Von Bari aus nehmen wir die Superstrada in Richtung Foggia, biegen bei „Trani Centro“ ab und folgen den Schildern „Centro Storico“ in die Altstadt. Sie ist nicht zu verfehlen: Direkt am Meer liegt die mittelalterliche Kathedrale von Trani. Der Küstenort ist mit über 53.000 Einwohnern schon einer der größeren im süditalienischen Apulien.
Wir schlendern über die Piazza, die wie eine Terrasse am Meer angelegt ist. Eine passende Inszenierung für ein Vorzeigestück der apulischen Romanik: die Kirche am Meer. Hier modelliert das Sonnenlicht die Fassaden noch intensiver. Und jetzt, im Abendlicht, leuchtet die Kathedrale orange-golden auf.
Kirche über dem Meer
Sie ist San Nicola Pellegrino gewidmet, einem jungen Griechen, der 1094 im „Ruf der Heiligkeit“ in Trani verstarb. Schon fünf Jahre später begannen unter Erzbischof Bisanzio die Bauarbeiten über der bereits existierenden Kirche von Santa Maria della Scala aus dem 5. Jahrhundert. So steht es in den Reiseführern.
Als letztes entstand wohl der 60 Meter hohe Campanile im 13. Jahrhundert. Wie leicht er wirkt, indem er sich auf eine spitzbogige Arkade stützt. So scheint die Kathedrale – je nach Perspektive und Licht – gleichsam über dem Meer zu schweben.
Auch der so genannte „pietra tranese“ trägt dazu bei: Das Baumaterial der Kathedrale und wichtiges Exportgut der Stadt zeigt bei untergehender Sonne seine größte Ausstrahlung. Jetzt wirkt der „Trani-Stein“ eher rosarot – als spiegele er den ganzen Farbsegen des Abendlichts wieder. Für die elaborierten Steinmetzarbeiten an den Fassaden des Bauwerks war der weiche Stein ein optimal formbares Material.
Der Rhythmus der Rundbögen
Schon die Hauptfassade lässt die Komplexität eines Bauwerks erkennen, das zwei Kirchen in sich vereint: Den höher gelegten Haupteingang von San Nicola Pellegrino erreicht man nur über eine großzügige doppelseitige Freitreppe, die zwei Krypten und zwei Grabstätten hinter sich verbirgt.
Zurück zur Fassade: Der Rhythmus der Rundbögen wird unterhalb des Campanile akzentuiert und fortgesetzt, so dass der Turm integriert wird und nicht als eigenständiger Körper daneben steht. Der hohe Durchgang schafft Transparenz und scheint das Gewicht des Glockenturms erfolgreich zu verneinen.
Auffällig die zum Teil aus der Wand hervorspringende Dekoration seitlich der Fenster und der reich verzierten Rosette sowie an den übrigen Fassaden: Aus Löwen, Elefanten, Fantasiegestalten und menschlichen Figuren besteht der Erzählstoff dieser Kathedralenwände.
Wir begeben uns auf Entdeckungstour ins Innere: Über den rechten Nebeneingang gelangt man sowohl in den rechteckigen, unterirdischen Kultraum des San Leucio aus dem 7. Jahrhundert als auch in die Krypta von Santa Maria della Scala, deren Grundriss etwa deckungsgleich mit einem weiteren Vorgängerbau ist.
Das Bronzeportal aus dem 12. Jahrhundert
Ein Säulenwald stützt das Kreuzgratgewölbe. Daneben die Krypta San Nicola Pellegrinos mit den Reliquien des Heiligen. Last but not least geht es hoch in den dreischiffigen, für romanische Verhältnisse sehr lichtdurchfluteten Kirchenraum. Die Trennung von Haupt- und Seitenschiffen durch Säulenpaare unterscheidet diesen Bau von allen anderen der apulischen Romanik.
Während der Restaurierungsarbeiten bis in die 60er Jahre sind barocke Stilelemente entfernt worden, und der Teil eines Mosaiks in der Apsis trat zu Tage, so dass wir uns heute mit etwas Fantasie eine lebhafte Farbigkeit im Querschiff der romanischen Kirche vorstellen können.
Das linke Seitenschiff birgt ein besonderes Schmuckstück: das im 12. Jahrhundert von Barisano da Trani geschaffene, ehemalige Bronzeportal der Kathedrale mit 32 Reliefs – unter anderem eine Szene mit San Nicola da Pellegrino – vor dem der Künstler Barisano selbst niederkniet.
Nach so viel Kultur wird es Zeit für ein Eis, und so schlendern wir weiter durch die Gassen der Altstadt und am Hafen entlang. Unser Eindruck: auch abseits der Kathedrale bleibt Trani ein schöner Ort. Mit oder ohne Vollmond.
Text und Fotos: Elke Weiler