Nusfjord ist einer von jenen Orten. Auf Anhieb fühlen wir uns wohl in dem Fischerdorf auf den Lofoten. Es ist nicht viel los, die Saison hat noch nicht begonnen, Ende Mai.
Aber das war mal anders. Denn Nusfjord ist, das spüren wir, ein Ort mit Geschichte. Sein Charme liegt genau dort, wo sich Gestern und Heute treffen. Davon profitieren die Nusfjorder. Teilweise Zugewanderte, die all ihre Energie ins Dorfleben stecken.
Sie weisen sowohl in die Vergangenheit ein, sind aber auch bestes Beispiel für die Zukunft des Dorfes. Was ihnen hilft: Der Dorsch ist wieder da. Und mit ihm kommen junge Männer, die fischen wollen.
Doch das wichtigste Standbein der Mini-Gemeinde sind die Touristen. Im Sommer werden es fast schon zu viele Tagesgäste, doch in der Nebensaison spürt man das Flair und die Ruhe. Das eigentliche Nusfjord.
Wir haben das Glück, einen Tag und eine Nacht in den ehemaligen Fischerhütten wohnen zu können, die auf Stelzen in die seichten Stellen der Bucht gebaut wurden. Ich laufe über die Holzstege, blicke ausgetrockneten Dorschköpfen in die nicht vorhandenen Augen und treffe eine Möwe.
Den Schlüssel für meine Hütte gibt sie mir nicht, dafür muss ich hinaufgehen zum Karolinen-Restaurant, wo Jim und Veronica die Gäste betreuen. Kurz darauf halte ich ihn in der Hand und bin gespannt.
Das einfache Leben
Eine kleine Brücke führt zu meiner Rorbu, die man eigentlich zu viert bewohnen könnte. Glücklicherweise hat sich seit den Zeiten, als die Wanderfischer hier hausten, einiges geändert: Der Komfort reicht bis zur Fußbodenheizung im Bad.
Der Eingangsbereich hingegen wirkt wie eine Pufferzone und ist nicht beheizt. Alle Türen zu den warmen Zimmern sind geschlossen: Schlafzimmer, Wohnraum mit Küche sowie das Bad.
Dafür kann man im Eingangsbereich bis unters Dach schauen und die Konstruktion aus Holz studieren. Im Gegensatz zu den gestrichenen Zimmern wirkt hier alles eher naturbelassen – fast wie im Originalzustand.
Dagegen sind die bewohnbaren Räumlichkeiten der Rorbu ganz auf die heutige Lebensart eingerichtet: schlicht, liebevoll, mit skandinavischem Understatement. Nur so kann man an einem Ort wie Nusfjord authentisch wohnen.
Auf Leinwand gezogene Kopien historischer Schwarzweißfotos verstärken das Gefühl, ein Stück Nusfjord zu erleben, das Vergangenheit ausatmet. Ich schaue erst mal aus allen Fenstern hinaus, sehe aufs seichte Wasser vor meiner Tür und winke den anderen Rorbuern zu.
Zu schade für eine Nacht
Dann setze ich mich an den Tisch. Im Innern dominieren helle, freundliche Farben wie babyblau und zitronengelb. Die Küche ist komplett eingerichtet: Wer für die Familie kochen möchte, kann zum Tante-Emma-Laden des Dorfes laufen und sich dort mit Lebensmitteln eindecken.
Meine Rorbu erscheint mir zu schade für eine Nacht. Aber wir fahren weiter nördlich, wollen noch nach Henningsvær, Solvær und auf die Vesterålen, wo wir auf Wal-Safari gehen. Und trotz dieser Aussichten überkommt mich fast so etwas wie Wehmut, als ich Jim und Veronica den Schlüssel zurückgebe.
Die Möwe sitzt wieder vor meiner Bude und sagt: „Ha det!“ Quatsch, umgekehrt. Die Möwe sagt ausnahmsweise gar nichts, aber ich kann schon immerhin zwei Worte Norwegisch. Tschüss!
Wie schön muss das sein, hier eine Weile zu leben, ab und an mit Swein auf Fischfang zu gehen und den jungen Männern draußen beim Filetieren des Dorsches zuzuschauen. Oder einfach mal gar nichts zu tun und unter Polarlichtern im Winter zu singen. Ich muss Jim und Veronica nach den Liedern fragen. Nächstes Mal.
Text und Fotos: Elke Weiler
Mit Dank an Innovation Norway, die diese Reise ermöglicht haben.
Fußbodenheizung?! Ich glaub, ich tausche meine Bodenwellen-Wohnung gegen ein Rorbu! :) Schön beschrieben, und ich kann durch meine Stockfischmuseum-Übernachtung in A bestätigen: es ist wirklich kuschelwarm und gemütlich in diesen Häuschen – auch im September :)
Zu Winterkabeljauzeiten müsste man das mal austesten… :-)