Die Enten sitzen am Hafen von Tönning und wirken tiefenentspannt. Jedenfalls bewegen sie sich keinen Zentimeter, als ich mich nähere. Dabei sitzen sie eindeutig im Halteverbot. Aber bald ist Wochenende. Also chillt man schön in Tönning. Hier im Hafen oder an der Eider. Ab Tönning dehnt sie sich mehr und mehr in die Breite, bietet meerähnliche Perspektiven, mündet bald in die Nordsee. Hier mischen sich Süß- und Salzwasser, ist der Fluss den Gezeiten unterworfen. Schlick breitet sich zu beiden Seiten aus, je nach Wasserstand. In Tönning kannst du das Meer schon riechen.
Für die Stadt hatte die Lage am Mündungsbereich stets Vorteile mit sich gebracht. Mit dem Käse ging es zunächst aufwärts. Ähnlich wie Friedrichstadt profitierte auch die kleine Stadt auf der Halbinsel Eiderstedt von niederländischen Einwanderern. Tönning lag strategisch noch günstiger, so dass im 17. Jahrhundert reichlich Käse durch den Tönninger Hafen wanderte – aber auch Getreide, Tiere, Fleisch und Wolle.
Die Form des Hafens aus dieser Zeit hat sich bis heute kaum verändert. Noch gegen Ende des 18. beziehungsweise Anfang des 19. Jahrhunderts konnte die Stadt von ihrem Hafen und dem damals erbauten Eiderkanal profitieren. Heute noch erinnert ein Backsteingebäude, das Kanalpackhaus, an jene Zeit, als Tönning zu Dänemark gehörte und als einer der wichtigsten Häfen an der Nordseeküste galt.
Das Hafenleben
So beschaulich, wie die kleine Stadt heute wirkt, kann ich mir den Trubel von damals kaum vorstellen. Die meisten Fisch- und Krabbenkutter legen inzwischen am Hafen des Eidersperrwerks an, nur noch private Boote und Yachten schaukeln im historischen Hafen von Tönning sachte hin und her. Bei Ebbe setzen sie auf. Wenn das Wasser weg ist, erstarrt der Moment.
So wie das Hafenleben in Tönning zum Erliegen gekommen ist. Statt des Eiderkanals nehmen die großen Frachtschiffe den Weg über den Nord-Ostsee-Kanal, um Jütland nicht umschiffen zu müssen. Und im Packhaus wird heute keine Ware mehr verladen, nur eine Dauerausstellung erinnert an die wirtschaftliche Blütezeit der Stadt.
Das Packhaus ist heute Treffpunkt und Eventlocation. Die Adresse für Ostereiermarkt, Mondscheinkino und Weihnachtsmarkt. Und vermutlich das meist fotografierte Motiv der Stadt. Ich mag es, durch die Gassen zu schlendern und an den teilweise windschiefen Backstenhäusern vorbeizuschauen.
Denn sie schließen nicht immer nahtlos Wand an Wand. Schmale Durchgänge schaffen Räume, die auf blumenbestückte Innenhöfe führen oder andere Wege führen. Bestes Beispiel: der Ehebrechergang, der von der Fischerstraße zum Hafen führt. Was es wohl damit auf sich hat?
Verlaufen unmöglich
Heute also alles anders. Der Tourismus hat die Hafengeschäfte längst ablöst. Und die Tönninger setzen alles daran, ihre Stadt zu verschönern. Das weiß auch die Ladenbesitzerin, die skandinavische Nützlichkeiten fürs traute Heim verkauft und bei Bedarf Dänisch spricht. Körbe, Kissen, Regenschirme – alles hübsch drapiert.
In der Tönninger Töpferei auf der Deichstraße ist Friesenblau der vorherrschende Ton. Man arbeitet mit Engobetechnik, und das Ergebnis ist eine feine Zeichnung der Schüsseln, Tassen, Teller. Ein Stückchen weiter, immer noch auf der Deichstraße, kann man nicht nur Schmuck kaufen, sondern in der „Schmückerei“ auch selbst erstellen.
Das Herz der Stadt ist der zentrale Markt – eingerahmt von Schlossgarten, einigen Läden, Cafés, Restaurants und der St. Laurentius Kirche. Wer sich in Tönning mal verlaufen sollte – was eher unwahrscheinlich ist – wird mit Hilfe des barocken Kirchturms schnell zum Markt zurückfinden.
Wie man an der Mauer unschwer erkennen kann, ist die Kirche älter als der Turm, einige Mauerteile gehen auf das 12. Jahrhundert zurück. Auch die Nordwand mit ihren Rundbogenfenstern zeigen den romanischen Ursprung des Backsteinbaus an. Ich mag sie, die Eiderstedter Kirchen. Jede hat ihren Charme, ihre Eigenart, ihre Bestimmung. Und die Tönninger ist bestimmt eine der Schönsten.
Text und Fotos: Elke Weiler
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