SUPpen auf dem Lago Maggiore
Ich liege auf dem Wasser und schaue in den Himmel. Smarte, kleine Wellen schaukeln mich hin und her. Wolken türmen sich über dem Lago Maggiore, schon bald wird es regnen. Aber was weiß ich schon über das Wetter hier? Über die Schweiz? Über das Tessin? Von Bergen habe ich keine Ahnung.
Nach einem langen Weg aus dem Norden bin ich in Locarno gelandet und liege nun auf einem breiten Board, während die Anderen fast alle paddeln, stehend, knieend oder sitzend. So ein Board ist multifunktional, man könnte auch darauf lesen, schlafen oder Yoga machen. Vielleicht ist Stand Up Paddling die falsche Bezeichnung für das, was wir hier machen.
Doch als wir unsere Tour am Strand von Locarno starteten, sah schon alles nach Stehpaddeln aus. Daniel, der gemeinsam mit seinem Kumpel Andrea die SUP-Schule leitet, erklärte uns kurz, wie und auf welche Höhe wir das Paddel einstellen sollten. Und vor allem, wie wir es benutzen dürfen, können, müssen.
„Das vergesst ihr zwar gleich wieder, wenn ihr auf dem See seid“, meint er seinen bisherigen Erfahrungen zufolge. Aber zur Sicherheit macht er es auch auf dem Wasser noch mal korrekt vor. Nun besteht unsere Gruppe zum größten Teil aus Anfängern. Im letzten Jahr habe ich in Friedrichstadt einen wunderbaren kleinen Kurs gemacht, doch scheinbar ist alles vergessen. Das was Daniel sagt, und alles, was ich gelernt habe.
Dabei war es für mich quasi eine Erleuchtung gewesen, letztes Jahr. Ich spielte schon mit dem Gedanken, mir ein gebrauchtes Board zuzulegen, am besten ein aufblasbares wegen der Transportfähigkeit. Nun stehe ich auf genau so einem und zittere wie Espenlaub. Wackelpudding um mich herum. Der Lago Maggiore, das unbekannte Wesen. Ich will mich lässig bewegen, doch es funktioniert nicht.
Liegt es am Board, das relativ breit ist? Am Wasser, das vom Wind leicht bewegt ist und mit jedem Bötchen neue Wellen bringt? An dem Fußband, das mich wie ein Hund an der Leine mit dem Board verbindet? Daniel hat darauf bestanden, dass jeder das Band an seinem Fußgelenk befestigt. Rechts oder links, egal. „Schaut geradeaus, nicht nach unten“, empfiehlt der Maestro noch für die bessere Balance.
Allein meine Beine haben ein anderes Programm für heute. Ich würde es ja noch verstehen, wenn sie die knapp 1.200 Kilometer von Tetenbüll bis Locarno gelaufen wären. Aber nein. Da waren noch diverse Verkehrsmittel im Einsatz: Zug, S-Bahn, Flugzeug, nochmal Zug, dann Bus und Auto.
Der Abend ist lau, wir sind in Badekleidung auf den Boards unterwegs. Schwimmen wäre auch schön. Wir paddeln einen kleinen Bogen in Richtung Maggia, ein Fluss, der bis ins späte Frühjahr Schmelzwasser in den See trägt und sich bei stärkeren Regenfällen von der türkisfarbenen Gewässerschönheit in einen reißenden Fluss verwandeln kann.
Doch wir lernen die Maggia nicht näher kennen. Eigentlich wollen wir nur ein bisschen chillen. Den See genießen, auf diese spezielle Art und Weise. Aus dieser Perspektive. Anders als Bootfahrten, anders als Schwimmen. Eine Möglichkeit, die es uns erlaubt, auf dem Wasser zu wandeln, gewiss ein Urtraum des Menschen.
Natürlich ist Stehen angesagt, weil es ja Stand Up Paddling heißt. Und weil Daniel es auch so macht. Doch als diese eine Welle mein Board erfasst, ist alles zu spät: Ich lande kreischend und mit einem dicken Platsch im Wasser. Völlig orientierungslos. Ein Hering an der Angel: Mein Fuß zeigt mir die Richtung, ist er doch mit dem Board verbunden.
Aber die Schwerkraft!
Prustend tauche ich auf, zum Glück ist das Wasser weder kalt noch trüb. Ich versuche mich triefend und lachend an Bord zu hieven, was aufgrund der Schwerkraft nicht ganz einfach ist. Doch dann packt mich der Ehrgeiz, ich greife nach der anderen Boardseite, ziehe und ziehe, stemme ein Bein aufs Board.. Daniel paddelt zu mir hin, um gute Tipps zu geben, doch ich höre nichts, muss nur noch mehr lachen.
Als sich ein Boot nähert, sitze ich schon wieder fest im Sattel. Nein, denke ich, die Wellen! Es ist Andrea zusammen mit dem Fotografen Roberto. Jetzt bloß kein Foto, bitte. In diesem quasi aufgelösten Zustand. Doch Andrea fragt auf Deutsch, ob ich Hilfe bräuchte. Den Taxiservice sozusagen. Stolz richte ich mich auf und winke ab: „Tutto bene. Non ti preoccupare!“
Ich trockne in der Abendsonne vor mich hin. Eine Entenfamilie zieht vorbei, leicht aufgeregt. Alle müssen zusammen bleiben, keine Extratouren für die Kids. Jetzt schnell die wasserdichte Kamera aus der Badekleidung ziehen… Doch sie warten nicht, bis ich auf den Auslöser drücken kann. No paparazzi! Vermutlich ist ihnen der Feierabendbetrieb auf dem Lago gerade zuviel.
Ein Stück weiter macht es Platsch, begleitet von einem Kreischton, der mir vertraut vorkommt. Eine Kollegin testet ebenfalls die Wassertemperatur. Ich paddele kurz zu ihr hin. Sie sagt, sie würde jetzt gerne ohne Board weiter, einfach nur schwimmen. Wir lachen. Daniel ruft in der Ferne irgendetwas.
Jeder macht ein bisschen sein Ding. Ich fange an zu genießen. Kein Gruppenzwang, kein Sport, nur der See und ich unter dem bunten Himmel. Ich löse das Fußband, lege mich aufs Board und schaue den Wolken zu. Die Arme ausgestreckt, das Wasser streichelnd. Was für ein Tag. Und dann dieser Moment. Der ganze Stress der Reise fällt in den See.
Nach und nach paddeln wir wieder zurück, gelangen aufrecht stehend auf den Boards bis ans Ufer. Nur, um sie an Land zu bringen und noch eine Runde schwimmen zu gehen. Komisch, dass das Wasser des Lago Maggiore nicht salzig schmeckt.
Text und Fotos: Elke Weiler
Mit Dank an Ticino Turismo sowie Swiss, SBB und das Parkhotel Brenscino, die diese Reise ermöglicht haben.
Jetzt hast du auch einen Boardschein! sehr sportlich
Nach der Tour hatte ich vor allem Muskelkater. Aber im letzten Jahr habe ich einen Schein für den Kurs in Friedrichstadt bekommen. Nur die dessen Inhalte sind wieder vergessen. ;-)
War der See sehr sehr kalt? Ich musste jedenfalls über deinen Plantscher/Platscher ins Wasser schmunzeln. Dafür machst du auf den Fotos una „bella figura“…
Sehr schön Lago Maggiore…möchte ich auch mal hin! Das Foto hat etwas Faszinierendes!
Ne, eher ne schöne Abkühlung, wenn es richtig warm ist. Anfang Juni hatte er so um die 20 Grad, also wie die Nordsee im Sommer. Danke dir, der Fotograf ist Profi. ;-) Lago Maggiore und Luganer See (kommt noch) waren beide super – ich möchte auch noch mal hin!
SUPER Figur und schöne Photos!!!
BELLA RAGAZZA ;O)
Grazie! :-)
klasse beitrag! Ich will ende des jahres auch in die schweiz und bin schon sehr gespannt. Toller blog weiter so :)