„Se hai bisogno
e non mi trovi,
cercami in un sogno.“
Worte, die ich an einer Mauer fand. Ein altes Lied von Vasco Rossi, ein Lied von der Liebe. Gefunden am Ort der Poesie, der Liebesschwüre, an der Punta Faro. Genau dort, wo das geregelte Strandleben von Lignano Sabbiadoro endet, am äußersten Zipfel der Halbinsel, wo nichts bleibt als das Meer und die Insel der Muscheln.
Ein Holzsteg führt zum kleinen Leuchtturm hin, dem „Faro“. Genau genommen gibt es zwei Leuchttürme an der Punta Faro. Der weiß-rot gestreifte zur Rechten ist aus dem Jahr 1928 und reckt sich von einem Holzpodest sechs Meter in die Höhe. Fast wäre er abgerissen worden, hat lange einsam den Gezeiten getrotzt, mal wie ein Denkmal auf dem Sockel am Strand, mal umtost von den Wellen, aufgewertet von einer glubschäugigen Graffiti-Katze. Nun ist sie weg.
Am Ende der Stegs steht eine Kopie, wesentlich jünger und komplett rot, sieht man mal von dem Meer an Worten ab. Für viele der fast 7.000 festen Einwohner von Lignano ist genau diese Stelle ein Lieblingsort. Eine einmalige Gelegenheit, um bei klarem Wetter über dem Wasser stehend die Bucht entlang bis Grado, Triest und zu den Bergen Istriens zu schauen.
Zu angeln oder zu träumen und damit dem Rat Herrn Rossis zu folgen: „Wenn du mich brauchst und nicht findest, suche mich in einem Traum.“ Die Punta Faro, der Ort für ein Lied oder einen Heiratsantrag. Rechts vom Leuchtturm die Bar Punta Faro Beach, am besten morgens um acht Uhr für ein italienisches Frühstück. Morgendunst über dem Meer.
Links der freie Strand, über den gerade ein freier Hund durch das seichte Wasser hoppelt. Kevin will mir den „Doggy Beach“ von Lignano zeigen. Wie ich die Adria-Verhältnisse so kenne, ist ein Hundestrand in Lignano nicht einfach ein Strandabschnitt, an dem Hunde zugelassen sind. Sondern ein Strand mit allem Pipapo.
Kevin betreut normalerweise die Gäste, die gerne radeln, unternimmt Touren mit herkömmlichen Rädern oder sogenannten Fat Sand Bikes aus Kalifornien. Spezielle Zweiräder für den Strand also, dick bereift und robust. Leider ist meine linke Hand nach dem Unfall noch nicht genesen, so dass ich aufs Radfahren noch verzichten muss.
Interview am Doggy Beach
Stattdessen gehe ich auf die Pirsch nach einem Interviewpartner am „Doggy Beach“. Im Prinzip sieht der Strandabschnitt erst mal so aus wie die anderen. Nur, dass der Bagnino demonstrativ ein Shirt mit der Aufschrift „Life is better at the doggy beach!“ trägt. Der Andrang ist riesig. Hunde aller Sorten treffen aufeinander, aufgeregt an der Leine.
Schnell picke ich mir einen süßen Mischling heraus, der auch noch Boomer heißt. Perfekt. Sein zweiter Auslandseinsatz quasi, in Bibione war er auch schon. Das Rudel stammt aus der Nähe von Wien und hatte länger nach einem entsprechenden Angebot in Italien Ausschau gehalten.
Zufrieden richtet man sich in seinem Karree ein: Schirm und Liegen für Frauchen, Herrchen und natürlich eine für den besten Freund. „Die nutzt Boomer gar nicht“, meint Frauchen, doch für mich, die Paparazza, springt er artig drauf. Es gibt diese umzäunten Bereiche am „Doggy Beach“, aber auch freie. Wir drehen eine Runde mit Boomer am Wasser, wo er Bällchen jagt.
„Stundenlang kann der Hund im Wasser sein – so lange es nicht von oben kommt!“, klärt Frauchen mich auf. Nach dem Spielen im Meer kann Boomer geduscht werden und sich in den Schatten verziehen. Falls ihm mal langweilig wird, gäbe es noch die Möglichkeit zum Agility-Training. Doch ich denke, dazu ist es zu heiß.
Der Charme der 60er Jahre
Kevin und ich ziehen weiter am Strand entlang, um Martina auf der „Terrazza a Mare“ zu treffen. Noch so ein spezieller Ort. In einem Buch, dem Reiseführer für Kinder „Vivalignano“, habe ich die Zeichnung des Vorgängerbaus gefunden: Ein Pfahlbau über dem Wasser, erreichbar über einen Holzsteg. Baujahr 1904, quasi Lignanos Feuertaufe als Badeort.
Mich erinnert die Zeichnung an das Kaltbadehaus in Malmö, das nur ein paar Jährchen jünger ist, also gleiche Epoche. Leider befand sich die historische „Terrazza a Mare“ schon bald in einem schlechten Zustand und wurde wieder abgerissen.
Die zweite Terrasse orientierte sich an der Neuen Sachlichkeit der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts, ist aber leider auch nicht mehr erhalten. Kevin und ich wandeln über einen Steg mit ovalen Öffnungen übers Wasser. Typisch 60er! Den Clou des Entwurfs von Aldo Bernardi bilden allerdings die sich muschelförmig zum Wasser hin öffnenden Gebäude.
Sie scheinen trotz der schweren Betonstruktur des Fundaments über dem Meer aufzugehen, zitieren seinen Schwung in rhythmischen Wellen und machen gleichzeitig eine klare Gegenansage, geben den Konterpart im Spannungsfeld Natur – Kultur. Aber da wäre noch ein weiterer Grund, die Terrasse zu mögen: das Restaurant. Genau dort treffen wir Martina, die während der Saisonzeiten in Lignano lebt und arbeitet.
Yoga am Meer
Feiner Tatar vom Thunfisch aus der Region, schwarze Pasta mit kleinen Jakobsmuscheln gefolgt von fritto misto mit Sardinen, Calamari, Garnelen und Aquadelle, jenen ganz kleinen Fischen. Küchenchef Samy Friedrich stellt sich vor, genau wie Kevin ist er das Kind einer italienisch-österreichischen Mischehe.
Abgesehen von dieser beliebten Kombination und der damit einhergehenden Zweisprachigkeit scheinen überhaupt sehr viele, die in Lignano im Tourismus arbeiten, Deutsch zu sprechen. Nicht so Salvo, der aus Süditalien stammt und als Fitnesstrainer arbeitet. Ich treffe ihn auf einer kleinen Plattform mit Blick auf die Punta Faro. Der ideale Ort für eine Yogastunde am Abend.
Eine leichte Brise weht vom Meer, ich strecke die Hände zum Himmel, dem Vorbild des Maestros folgend. Und mir bleibt noch zu sagen:
Se hai bisgno
e non mi trovi,
cercami a Lignano.
Text und Fotos: Elke Weiler
Mit Dank an Lignano Sabbiadoro Marketing, die meine Reise ermöglicht haben und mir die schönsten Ecken der Gegend gezeigt haben, etwa die Lagune von Marano.
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