Der Esel schaut nicht gerade begeistert aus der Wäsche. Auch ich fühle mich eher unwohl mit den Zügeln in der Hand. Was aber nicht am Esel liegt, sondern an den Überredungskünsten seines Halters. Ein Foto-Shooting mit Blick auf Essaouira.
Wir sind von Marrakesch durch die Ebene von Souss gefahren, haben Ziegen auf einem Arganbaum getroffen, uns von ihnen angrinsen lassen, während der erste Foto-Rausch langsam abebbte. Wir haben die Frauen der Arganöl-Kooperative getroffen, verzweifelt versucht Nüsse zu knacken und uns reichlich mit Arganöl und Cremes eingedeckt.
Endlich ist die Küste in Sicht. Endlich Essaouira. Am Horizont ein Streifen Blau, dunkler als der Himmel. Der Atlantik. Davor die Stadt, Weiß und Terrakotta. Lehmfarben wie der Boden vor uns, der lückenhaft mit Büschen, Sträuchern und Gräsern bedeckt ist.
Als wir am Ufer ankommen, wirkt das Meer aufgewühlt, sein Türkis angegraut, Schaumkronen auf den hochschlagenden Spitzen. Ein paar Radfahrer und Fußgänger sind unterwegs, kaum Autos. Da spaziert ein Esel mutterseelenallein über die Straße, er schaut mich kurz an, geht weiter.
Die kalkweißen Häuser Essaouiras sind von einer Stadtmauer umgeben. „Und die Schönsten stehen direkt an der Mauer“, weiß Mubarrak, der uns schon in Marrakesch begleitet hat. Er weist auf die Festung hin: Baukunst der Berber.
Im Innern der Medina explodieren die Farben, indigoblaue Türen, grasgrüne und mohnrote Details, aufwendige Verzierungen. Ganz abgesehen von den Teppichen, Decken, der Keramik. Und der Kunst, überall ist Kunst. Essaouira ist die Stadt der Maler, Musiker, Lebenskünstler. Die Stadt aller, die Schönheit zu schätzen wissen.
Das Leben am Meer, das Leben mit dem Wind. Vor allem Städte am Meer haben ihn, den speziellen Rhythmus. Auch wenn in Essaouira die hypnotischen Klänge der Gnaoua-Musik vorherrschen, finde ich auch die Lässigkeit des Reggae.
Das verhinderte Tauschgeschäft
Essaouira ist entspannt. Keine Menschenströme in den Gassen, kein nervöses Werben der Händler. Sagen wir, es ist ein raffiniertes Werben. Charmant. Ich trage meine südamerikanische Stofftasche um die Schulter, als ein Ladenbesitzer mit Rastalocken mich anstrahlt und dann verliebt auf das Teil starrt.
„Die Tasche ist sehr schön. Woher hast du sie?“, will er wissen. „Ecuador“, antworte ich – nicht ohne Stolz. „Willst du tauschen?“, kommt prompt. Ich muss lachen: Es darf wieder getauscht werden?! Ich fühle zurückversetzt in meine Kindheit, die Rückkehr des Tauschgeschäfts ist die Nachricht der Woche, eine Sensation.
Zwar hänge ich an meiner Tasche, doch nichts gehört uns wirklich auf dieser Welt. „Kommt drauf an“, sage ich also und lache zurück. Wir verstehen uns, und ich mache am liebsten Geschäfte, wenn die Chemie stimmt. Er bietet mir einen silbernen Armreif für die Tasche. Oder eine Kette? Doch ich stehe unter Zeitdruck, der Rest der Gruppe drängt weiter.
Ich mache meinem Lieblingshändler klar, dass ich ein infrastrukturelles Problem mit Armreif, aber ohne Tasche habe. „Ich löse es und komme später wieder!“, rufe ich noch, während der Rest der Gruppe mich weiter schleift. „Inschallah!“, ruft er mir hinterher. So Gott will.
Irgendwo muss ich die Unmengen von Inhalt aus der Tasche verstauen. Später werde ich den Freilauf dazu nutzen, das Problem zu lösen. Daher versuche ich, mir Gasse und Geschäft im Gewirr der Medina zu merken.
Kurz darauf sehe ich eine Kuhtasche „la vache qui rit“, also die Kuh, die lacht, und weiß, mein organisatorisches Problem ist behoben. Auf dem Rückweg werde ich sie kaufen, meinen Lieblingshändler finden und tauschen.
Wir kehren in einem Riad ein, trinken den obligatorischen Minztee und essen famose Kekse. Ich würde mich sofort einquartieren, die Zimmer entsprechen genau meinem Geschmack. Doch der Fisch im „Chez Sam“ wartet. Wir schlendern in Richtung Hafen, blicken auf die kleine Insel „Al-Jazira“ vor der Küste.
Die Stadt der häkelnden Männer
Später beginnt es zu regnen, und ich verlaufe mich in den Gassen. Ich erstehe eine der typischen gehäkelten Mütze für umgerechnet zwei Euro und habe einen Regenschutz. Die Verkäuferin wundert sich ein bisschen, dass ich nicht feilsche.
Aber 20 Dirham für ein Prachtexemplar von Mütze aus der Stadt der häkelnden Männer, das ist unschlagbar. Essaouira ist großzügig. Da ist der Mann im Kiosk, der mir eine Mandarine schenken will. Einfach so.
Die Gratis-Beratung am Stand der Kräuter und Viagra-Sorten. Bei Frauen wirken getrocknete Kaktusblüten, so der Händler grinsend. Diese Nettigkeit auf Schritt und Tritt. Die Leichtigkeit. Doch, ich kann Jimi Hendrix und all die Anderen gut verstehen.
Allein die Zeit drängt. Ich finde den Rastaman nicht mehr, meinen Lieblingshändler. Aber das ist egal. Denn Gott will, dass ich zurückkehre nach Essaouira. Dass ich im Riad wohne und Gasse für Gasse absuche. Es lebe das Tauschgeschäft!
Text und Fotos: Elke Weiler
Moin. Schön geschrieben und auch sehr schöne Bilder. Grüße und danke…
Freut mich sehr, danke!!!
Hallo Elke
Schöner Bericht über Essaouira! Mir hat es auch ganz gut gefallen in Essaouira. Aber bei meinem Besuch im Herbst war wohl deutlich mehr los in der hübschen Stadt am Meer. Auch ich habe trotzdem Entspannung und Ruhe gefunden und zwar auf der tollen Dachterasse meines Riads mit Blick über das Meer! Herrlich!
Liebe Grüsse
Travel Sisi
Danke, Sisi! Klingt gut, in welchem Riad warst du denn? Liebe Grüße zurück!
Hi Elke, Dank für Deine lockeren Zeilen über diese Stadt, die ich im Oktober besuchen möchte. Denke, wir haben dieses Ziel gut aus dem Bauch raus gebucht.
Liebe Grüße
Claudia
Ich buche ja eher im Netz. :-D Jedenfalls eine schöne Reise!
Schöner Beitrag :) Sehr bildlich geschrieben. Ich plane auch gerade eine Marokko Rundreise und gedenke Essaouira zu besuchen. In deinem Bereicht wirkt der Ort zum einen super entspannt und zum anderen sehr hektisch oder lag das nur an deinem Zeitplan? :D
Liebe Grüße
Danke, Lisa! Dann wünsche ich dir viel Spaß in Marokko! Im Vergleich zu Marrakesch ist Essaouira super entspannt. Aber es kommt immer auf den Zeitpunkt an, mir haben auch schon Leute etwas anderes erzählt. ;-)
In Essaouira war ich sehr oft! Für mich ist Essaouira immer wieder eine Reise wert… Essaouira „die Perle des Atlantiks“, wird auch liebevoll „die schöne Schlafende“ genannt. Vielleicht die schönste Stadt Marokkos, die mit ihrer vollständig erhaltenen Medina aus dem 18. Jh. und dem bedeutenden Fischereihafen malerisch auf einer Felsterrasse am Meer liegt.
Danke dir! Ich finde die Stadt auch so toll.
Haha, bei der Tauschepisode musste ich schmunzeln! :) Ist mir in Marokko auch schon 1-2 mal passiert, aber in der Tat immer dann, wenn man etwas weiter ab vom Schuss ist. Schon klar – auf den großen Plätzen oder gar auf dem Djemaa el Fna weht ein anderer Wind. Je weniger Touristen, desto authentischer das Erlebnis. Das ist überall so, auch in Marokko!
Danke! Ja, da stimmt wohl! :-)
In Essaouira habe ich mal 2 Jahre gelebt und ich fand es einfach nur wunderschön! Leider musste ich wegen dem Job wieder zurück ins wilde Marrakesch, wo es zwar auch hübsch ist, aber bei weitem nicht so spirituell wie Essaouira!
Lieben Gruß aus Marrakesch,
Nadine
Essaouira wirkt in der Tat wesentlich gelassener und ruhiger als Marrakesch. Allerdings kann einen gerade auch das Quirlige sehr inspirieren… LG von der Nordsee, Elke