Sonne ist selten. Lächelnd erzählt Ciarán (sprich: Kiran), dass die Leute hier gerne behaupten, in Irland regne es nicht. Nur letzte Woche, ein bisschen. Die Wahrheit ist: „Soft rain“ regiert den Himmel, die Stadt, das Land. Es nieselt oft und gerne, nur merkt man es nach einer Weile kaum noch.
Als wir zur abendlichen Kneipentour aufbrechen, hat der Regen tatsächlich eine Pause eingelegt. Ciarán möchte in Temple Bar beginnen, dem wohl berühmtesten Bezirk der Stadt. „Hier zieht es vor allem die Touristen hin“, meint der junge Dubliner. „Schön ist es natürlich. Aber auch teurer als in den angrenzenden Bereichen, wo du mehr Einheimische findest.“
Da gehen wir natürlich auch hin. Später. Jetzt erst mal der Klassiker. Ciarán führt mich flotten Schrittes durch die Straßen der Stadt. Es herrscht After Work-Stimmung, und wegen des besseren Wetters stehen viele einfach draußen.
Schon am Tag zuvor hatte der Dubliner Peter bei einer Teestunde erzählt, dass sich in den letzten zehn Jahren so einiges in der irischen Hauptstadt getan hat. Was zwar zum einen auf Kosten der gewohnt intimen Atmosphäre im Zentrum ging.
Wie schnell traf man doch einen Bekannten oder Freund auf der Straße, damals. Doch das Schöne an der Zuwanderung im letzten Jahrzehnt ist im Resultat ein internationales Klima. Temple Bar gibt vor allem dieses Gesicht Dublins wieder: Mit seinem Sprachengewirr auf den Straßen und in den Pubs, der jungen Szene und einem vielfältigen Kulturangebot.
Der Klassiker unter den Pubs ist natürlich die Temple Bar, ein rot angestrichenes Ecklokal, nicht zu übersehen auf der gleichnamigen Straße. Man lebt hier jedoch nicht vom Ruhm allein, sondern bietet tägliche Sessions traditioneller Musik. Und zwar so gute, dass die Kneipe in den letzten zehn Jahren stets dafür ausgezeichnet wurde.
Wir bewegen uns weiter, in etwa parallel zur Liffey, beziehungsweise deren Südufer. Was macht den Bezirk zum Kultur-Hotspot? Neben zahlreichen Kunstgalerien sind hier das Project Arts Theatre, das Irish Film Centre sowie das Photographic Archive angesiedelt.
Wir sind auf einem mit Riesenschirmen überdachten Platz angelangt, dem Meetinghouse Square. „Hier musst du am Samstagmittag hingehen“, empfiehlt Ciarán. Der Food Market lohne sich einfach – klein, aber oho. Unser Pub Crawl geht also über die reine Lokalerfahrung hinaus.
Trotzdem lassen wir uns bald mal nieder, nämlich in „The Exchequer“ auf der gleichnamigen Straße. Keines der typischen Pubs, die man sich gemeinhin eher dunkel, gemütlich und mit einem Hauch von Nostalgie vorstellt. Es gehört einem ehemaligen Rugbyplayer, klärt mich Ciarán auf. Vor zwei Jahren hat es den Preis als bestes Gastropub eingeheimst. Das Ambiente eher frisch und gestylt, mit mintgrünen Sitzen und helleren Holztönen ringsherum.
Um aber eine der klassischen Bars kennenzulernen, gehen wir ins „John Kehoe“ auf der Ann Street South. Beide Lokale liegen übrigens nicht mehr in Temple Bar, sondern Richtung St. Stephen‘s Green. Hier also gehen die Dubliner aus. Die Shoppingmeile Grafton Street liegt mittendrin, und obwohl die Geschäfte geschlossen sind, ist noch jede Menge los.
Das „Kehoe‘s“ gilt als eines jener Ur-Pubs mit seinen Holzvertäfelungen, nostalgischem Mobiliar und senffarbenen Wänden. Jetzt wird es Zeit für das erste Guiness meines Lebens. Die meisten trinken hier Pints, aber ich weiß ja nicht nicht, wie die Sache sich entwickelt. Also beginne ich mit einem Bier im Glas.
Und es ist gut. Einige sagen, das beste Guiness außerhalb der Brauerei. „Slainté!“ lerne ich jetzt, gesprochen etwa wie „sloncher“. Statt Prost zu sagen, wünscht man sich in Irland beim Anstoßen Gesundheit. Und das Bier ist dann die Medizin? Oder eher die wohltuende Wirkung des geselligen Miteinanders im Pub. Das ist es. Ich trinke darauf!
Und wir ziehen weiter. Im Großen und Ganzen scheint jede Bar ihren Schwerpunkt, ihre Besonderheit zu haben – nicht unerheblich beim Überleben im Dubliner Kneipendschungel. Wie viele es wohl davon gibt? Schwierig, schwierig.
Ciarán schätzt die Zahl auf 2000 inklusive der Außenbezirke. Für die kommenden Abende empfiehlt er mir noch die Market Bar, in der Tat eine ehemalige Markthalle mit Ziegelstein-Ambiente und Tapas-Schwerpunkt.
Oder The Hairy Lemon, The Duke, The Bar with no Name – die Liste ist schier endlos. Und alle sind voll. Trotz Krise und klammer Kassen gehen die Leute aus. Das Publikum gut gemischt, schon im „Kehoe‘s“ haben wir sowohl Studenten, als auch Businessleute und ältere Semester ausgemacht.
Dann die Lebhaftigkeit, das Miteinander, der Austausch. „Man erzählt halt viel von sich selbst“, sagt Ciarán. Was ja grundsätzlich keine Überraschung ist. Meine andere Dubliner Bekannte, Hilary, geht etwas mehr ins Detail: „Die Einheimischen sind große Geschichtenerzähler.“ Und die Stories? Seien zur Not auch mit Unwahrheiten geschmückt – Hauptsache amüsant.
Der Zuhörer muss dann selber entscheiden, was er glaubt und was nicht. Welchen Teil von Ciaráns Erzählungen streiche ich also raus? Den familiären? Die Geschichte von dem Rentner, der sich einen Traum erfüllt hatte? Nein. Keinen einzigen.
Außer dieser einen Sache: In Irland regne es nicht.
Text und Fotos: Elke Weiler
Danke an Fáilte Ireland / Irland Information für die Unterstützung dieser Reise.
Die Pubs notiere ich mir auf jeden Fall für unseren Dublin-Aufenthalt. Ob wir alle schaffen, werden wir sehen. Gewöhnlich tendieren wir eher dazu, in einem sitzen zu bleiben ;-).
Das ist ja auch nicht verkehrt, liebe Monika! ;-)