Dänemark scheint so beliebt wie nie. Egal, ob es sich um das höchst innovative Kopenhagen dreht oder um die Weite an der Nordseeküste. Und so manch einer lässt sich bei den entspannten Nachbarn sogar nieder. In der Reihe „Woanders leben“ habe ich dieses Mal Marion von „Meermond – der Blog direkt aus Dänemark“ gefragt, wie es sich anfühlt im Nordjütland zu leben. Ob wohl zwischen Blokhus und Aalborg immer alles hyggelig ist…
Liebe Marion, wo kommt ihr her?
Wir alle fünf sind in Regensburg geboren und drei von uns haben dort auch den Großteil ihres Lebens verbracht.
Was hat Dänemark, das ihr im vorherigen Leben nicht gefunden habt?
Mehr Ruhe und mehr Raum.
Hier im Norden von Dänemark haben wir mehr Zeit für das, was uns am wichtigsten ist: unsere Familie. Die Arbeitswoche ist auf 37 Stunden begrenzt, und das ganze Leben verläuft langsamer und stressfreier. Uns bleibt also genug Kraft und Zeit, die erholsame Weite des Landes und die wilde Natur zu genießen.
Waren die Kinder gleich einverstanden mit euren Umzugsplänen?
Die Zwillinge waren mit anderthalb Jahren noch zu klein, um das Ganze richtig zu begreifen. Erst jetzt, im Alter von sechs Jahren, beginnen sie ab und an anzumerken, dass sie auch mal gerne in der Nähe von Oma oder Tante wohnen würden. Der Große hat sich mit 14 selbst für ein Leben in Dänemark entschieden, obwohl er auch bei seinem Vater in Bayern hätte bleiben dürfen. Zuerst war dieser Beschluss wohl eher reiner Abenteuerlust geschuldet, aber inzwischen ist er davon überzeugt, für sich das Richtige getan zu haben. Er fühlt sich sehr wohl hier und möchte meines Wissens nach auch hier bleiben.
Wieviel Dänisch habt ihr vor dem Umzug schon gesprochen?
Alexander und ich haben vor dem Umzug Privatunterricht genommen und sind mit Sprachlevel A2 eingereist. Das half uns sehr gut, um schnell und erfolgreich durch die Sprachkurse der dänischen Kommune zu kommen. Die Kinder konnten gar kein Dänisch. Inzwischen sind uns alle drei sprachlich überlegen.
Wie konntet ihr euch organisieren, was die berufliche Situation angeht?
Sowohl Alexander als auch ich haben Berufe erlernt, die sich nicht ausschließlich auf Stellen in Deutschland beschränken müssen. Wir können quasi weltweit arbeiten. Das dänische System ermöglicht eine Vereinbarung von Beruf und Kind, auch wenn man keine Großeltern in der Nähe hat.
Was hat euch nach Nordjütland gezogen?
Das hat berufliche Hintergründe. Und dass es hier gleichzeitig so wunderschön ist, war das Tüpfelchen auf dem I.
Hat man euch mit offenen Armen empfangen?
Jein. Die Nordjüter sind ein eigenes Völkchen. Charmant, aber schwierig.
Der Rest von Dänemark findet Jütland ein bisschen speziell. Wie denkt ihr darüber?
Jütland ist tatsächlich eine besondere Ecke. Die Menschen sind freundlich und jederzeit hilfsbereit, wenn man sie um Hilfe bittet. Aber Aufgeschlossenheit zählt nicht zu den Stärken der Nordjüter. Es ist schwer, hier echte Beziehungen aufzubauen. Wann ist mehr als nur freundliches Geplauder erlaubt, wann ist jemand nicht „nur höflich“? Hinter dem Hoftor, wenn es denn eines gibt, scheint eine unsichtbare Grenze gezogen zu sein, hinter der sich die Nordjüter gerne zurückziehen. Nur sehr selten, wenn überhaupt, darf man jene Linie übertreten. Es braucht Ausdauer und viel Initiative, will man ihnen näher kommen und ins Privatleben eingelassen werden. Wenn man es dann geschafft hat, kann es durchaus sein, dass man von der kompletten Familie angenommen wird und – so geschehen – in deren Ferienhaus eingeladen wird.
Was liebst du in Nordjütland am meisten?
Das Meer, die Weite, die Leere und die Ruhe.
Was gefällt dir weniger?
Das dänische Gesundheitssystem.
Würdet ihr noch einmal umziehen? Welches Land würde dich interessieren?
Diese Frage kann ich nicht eindeutig beantworten. Die Zeit hier hat uns noch aufgeschlossener, lebensbejahender und empathischer werden lassen, als wir es vorher schon waren. Wir begreifen unser Leben als ganz besonderes Abenteuer und gleichzeitig als Chance. Eine Chance auf Erfahrungen, die andere nur aus Filmen oder Büchern kennen. Und wenn da noch ein paar dazu kommen, dann freut es uns. Am liebsten wäre uns dann die Erfahrung „Alterswohnsitz auf einer schwedischen Schäreninsel“.
Ganz lieben Dank, Marion, für den Einblick! Diese letzte Idee verstehe ich sehr gut. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob Finnland oder Schweden oder Norwegen. So lange bleibe ich gerne eure Nachbarin. Und ich hoffe, wir kriegen das mit dem Kaffee bald mal hin! Sehr gerne auch im schönen Nordjütland.
Was für ein Leben in Nordjütland,Natur pur
Liebe Elke, ich danke dir für dein Interesse an uns.
Ich bin mir sicher, dass du eine gute Entscheidung treffen wirst, was deinen persönlichen Alterswohnsitz angeht, hast du doch auf deinen Reisen viele, wertvolle Einblicke sammeln können.
Einblicke, mit denen du seit Langem deine Leser begeisterst.
Hab vielen Dank und ganz herzliche Grüße aus Nordjütland,
Marion
Liebe Marion, danke dir für den Einblick in euer Leben! Ich finde es jedes Mal wieder spannend zu erfahren, wie es sich woanders lebt. Bislang war es immer eine Herzensangelegenheit der Auswanderer, die Liebe zum anderen Land, die Faszination von etwas. Im Norden scheint dies meist die Natur zu sein. Dabei sind die Lebensumstände meist etwas härter, im Sinne von längeren und dunkleren Wintern. An der Nordseeküste, also auch hier in Nordfriesland, sind es die Stürme, der raue Wind, die wunderbare Einsamkeit in der Winterzeit. Die Sehnsucht nach Sommer. Da frage ich mich oft, wie es wäre, ständig Sommer zu haben. Vermutlich werde ich im Alter nicht ruhen. :-) Und mich demnächst mal den gen Süden Ausgewanderten zuwenden. Liebe Grüße nach Nordjütland und vielleicht bis bald mal persönlich! Ich würde mich freuen!
Ich mich auch!
Bis dahin folge ich dir hier einfach noch eine Weile.
Vi snakkes ved, bis bald
Ein schönes Interview. Eigentlich klingt das Meiste traumhaft für mich. Selbst die zurückgezogenen Nachbarn. Was mich aufhorchen ließ ist die Unzufriedenheit mit dem Gesundheitssystem. Könnte Marion darauf vielleicht nochmal etwas genauer eingehen? Also was genau ist da nicht so toll? Wir überlegen nämlich auch auszuwandern, wahrscheinlich nach Dänemark. Sind aber noch in den Anfängen unserer Überlegungen.
Hallo Riza, das funktioniert in der Tat etwas anders als bei uns, wo die Leute beispielsweise recht schnell die Notaufnahme aufsuchen, manchmal etwas zu schnell, und durch den erhöhten Verkehr dort es weniger Zeit für die dringenden Patienten gibt. Mein Freund ist in Kopenhagen mal mit dem Rad gestürzt. Er hat die Notrufnummer angerufen, wo man ihn telefonisch beraten hat. In diesem Fall sollte er nicht in die Notaufnahme kommen, aber bestimmte Medikamente aus der Apotheke holen. Wie es mit der Gesundheitsnummer steht, wenn du in Dänemark lebst, schreibt Marion hier: https://meermond.de/2016/06/14/fuss-fassen-in-daenemark-2/ Liebe Grüße, Elke
Hi, wirklich ein tolles Interview! Das nenne ich NATUR!
Eine tolle Geschichte. Auch wir sind mega Dänemarkfans.wir fahren seit 1992 jedes Jahr nach Nr. Lyngby . Mittlerweile fahren unsere Kinder und Enkelkinder selber dorthin. Urlaub ohne Lökken geht gar nicht. Allerdings finde ich es bewundernswert dorthin auszuwandern. Ich hätte dazu keinen Mut,obwohl ich Dänemark liebe.
Ich verstehe euch sehr gut, den ich mag unsere Nachbarn sehr. Und du hast natürlich recht: Irgendwo zu leben ist noch etwas ganz anderes, als Urlaub zu machen. Wobei ich, so glaube ich wenigstens, es generell vorziehen würde, hier und dort an schönen Orten zu leben, als generell „nur“ Urlaub zu machen. ;-) Weil man einen anderen Einblick bekommt, andere Möglichkeiten hat, eine neue Sprache lernt und einfach mehr mitnimmt von dieser neuen Erfahrung… Liebe Grüße von der Küste!