Schlaflos in Lalibela

Der Bus rattert über die Straßen, dass die Plastikfenster nur so klappern. Glücklicherweise sind wir bis Lalibela im Norden Äthiopiens geflogen, sonst hätte die Reise zum Weltkulturerbe, den elf monolithischen Felsenkirchen, ziemlich lange gedauert.

Samstags strömen schon in den frühen Morgenstunden die Bauern der Umgebung zu dem großen Markt, um ihre Waren zu verkaufen. Dafür legen sie zum Teil an die 30, 40 Kilometer zurück. Ohne fahrbaren Untersatz, wohlgemerkt.

Wir steigen aus unserem Bus. Auf dem staubigen roten Boden wimmelt es nur so von Menschen, die sich behelfsweise unter Plastikplanen oder klapprigen Schirmen vor der sengenden Sonne in etwa 2600 Metern Höhe schützen. Wir werden kritisch beäugt, besonders wenn wir wie gewohnt unsere Fotoapparate zücken. Ein paar Jungs versuchen mit der üblichen Fußball- oder Buch-Sponsor-Nummer an ein paar Birr zu kommen.

Markt in Lalibela
Alle zieht es zum Markt.

Wir zwängen uns durch die Massen in Lalibela, ständigem Hustenreiz wegen des staubigen Untergrunds und der trockenen Luft ausgesetzt und bemüht, in der Hitze nicht umzukippen. Viele der Bauern kauern unter einfachen Regenschirmen, um ihre Gerste, Tomaten oder gar einen Esel zu verkaufen. Letzterer würde etwa 500 Birr einbringen, umgerechnet 22 Euro.

Eines der wichtigsten Handelsgüter und Nahrungsmittel ist Teff, die äthiopische Hirse. Sie fehlt als Mehl in keiner Injera, der hiesigen Fladenbrotart. Dazu Fleischsoße oder Gemüse – ein typisches Mahl. Nur einen Millimeter Durchmesser hat das einzelne Korn. Klein, aber oho: Die Zwerghirse ist reich an Mineralstoffen und schmeckt leicht nussig.

Und das Gute ist: Teff-Pflanzen gedeihen auch dort, wo es der Mais nicht mehr schafft. So nimmt es nicht wunder, dass die Power-Hirse als das Grundnahrungsmittel in Äthiopien gilt. Und dass dieses Ur-Korn mit seiner Jahrtausende alten Tradition langsam auch den Weg in unsere Breitengrade findet. Begehrt unter Allergikern, da glutenfrei.

Bei den Felskirchen

Typische Tukulbauten, die hier zweistöckigen Rundhütten der Einheimischen, ragen in der Nähe des Felskirchengebiets in die Höhe. Schließlich stehen wir vor dem kreuzförmigen Umriss der Bet Giyorgis, der Georgskirche, die sich aus dem Loch im roten Basaltgrund herausformt.

Landschaft bei Lalibela
In die Landschaft integrierte Kirche.

Nezanesh schaut mir über die Schulter, während ich Notizen mache. Sie ist 14 Jahre alt, wurde an einem Feiertag geboren und freut sich, unsere Gruppe bei der Kirchenbesichtigung zu begleiten. Außerdem möchte sie gerne fotografiert werden, ohne Geld dafür zu verlangen. Das Mädchen hätte einfach gerne die Fotos. Also schlagen wir vor, die Fotos per Mail an einen Freund zu schicken. Kein leeres Versprechen, Nezanesh vertraut uns.

Ich verlaufe mich auf dem Weg zum Kircheneingang, der immer schmaler wird und sich wie ein Labyrinth verzweigt. Doch eine ältere Äthiopierin hilft mir, die richtige Abbiegung zu finden. Mit Gestik und Mimik fordert sie mich auf, zukünftig auf mich aufzupassen. Strahlend lächelnd. Viel später noch denke ich an sie, als ich erfolglos versuche einzuschlafen.

Lalibela, Markttag
Staubig die Luft.

Schon ab Mitternacht hört man einen orthodoxen Priester fast wie einen Muezzin singen. Die “Wasema”-Gesänge klingen durch die Nacht, vermischen sich mit ihren Geräuschen, durchdringen die stickige Luft im Hotel.

Schon früh müssen wir aufstehen. Noch bevor das Wasser für eine Stunde angestellt wird, sind wir wieder unterwegs. Durch die Strohdächer der Hütten in vereinzelten Kralen mitten in der Landschaft dampfen Rauchschwaden, die Farbe der Hütten verschmilzt mit dem Untergrund.

Abschied von Lalibela

Ein abessinischer Hornrabe sitzt imposant am Wegesrand. Ein Stück weiter steht ein einzelner Junge wachend auf dem Hochstand inmitten eines Sorghum-Feld und vertreibt Vögel mit einer Steinschleuder.

Bald schon erreichen wir den Flieger, um das schöne Land wieder von oben zu betrachten. Und doch, trotz des mangelnden Komforts: Auf der Straße ist alles viel intensiver. Zu Fuß dann, vielleicht mit einem Esel. Wir müssen nur mehr Zeit mitbringen. Viel mehr Zeit.

Text und Fotos: Elke Weiler

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