Übers Wasser spazieren

Gracht

Ob das ein uralter Traum des Menschen ist, wie eine Ente auf dem Wasser zu sitzen oder darüber spazieren zu gehen?

Ich weiß es nicht, aber eines ist sicher: Ich bin reif fürs Board. Stand Up Paddeln in Friedrichstadt. Für Anfänger eignen sich nämlich ruhige Gewässer, und so mache ich bei halbwegs sonnigem Wetter einen Termin bei Diane von „SUP Friedrichstadt“. Seit drei Jahren verleiht sie Boards und gibt Anfängerkurse startend am Westersielzug.

Dieser Tag scheint ideal zu sein, denn nur manchmal und nicht überall ist Wind zu spüren. Es ist nicht zu warm und nicht zu kalt. Und ich bin vorbereitet, trage Badesachen unter T-Shirt und kurzer Hose. Diane erklärt uns gleich zu Anfang, dass die Treene heute mit 19 Grad Wassertemperatur aufwartet. Perfekt! Außer mir nehmen ein Vater mit seiner Tochter sowie ein Mädels-Grüppchen teil – sie feiern Geburtstag.

Jedes Board hat seinen Namen. Ich nehme Sam.

Diane hat alles im Griff. An Land bleiben wir nämlich nicht lange. Nachdem man uns das korrekte Knien, Aufstehen und Stehen erklärt hat, sowie alle Paddel richtig justiert und die Boards zugeteilt sind, legen wir letztere jeweils zu zweit ins Wasser. Immer schön vorsichtig, die Finne! Für Anfänger hat Diane breite, kippstabile Boards im Angebot.

Natürlich macht es mir nichts aus, mal ins Wasser zu fallen, klar. Aber es geht ja hauptsächlich darum, zu stehen und sich dabei elegant vorwärts zu bewegen. Dass Wasser per se eine puddingähnliche Konsistenz hat, wenn man versucht darauf zu stehen, habe ich bereits bei einem unglückseligen Versuch im Windsurfen erfahren.

Heute scheint alles anders zu sein. Das Paddeln im Knien wird mir schnell langweilig, also probiere ich, mich langsam aufzurichten. Der Co-Trainer und Vater zweier Girls aus dem Geburtstagstrupp ist zur Stelle und gibt mir extrem nützliche Tipps. Ich beklage mich der Ordnung halber übers Wackeln, versuche jedoch, alle Ratschläge umzusetzen.

Aller Anfang ist auf den Knien.

Die typische Haltung beim Paddeln auf dem Board soll der vom Inline Skating ähneln, also mit leicht gebeugten Knien. Mit Körperspannung, aber cool und lässig dabei aussehen. Wichtig ist, immer schön mittig und etwa schulterbreit positioniert zu sein. „Schau nicht aufs Board“, höre ich hinter mir, das würde nur verunsichern. „Schau auf dein Ziel.“

Ok soweit. Nur habe ich kein Ziel. Jedenfalls nicht so direkt. Mein Wunsch ist stehenzubleiben und mich idealerweise dabei fortzubewegen. Klingt widersprüchlich, klappt aber sogar. Der Co-Trainer zeigt mir dann, wie man dieses Riesenteil unter den Füßen pfiffig dreht, was sehr schnell sehr nützlich sein kann.

An diesem Samstag herrscht nämlich massiver Betrieb in und um Friedrichstadt auf dem Wasser. Tretboote, Motorboote, Kajaks – alle sind unterwegs. Ganz zu schweigen von den flachen, breiten Ausflugsschiffen, die so gerade noch durch die Kanäle passen. Vor allem unter den Brücken wird das Navigieren zur Maßarbeit für den Kapitän.

Der Spaß beginnt.

Und dann verursachen motorbetriebene Boote natürlich Wellen. Und Wellen sind das, was du dir als Anfänger auf dem Board nicht gerade wünschst. Denn dann hättest du ja gleich das Ganze auf dem Meer austesten können. Umso überraschter bin ich, als das erste Ausflugsschiff an uns vorbeidüst, und das Board den Wellen klar die Stirn bietet. Alles halb so wild!

Genauso wie im Boot soll man die Wellen mit dem Bug schneiden, statt sich seitlich von ihnen erwischen zu lassen. So weit, so gut. Nun wird es ernst. Unser Trupp startet eine erste Runde in den alten Hafen von Friedrichstadt. Wir posieren fürs Smartphone von Diane vor einem bunten Holzschiff, das nicht mehr ganz fahrtüchtig wirkt. Aber charmant! Unsere Lehrerin hat ein paar Dinge im Dry Bag deponiert, der unter einem Gummi im vorderen Bereich ihres Boards spannt.

Sogar an Wasser für uns hat sie gedacht, denn der Durst kommt schnell beim Paddeln. Genau im richtigen Moment verteilt sie die Flaschen. Und ich kann noch mal das Hinknien und Aufstehen auf dem Pudding üben. Die Wasserflasche ist festgeschnallt, der erste Durst gestillt. Wir gleiten gemütlich durch den Hafen, vorbei an Yachten und einem kleinen Campingplatz.

Da! Ein Riesenplatsch direkt neben meinem Board. Diane lacht. „Wenn dir ein Fisch drauf hüpft, bitte festhalten!“ Sie denkt schon ans Grillen. Und mir wird zum ersten Mal richtig bewusst, wie nah der Stand Up Paddler doch an der Natur ist. Selbst hier, im Friedrichstädter Hoheitsgebiet.

Die lauschigen Ecken des Holländerstädtchens

Dann heißt es, im Knien oder Sitzen unter einem relativ niedrigen Steg hindurchzufahren. Klappt! Auch üben wir das Drehen noch ein bisschen. Im Hafen ist nicht sonderlich viel Betrieb, doch als wir schließlich in die erste Gracht einbiegen, wird es enger. Idylle hat ihren Preis.

So rudern wir vor wunderschöner Kulisse, und ich bereue sogleich, meine Kamera nicht in einem Dry Bag mitgenommen zu haben. Die Giebelhäuser, die geschwungenen Steinbrücken, die Menschen, die Eis schlecken und neidvoll zu uns hinabschauen. Noch besser: Wer sich zwischendurch einmal hinsetzt und der Beinmuskulatur ein Päuschen gönnt, bewegt sich quasi auf Augenhöhe mit den Enten.

Ein ganz neues Feeling. Direkt an der Oberfläche und doch nicht im Wasser. Natürlich schwappt ab und zu mal eine Ladung aufs Board, wenn man so gemütlich drauf sitzt, doch wasserscheu ist in unserer Gruppe niemand. Außer uns sind natürlich noch andere SUP-Enthusiasten unterwegs.

Grachten und Giebel

Sogar einer mit Hund an Bord. Der Mops sitzt quasi stoisch da, ganz nach dem Motto: Wenn ich mich nicht bewege, geht alles gut. Ein Bild für die Götter, und ich ohne Kamera. Dieser Blick! Eine Mischung aus crazy bis hoheitsvoll mit ein bisschen Schiss. Herrchen hingegen ganz locker.

Diane erklärt, dass wir uns wegen der Ausflugsschiffe keine Sorgen machen sollen. „Schön nach rechts fahren, aber nicht zu weit, es gibt Steine in Ufernähe.“ Das würde alles so passen. Die übrigen Boote lassen uns meist den Vortritt, wenn es einen Engpass gibt. Nur einmal müssen Diane und ich einem Cabrio-Schiff ausweichen und am Rand warten.

Als wir weiter paddeln, erscheint ein weiteres Ausflugsboot auf der Bildfläche. Mit Begeisterung schauen uns die lustigen Senioren zu, und Diane schafft es, mit wenig Abstand neben dem uns entgegenkommenden Boot zu fahren und drei Leute abzuklatschen. Die Ausflügler freuen sich natürlich sehr.

Überall werden wir fotografiert, die Top Water Models von Friedrichstadt. Verdammt glücklich müssen wir aussehen, wie wir so übers Wasser spazieren. Besonders gegen Ende des zweistündigen Kurses hat jeder ein Gefühl für Wasser, Board und Bewegung. Ansatzweise auch für den eigenen Körper, denn die Balanceübung tut gut.

„Danke“, sage ich zu Diane. „Bis zum nächsten Mal!“

Text und Fotos: Elke Weiler

Und noch ein paar Infos:
Der zweistündige Anfängerkurs (mit SUP-Diplom) kostet in Friedrichstadt 38 Euro. Wer ein Board und Paddel für eine Stunde ausleihen will, bezahlt 15 Euro. Abgesehen von den Friedrichstädter Kanälen gibt es auch die Möglichkeit, bei günstigem Wind zum Beispiel acht Kilometer nach Schwabstedt über die Treene zu paddeln. Etwa auf halber Strecke kann man in einem Seitenarm fahren und ein bisschen rasten, picknicken, die Natur genießen. Oder habt ihr schon mal probiert auf einem Board zu liegen, zu lesen oder Yoga zu machen?


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3 thoughts on “Übers Wasser spazieren

  1. Sehr schöner Beitrag. Friedrichstadt wird sonst leider publizistisch nicht so bedacht. Meine englische Freundin und ihr 13-jähriger Sohn hatten Anfang Juni auch einen SUP-Kurs bei Diane gebucht. Eine tolle Art Friedrichstadt zu entdecken. Die Beiden waren total begeistert und Diane macht das sehr professionell. Und darüberhinaus bietet Friedrichstadt touristisch noch viel mehr: historische Gebäude, Kirchen, Museum, Töpferei, Ateliers, Cafés, Marktplatz mit italienischer Eisdiele, Pizzeria und traditionellen Restaurants. Immer einen Besuch wert.

    1. Lieben Dank! Das stimmt, obwohl es so hübsch ist in Friedrichstadt. (Wir sagen ja immer Fritzitown. ;-) ) Aber trotz mangelnder Presse war gut was los gestern. Im Winter sieht es schon ganz anders aus, da müsste man noch viel mehr machen in der Stadt, die auch bei Nebel etc. ihren Reiz hat.

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