellung mit vielen lustigen und interessanten Infos!

    Denen ist leider nur kurze Zeit vor der geplanten Eröffnung ein Model beim Schweissarbeiten in Flammen aufgegangen. Glücklicherweise haben die anderen Wale kein Feuer gefangen, die Löschanlage hat aber ihr Übriges getan um das Disaster doch noch zu komplettieren. Sie haben trotzdem, mit einer kleinen Verzögerung eröffnet und bauen auch noch fleißig aus.

    Ist sicher eine Alternative zum Whale Watching, wenn eine Fahrt ausfällt. Aber trotzdem kein Vergleich die dicken Kameraden auf offenem Meer zu erleben ;-)

    1. Am Ende… dann bist du inzwischen zurück? Und, vermisst du’s ? Ich könnte mich gerade ins nächste Flugzeug setzen, Walsafari etc. auf dem Schirm… :-)

  2. Ein schöner Bericht, der Lust macht das Land zu bereisen. Island steht bei mir ganz oben auf der Wunschliste. Wann ist eigentlich die beste Reisezeit für Island? Oder ist’s ohnehin gleichgültig, weil’s immer kalt ist?

    1. Danke, Barbara! Also ich war im März da, und das war super, allein wegen der Nordlichter. Ich denke aber auch, dass die Jahreszeit ansonsten wurscht ist. :-)

  3. Das klingt nach einer tollen Erfahrung. Wale sind einfach beeindruckend, finde ich. Na ja, mein nächster Urlaub wird weit weg vom Meer im Wellnesshotel Österreich sein…was ganz anderes. *g*

  4. Hach. Kann ich da nur sagen. Ich möchte unbedingt mal diese Insel mit eigenen Augen sehen, nachdem ich jetzt bei vielen Blogs schon darüber gelesen habe…

    Liebe Grüße
    Heike

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