Rheinisch Caribbean

Düsseldorf, Promenade

Der Sommer ist da. Fast das ganze Jahr. Und Düsseldorf strömt nach draußen, ans Rheinufer, in die Altstadt, auf die Kö. Da kommen mir wieder mal die Worte eines Freundes in den Sinn: “Man nennt das Rheinland auch die Karibik Deutschlands.”

Das mag für manch einen übertrieben klingen. Oder ganz andere Assoziationen hervorrufen. Die prallvolle Rheinuferpromenade: wie ein Strand bei Rimini. Die Leute, die mit den Fischbrötchen am Kai hocken: wie an der Nordsee. Die Wallstraße mit ihren ganzen italienischen Restaurants? Wie eine Gasse in Finale Ligure. Waffeln essen unter Palmen? Nur in Düsseldorf.

Auch abends ist es noch angenehm warm und fast jeder Stuhl in den Altstadtgassen besetzt. Wir sitzen bei einem der hochbeliebten Italiener und genießen Nightlife und das Theater auf der Straße. Ein hochgewachsener junger Mann spricht ein Mädchen unvermittelt an: “Ich muss eine Frau bis zur nächsten Ampel tragen.”

Stimmung?!
Stimmung?!

Die beiden Freundinnen kichern, doch dann entschwebt die Dunkelhaarige auch schon mit einer Mischung aus Glucksen, Lachen und Schreien unserem Sichtfeld. Dass sie recht schnell wieder zurückkommt, liegt wohl daran, dass der junge Mann kräftig ist, und die nächste Ampel nicht kilometerweit entfernt.

Nächste Szene: Eine ältere Frau nähert sich mit ihrem ebenfalls schon in die Jahre gekommenen Yorkshire Terrier. Zielstrebig steuert die Töle unseren Tisch an und pinkelt in unmittelbarer Nähe auf den Boden. “Das war aber nicht sehr höflich”, kommentiert Frauchen, und man geht ohne ein weiteres Wort seines Weges.

Die Pizze kommen. Meine “Sicilia” hat sich aus unbekannten Gründen in eine “Zucchini” verwandelt. “Sicilia?”, frage ich überrascht. Der Kellner ist es ebenfalls und rauscht mit der Pizza wieder davon.

“Italia?”, versucht er wenig später zu vermitteln – mit einem Tomaten-Mozzarella-Vorschlag auf der Hand. “Sicilia!”, beharre ich auf meiner Bestellung. Weg ist er.

Eine Minute, signalisiert er mir von weitem. Entschuldigt sich dann, spendiert mir einen Prosecco und bringt schließlich und endlich “Sicilia” – nachdem ich mit großen Teilen der Porcini-Pizza meines Gegenübers schon glücklich geworden bin.

Man is(s)t ja flexibel. Hier in der rheinischen Karibik, wo es Pizza in sämtlichen Varianten gibt, respektlose Terrier, Mädchen tragende Männer…

Karibisches Flair am Rhein
Unter Palmen

Ich kenne eine waschechte Düsseldorferin, die noch nie in ihrem Leben woanders gewohnt hat. Sie will auch nicht zum Arbeiten wegfahren. Noch nicht mal bis Köln. Manchmal seufzt sie: “Ach, wie schön Düsseldorf doch ist!”

Es kommt aus tiefstem Herzen. Wir schweigen in so einem Fall andächtig und schauen uns um: der Rhein, die Altstadtfront, bizarre Architekturen im Hafen…

Überall wo ich bin, fehlen mir die Geräusche der Altstadt. Mit dem Blumenverkäufer und seinem “RoteRosenRoteRosén!” Dem Orgel-Bernd, der zu den glorreichen WM-Zeiten immer die passende Hymne drauf hatte. Mit den Fifty-Fifty-Verkäufern, dem internationalen Gesprächsgemurmel, den Verrückten, Normalen und Betrunkenen.

Düsseldorf mit seinen tausend Gerüchen: der gegrillte Fisch der Italiener, die frischen Waffeln an der Promenade, die persischen Falafel am Carlsplatz, frisch gebackene Brötchen an jeder Ecke, der Duft von Väterchen Rhein, der Wiesen und und und …

Nur eins noch: Düsseldorf hat einen tollen Himmel. Das weiß ich, seitdem ich mal vorübergehend zwischen Weinhügeln residiert habe. Vielleicht ist dieser Himmel nicht unbedingt karibisch. Aber hier gilt: Jede Jeck is anders.

Text und Fotos: Elke Weiler

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