Es war das schlimmste Windgetöse meines fast dreijährigen Lebens. Madame nickte bestätigend. Für sie war es genauso, nur hatte sie ein paar Lenze mehr auf dem Buckel.
Janni lief nervös hin und her, doch ich blieb cool. Mit dem Herrn Wind hatte ich eine Vereinbarung, wir mochten uns. Nur mit Frau Gewitter kam ich partout nicht klar. Die Plüschohren waren einfach zu empfindlich.
Kaum, dass Mister Wind sich wieder zurückzog, begannen die Aufräumarbeiten. Madame schleppte Möbel und Äste hin und her, pickte Äpfel und Quitten auf, obwohl sich Sturzbäche vom Himmel ergossen.
Herr Regen fiel in eine ähnliche Kategorie wie Frau Gewitter, beschwerte er doch Gemüt und Plüsch auf impertinenteste Art und Weise. Stubenhockern wie dem Pummelschwein fiel das natürlich weniger auf. Aber ich war und blieb ein Outdoorfreak.
Wir halfen Madame, wo wir nur konnten, doch Janni machte wie üblich alles falsch. Er verschleppte die trockenen Äste, die zum Heizen der Bude dienen sollten. Hatte Mister Wind sich so angestrengt, weil er einen Grönlandwinter in unseren Breitengraden befürchtete?
Hatte er deswegen die wenigen dicken Bäume gekillt, die dem quasi baumlosen Nordfriesland beschieden waren? Wir wussten es nicht. Aber ich spürte: Madame vermisste die Holzmänner, die sich im Wind wogen und den Piepmätzen als Lofts dienten.
Endlich kam Monsieur wieder nach Hause und mit ihm Juwetsy. Original griechische Küche! Nur Bolo konnte da mithalten. Immer, wenn ich dran dachte, musste ich mir die Lippen lecken. Selbst im Traum.
Im Juwetsy waren Brocken von Lamm, Auberginen, reisgroße Nudeln namens Kritharaki und das alles in saftiger Soße. Für solche Köstlichkeiten würde ich sogar Griechisch lernen!
Leider musste ich Juwetsy mit dem Pummelschwein teilen, doch die Portion reichte. Das wäre immer so üppig beim Griechen, tönte Madame. Sonst hauten sie sich dort regelmäßig ohne uns die Bäuche voll.
Dabei kannten wir das Etablissement in Fritzitown noch vom Sommer, als uns heitere, dem Ouzo frönende Gastlutscher bewundert hatten. Obwohl Janni sich mal wieder voll daneben benommen hatte. Wollte er doch tatsächlich an mein Knabberöhrchen heran!
Es kam, wie es kommen musste. Wir zogen die Aufmerksamkeit aller Lutscher auf uns. Doch entgegen Madames et Monsieurs Befürchtungen um Anklagen wegen Lärmbelästigung und Hausverbot liebten uns alle.
Später erfuhren wir, dass der Restaurantlutscher quasi ein Namensvetter des Pummelschweins war. Kennengelernt hatten wir ihn allerdings nicht. Für die griechischen Momente im Leben verblieben uns Monsieur und der Eintopf.
Während wir uns zu dem mit aller Macht nahenden Fest der Liebe ein Juwetsy-Jahresabo wünschten, versuchte ich, die mediterranen Kilos wieder abzutrainieren. Falls irgendwann ein Deichmarathon stattfinden sollte, war ich jedenfalls vorbereitet.
Oder Louis! Wann würde ich den Hübschen wiedersehen? Es wäre herrlich allein mit ihm. Hier oben. Während der Rest des Rudels planlos umher schlunzte, machte ich locker meine 100 Kilometer auf der Deichkrone.
Ich genoss es in vollen Zügen, dass zumindest die Hälfte des annektierten Gebietes wieder frei war. Die Occupy-Bewegung hatte den teilweisen Rückzug beschlossen. Die Wiesen trieften vor Nässe, der Boden quatschte bei jedem Schritt.
Während Madame sich in Barcelona sonnte, war bei uns ziemlich viel Wasser vom Himmel gefallen. Das Grün strahlte so intensiv in der Mittagssonne, dass ich die Glocken läuten hörte. Es waren meine schottischen Vorfahren, die mich ansprachen. Wie sie konnte ich stundenlang über saftiges Grün laufen. Den Wind im Plüsch, die volle Freiheit.
Als Madame wieder zurück kam, standen weite Teile unserer schönen Halbinsel unter Wasser. Was zwar den Vorteil hatte, dass man an jeder Ecke Wasser in bester Qualität trinken konnte und auch die Mini-Bar der Occupy-Bewegung überlief. Doch Madame machte sich Sorgen um unsere Pfoten, die einfach nicht trocken werden wollten.
Ich als Outdoorhund und Hüterin der Gerechtigkeit scherte mich einen feuchten Pferdeapfel um derlei Dinge. Schließlich ging es den Schafen und Kühen auf den Fennen genauso. Und wie meine schottischen Vorfahren mir zuflüsterten, waren Hüter und Hütetiere gleich. Außer, wenn es ums Einhüten ging.
Doch nach und nach wurden Schafe und Kühe von den Fennen abgezogen, um sich auf einen langweiligen Indoor-Winter einzustellen. Ungehütet! Stattdessen bevölkerten Horden von Superpiepmätzen unsere Fennen. Und statt der üblichen Muhs und Mähs schallte Geschnattere und Gequäke zu uns herüber.
Tagsüber keinerlei Reaktion, doch wenn es dunkel wurde, konnte Doorman Janni nicht mehr an sich halten. Er motzte die Könige der Lüfte an, was wiederum mir auf die Nougatnase ging. Also briet ich ihm eins über.
Zwischenzeitlich war mir ein Interview mit zwei Kollegen eingegangen, das ich als höchst aufschlussreich empfand. Vor allem, da es mir die Erkenntnis einbrachte, dass auch bei anderen Rudel nicht alles eitel Gänseblümchen war. Aber darüber mehr beim nächsten Mal, wenn es wieder heißt: „Auf der Matte bei Mademoiselle Julie“!
Text: Julchen (nach Diktat die Pfoten hochgelegt: „Macht mal jemand die Flimmerkiste an? Da werden Rehkitze verschenkt.“)
Fotos: Elke Weiler
Hast wieder so schön erzählt!