Der saubere Deich

Unsere Hütte war im Belagerungszustand. Zunächst rückte ein komfortabler Schrankkoffer an, den wir schon gut kannten. Also würde auch bald Grandmadame auf der Bildfläche erscheinen. Natürlich freuten wir uns, auch wenn wir eine Schlummerstätte an sie abtreten musste.

Während des Aufenthalts von Grandmadame hatten wir offiziell keinen Zutritt zu Madames Schreibstätte – so konnte ich nicht arbeiten! Doch Grandmadame mochte es nicht, wenn wir mit unseren zarten Pfoten auf ihrer Bettdecke herumtapsten.

Zum Ausgleich brachte sie uns Wurstbrote mit und versorgte uns auch während der Folgemahlzeiten mit ausreichend Lutscherfood. Deal war Deal. Ich hatte nun wesentlich höhere Erfolgsquoten bei Tisch, weil Grandmadame rasch mit einem Armschieber von meiner akuten Notlage zu überzeugen war.

In geheimer Mission
In geheimer Mission

Julchen schaffte es, sich trotz aller Hindernisse ins Büro einzuschleichen und die Tasche von Grandmadame auf weitere Wurstbrote hin zu untersuchen. Mit der ihr eigenen Geschicklichkeit. Julchen sah sich als moderne Agentin in geheimer Mission. Das Ergebnis? Leider negativ, denn nur der Duft der Ex-Wurstbrote haftete der Tasche noch an.

Glücklicherweise gab es vor der Flimmerkiste kein Gerangel, denn Grandmadame bevorzugte den Schaukelstuhl und wippte, während alle anderen das Sofa stürmten. Und so lange nur einer der noch übrigen Lutscher ebenfalls auf dem Sofa Platz nahm, kamen Julchen und ich so gerade hin.

Ich brauchte ein bisschen mehr Platz, weil ich mit meiner bevorzugten achtförmigen Rückenlage mindestens die Hälfte in Anspruch nahm. Daher legte ich Madame et Monsieur nahe, sich ein XXL-Sofa zuzulegen. Für ihren Lieblingsrüden!

Willst du mit mir... ?
Willst du mit mir… ?

Aus diversen Gründen muckten wir beim Feiertagsprogramm nicht auf, auch wenn die Lutscher mal allein Kaffee trinken fuhren. Oder Griechisch essen gingen. Das Wichtigste war doch, dass sie ihre plüschigen Lieblinge nicht vergaßen, die zu Hause treu und dauerhungrig warteten. Dass sie sich einen Doggy Bag mitgeben ließen! Eine dieser Wundertüten!

Kaum, dass Grandmadame uns wieder verlassen hatte, stand der nächste Besuch vor der Tür: die hübsche Maggie beehrte uns mitsamt Rudel. Was für eine Freude! Wir sahen sie schon von weitem, hüpften hocherfreut aus der Blechhöhle und stürmten auf sie zu.

Wie ein junges Reh sprang sie durch die Gegend, Maggie schien wirklich glücklich an unserem Deich zu sein. Julchen pfiff anerkennend durch die Zähne, als sie sah, wie flott Maggie war. Doch meine Holde verabschiedete sich kurz darauf in Richtung Deichkrone, um mal wieder so richtig Kilometer zu machen.

Zwar versuchte ich sie einzuhüten, doch dieses Mal entwischte sie mir. Julchen war und blieb eine Sportskanone, und wenn die Deichkrone frei war, gab es für sie nur eins: Flitzen! Doch dann kletterten wir alle gemeinsam die Böschung hinunter in den Schlick, um uns am letzten Tag des alten Jahres noch mal ausgiebig Wellness zu gönnen.

Maggie war begeistert und fing an zu tanzen: There’s nothing better than a smashing Schlickdance! Ja, ich war auf gutem Weg Fremdsprachen zu lernen. Man wusste nie, was die Zukunft brachte! Zwar war ich immer vollauf damit beschäftigt, meine Süße vor Attacken jeglicher Art abzuschirmen, doch ein bisschen Freizeit gönnte ich mir ab und an. Schlick und ein Stück Wurst.

Maggie war auch scharf drauf! Dabei nahm sie sonst nichts von anderen. Doch als Monsieur unsere Wurst zückte, war es um sie geschehen. Natürlich hätte ich vorgezogen, die Wurst allein zu fressen, doch bei Gästen durfte man sich ja nicht lumpen lassen! Wir trafen noch ein weiteres Rudel aus dem Süden inklusive sympathischem Kollegen, der sofort Gefallen an Maggie fand.

Pas de deux
Pas de deux

Ich überlegte kurz, meine Bodyguard-Dienste anzubieten, war aber froh, dass Maggie allein zurechtkam. Alles andere hätte leicht in Stress ausarten können. Es war Zeit zum Knutschen! Julchen und ich hatten das Sandknutschen perfektioniert. Sobald wir die entsprechende Stelle am Meer erreichten, wo sich unser Geheimstrand am Everschop ausdehnte, warfen wir uns in den Sand und bissen uns zärtlich in die Backen.

Maggie schaute verdutzt zu, sie schien Sandknutschen gar nicht zu kennen. Was uns natürlich nicht davon abhielt, das komplette Programm durchzuziehen. Maggie guckte noch ein bisschen, warf sich dann aber höchst angeregt selber in den Sand, um sich nach Herzenslust zu wälzen. Nur auf diese Art und Weise konnte man optimale Mengen mit in die heimische Bude transportieren!

Leider wurde ihrem Rudel in diesem Zustand der Zutritt zu einem Lutschercafé verwehrt. Ja, Himmelschafundmeer! Wo lebten wir denn? Am Deich. Und so beschlossen wir, nach Neujahr dort mal richtig sauber zu machen, angeregt vom Verein „Küste gegen Plastik“.

Plastikfunde
Plastikfunde

Julchen votierte zwar für Plastik, doch Madame et Monsieur waren nicht so ganz glücklich damit. Und dann fing meine Süße wieder von diesem Emil an, ihrem Ex! Sie hätten sich das Plastik auf dem Deich immer korrekt geteilt. Vor allem auf alte Fischerhandschuhe in Orange wären sie ganz wild gewesen.

Aktuell haute Julischka mit einer Luftballonleiche ab, es gab einige davon, ein großer Fleisch-Bräter steckte hinter der Aktion. Und wer musste Juli einsammeln, damit Monsieur ihr das Zeug entlocken konnte? Richtig. The one and only bodyguard.

Der saubere Deich
Der saubere Deich

So machten wir eine große Rudelsache daraus und sammelten sämtliches Plastik, das der Herr Sturm in einer Gemeinschaftsaktion mit dem Meer herangeschleppt hatte. Leider reichten Monsieurs zarte Lutscherhände nicht, um alles zu packen. Er schrie doch tatsächlich nach einer Plastiktüte!

Ja, was für einen Sinn machte das – in dieser hochmotivierten Runde frisch geborener Umweltaktivisten? Plastik sammeln und gleichzeitig neuen Müll schaffen? Lutscher folgten eben ihrer eigenen Logik.

Nicht schlecht, das Holz.
Nicht schlecht, das Holz.

Als der Deich nach zweitägiger Räumung sauber war, fuhren wir nach St. Buddel. Die rauen Mengen, die wir hier hätten sammeln können, würden uns wochenlang beschäftigen. Also nahmen wir uns frei und ließen die Sau raus.

Es galt der Grundsatz, das neue Jahr so zu beginnen, wie man das alte beendet hatte. Der Jahreswechsel war ja ganz nett, aber Typen wie ich standen auf Kontinuität. In jeder Beziehung. Vor allem in der Beziehung!

Janni in love
Janni in love

Text: Janni (nach Diktat überlegt, ob nicht jeder Tag ein Fest der Liebe war, und wie er seiner Süßen eine Freude machen konnte. Vielleicht ihren Topf säubern?)

Fotos: Elke Weiler

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