Mit der Ente durch Paris
Der Mythos vom Bauern und den Eiern, er stimmt. Eigentlich wurde der 2CV geschaffen, damit ein bis zwei Bauern in Gummistiefeln ihren Wein, die Eier und einen Sack Kartoffeln unversehrt über holprige Feldwege transportieren konnten.
Mit dieser schon genialen Aufgabenstellung entstand das vermutlich einzige Schaukelauto der Welt, zumindest kenne ich kein anderes, das sich derart gekonnt in die Kurven legt. Doch eine elegante Stadt wie Paris und dieses lustige Wackeltier – passt das überhaupt? Wiederholungstäter wie ich meinen Ja, eindeutig Ja.
2008 habe ich es zum ersten Mal getan, da hieß unser Privatchauffeur Gérôme, und er lenkte die Ente geschickt durch die Stadt. Er stoppte sogar vor Zebrastreifen. Mit seinem Look à la Belmondo rundete er den Retro-Style des Films „Mit der Ente durch Paris“ ab.
Sechs Jahre später stehe ich wieder mitten in Montmartre. Nach dem Frühstück im Café gehe ich zusammen mit Nicole, der Kollegin vom Blog „Freibeuter Reisen“ zur verabredeten Stelle. Und natürlich haben wir zwei Mädels auf einen charmanten französischen Chauffeur nebst charmantem französischen Auto gepokert. Einen wie Gérôme, etwas zurückhaltend, stets aufmerksam und très sympa!
„Es ist ein Mädel“, zische ich Nicole leicht enttäuscht zu, bevor wir die Straße überqueren. Doch dieses Mädel braucht keine fünf Sekunden, um uns mit ihrer natürlichen Begeisterung anzustecken. Teresa ist Italienerin. Zierlich und quirlig, um nicht zu sagen, Schwester im Geiste von Renée, „unserer“ Ente.
4 roues sous 1 parapluie
Nummer 20 im inzwischen 40 Enten starken Fuhrpark von „4 roues sous 1 parapluie“, wie der erfolgreiche Florent Dargnies seine Firma genannt hat. Vier Räder unter einem Regenschirm, so sagt man spaßeshalber über den 2CV – der leichten Konstruktion mit dem klapp- und rollbaren Dach geschuldet. Jedes gute Stück ein Cabrio.
Darum bitte ich Teresa auch gleich, den „Regenschirm“ hochzuklappen. Zwar ist das Wetter nicht gerade sommerlich, doch es geht ja ums Feeling. Eine Entenfahrt bedeutet: unterwegs sein mit allen Sinnen, das hatte ich im Frühsommer zuletzt in der Provence erleben dürfen.
Teresa wickelt also das Dach ein und macht die Heizung an – so zum Ausgleich. Vorne im Wagen ist die Temperatur genau richtig, hinten wird es herbstlich frisch, da hilft die Decke auf der Rückbank. Strahlend setzen wir unsere Mädelstour am Mädelswochenende fort.
Das Leben in Paris
Teresa gestikuliert, lacht, erklärt Paris, ihr Leben und fährt gleichzeitig Ente. Sie stammt aus Treviso, hat in Venedig studiert und hält sich nun seit einem Jahr in der französischen Hauptstadt auf. „Für viele Dinge, die ich in Treviso an einem Tag erledigen kann, brauche ich hier eine Woche.“ Mamma mia!
Wir reden Englisch statt Italienisch oder Französisch, unsere Chauffeurin will ihre Sprachpraxis optimieren. Die Sonne verdrängt so langsam die Regenwolken, und die Ente schaukelt sich lässig die gewundenen Straßen von Montmartre hoch und runter.
Steigungen, die Teresa normalerweise mit dem Rad nimmt. „Die höchste Stelle von Paris. Montmartre ist ein Dorf“, meint unsere Chauffeurin im Brustton der Überzeugung. Mit diesen engen Straßen, den verbliebenen Mühlen, dem Flair des alten Künstlerortes.
Sie hat das Glück, am Rande des Viertels zu wohnen. Genau wie das Marais zählt es für sie zu den wirklich netten, ruhigeren Vierteln. „Möööööp!“, lässt Teresa den sonoren Sound von Reneés Kommunikationsmittel ertönen. Wir müssen ein paar Touristen von der Straße vertreiben, die gedankenlos in der Gegend herum fotografieren.
Der Verkehr? Kein Problem!
Kurz darauf wirft sich ein junger Franzose fast vor Nummer 20, doch die Bremsen funktionieren. „Wie hast du durch Paris zu fahren gelernt?“, frage ich die an das gediegene Treviso gewohnte Chauffeurin. „Willst die Antwort wissen?“ Teresa gestikuliert und zieht eine Grimasse. „Ich bin Italienerin!“ Wir lachen. Sie findet Paris sogar recht gut organisiert – im Vergleich zu Rom.
Aber die Zebrastreifen! In Paris reine Dekoration. Immer wieder stoppen wir auf unserem Weg quer durch die Stadt. Klassisches Sightseeing gemischt mit persönlichen Tipps. Und Renée, die Schöne, kann sich vor Verehrern natürlich kaum retten. Desöfteren muss sie mit Touristen posieren, und Teresa macht dann gleich ein bisschen Werbung für die Tour und verteilt Karten. Doch selbst die Pariser kriegen gute Laune, wenn sie das ulkige Gefährt sehen, vom Lächeln bis zum…
„Arrête!“, schimpft Teresa, die jungen Leute im Wagen hinter uns sollen gefälligst aufhören mit diesem wilden Gehupe, als wir bei den Tuilerien sind. Doch dann kapieren wir es: Die Jungs glucksen vor kindlicher Freude, dort in ihrem stinknormalen Gebrauchswagen lachen sie sich über uns schief.
Und kurz darauf freut sich Teresa laut und wie üblich gestikulierend, denn in einer weiteren Ente sitzt ihre beste Freundin und winkt. Ja, alle winken. Wir und auch die dreiköpfige Familie in dem anderen 2CV. Vor allem der Junge, denn es ist klar, dass Kinder Enten von Herzen lieben.
Dann wieder Gehupe von hinten, als Teresa tatsächlich mal vor einem Zebrastreifen stoppt, der aktuell von einer Fußgängerin benutzt wird. „Ich konnte sie doch nicht umbringen!“ Wir pflichten ihr bei, so was ist unschön.
Am Ende wird es etwas zugiger im offenen Gefährt, wir spüren den Wind, und wer hinten sitzt, friert schneller. Doch es gilt die uralte Enten-Devise: „Wer schön fahren will, muss leiden.“
In der Nähe der Galerie Lafayette lässt Teresa uns nach gut zwei Schaukelstunden wieder hinaus in die Welt der Fußgänger. Ja, wir haben überzogen. Mit dieser gekonnten Mischung aus italienischer Komödie und Drama verging die Zeit wie im Fluge. Und mit der Ente Renée sowieso.
Text und Fotos: Elke Weiler
Liebe Elke, andere Zeit, anderer Ort, ich hatte auch das Vergnügen. Superbe… Mit der Ente über die Champs Elysées … geöffnetes Dach, gute Stimmung. Wunderbar!
Na, wenn du auch in Paris warst, ist der Ort ja derselbe. ;-)
schöne Fotos aus der schönen Stadt.
Ich komme nächstes Mal mit :)
LG,
Laura