Tatort Eiderstedt

Huhn

Der erste Roman, ein Nordseekrimi

Letztens habe ich im Keller meiner Mutter ein wenig aufgeräumt, viele Fotos, Briefe und eine lose Blattsammlung gefunden. Es handelte sich tatsächlich um den verloren geglaubten Roman, den ich während des Studiums geschrieben hatte. Ich dachte, ihn gelöscht zu haben, hatte alte Disketten durchforscht, und dafür eigens ein Gerät angeschafft. Ein Disketten-Laufwerk aus der Steinzeit! Aber die Disketten waren größtenteils verseucht und was sich noch lesen ließ, bestärkte mich in dem Eindruck, meinen Erstling gelöscht zu haben. Falsch. Damals druckte man noch aus. Vor allem vor dem Löschen. Vermutlich, weil ich den PC geliehen hatte und sämtliche Spuren beseitigen wollte. Ganz ehrlich: Ich habe „das Werk“ noch nicht wieder gelesen und werde mir auch ein wenig Zeit damit lassen. Es ist eine kuriose Erinnerung an eine andere Zeit – wie die Briefe und ebenfalls gesicherten Tagebücher.

Zur Zeit habe ich ein anderes Projekt, das all meine Zuwendung verlangt, der Nordseekrimi Nummer 2. Dafür wird das kongeniale Ermittlerduo von der Küste ein wenig reisen. Für den zweiten Fall lese und recherchiere ich immer noch. Das Reisen entfiel bei Julchens erstem Fall größtenteils. Denn die „Rindviecher im Nebel“ waren quasi ein Heimspiel: Tatort Eiderstedt. Bis ins angrenzende Dithmarschen zieht sich die Handlung. Ein etwas bizarrer und kniffeliger Fall für den Einstieg, soviel sei verraten. Aber Julchen wäre nicht Julchen, wenn sie mittendrin aufgegeben hätte. Und sie erhält Unterstützung. Nicht zuletzt von den Hühnern, man glaubt es nicht! Jeder Hinweis zählt. Man muss nur die Zeichen richtig deuten. Und am Ende kann Grandmadame ihren Teil zur Aufklärung des Falles beitragen, indem sie mit Blick von außen sämtliche Puzzleteile zusammenfügt.

Warum ein Cosy Crime? Eigentlich lese ich eher selten Regionalkrimis. Vor allem nicht wegen einer bestimmten Region. Ich mag Rita Falk und natürlich Leonie Swann, deren Schafskrimis in Irland und Frankreich spielen. Beide Autorinnen demonstrieren auf ihre Weise einen wunderbaren Humor. Vielleicht mag es manchmal so wirken, als wäre der Julchen-Krimi eine Persiflage auf das Genre. Das ist nicht ganz von der Hand beziehungsweise Pfote zu weisen. Julchen denkt und arbeitet in gewohnt rustikaler Weise, wie man es von der Hundekolumnistin kennt. Inzwischen kommt ein bisschen Altersweisheit hinzu. So zweifelt sie nicht selten an der Lutscherheit. Zu Recht!

Nordseekrimi "Rindviecher im Nebel"
Die Nummer 1. Ab Februar im Handel. (Cover © Lutz Eberle / Gmeiner Verlag)

Julchens eigensinniges Wesen war mir von Anfang an eine große Inspiration. Und Hunde sind nun mal prädestiniert als Spurenleser. So hatte ich schon vor einigen Jahren einen Nordseekrimi zu schreiben begonnen, ohne zu wissen, wohin mich diese Reise führt. Viele Seiten waren es nicht, die ich in den Untiefen des Computers wiedergefunden habe, einige davon strich ich gleich wieder. Aber dank der Pandemie fand ich endlich die Zeit und Muße, mich Julchens ersten Fall zu widmen. Endlich einmal etwas erfinden zu dürfen, hat mich ungemein motiviert. Und es erschien mir logisch und notwendig, dass weitere Fälle folgen würden. Dass ich diese Pläne nur weiterverfolgen könnte, wenn ich dafür mein bisheriges Leben umstrukturiere, wurde mir mit der Zeit immer klarer. Ich habe es als Chance begriffen, back to the roots zu gehen.

Dann sind da noch ganz andere Projektideen, die nichts mit Kriminalfällen zu tun haben. Irgendwann werde ich sicherlich unter diesem Aspekt auch meinen wiederentdeckten Roman-Erstling noch einmal lesen. Was für ein Zufall, ihn zu finden. Was für ein Glück, ihn noch zu haben. Allerdings denke ich nicht, dass er jemals publiziert wird. Dafür habe ich mich zu weit von der Thematik entfernt. Wenn man beginnt, einen längeren Text zu schreiben, braucht man dafür eine Art rasenden Antrieb, der von einem bestimmten Gedanken, einer Idee, einer Vorstellung durchdrungen ist. Sie schlängelt sich durch den sperrigen, voluminösen Textkörper. Sie trägt und formt ihn mit der Zeit. Ähnlich eines Hausbaus oder einer Restaurierung: Jede Menge Detailarbeit, bei der sich die Teile am Ende zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Manchmal anders als geplant. Weil man am Anfang das Ergebnis noch nicht kennt, und nur ahnen kann, wohin der Weg einen führt. Ich muss Julchen vertrauen, die nie geradeaus geht. Die Verve muss da sein. Etwas schwer zu Umschreibendes, das dich über einen längeren Zeitraum nicht loslässt. Das erforscht werden will. Und so lange modelliert, bis alles stimmt.

Bei den Julchen-Krimis spielt die Auseinandersetzung mit Nordfriesland und seiner Umgebung hinein, über das ich inzwischen mehr weiß als über meine Geburtsregion. Schuld trägt unter anderem das Meer. Die Nordsee wird übrigens im zweiten Teil einen noch größeren und existenzielleren Raum einnehmen. Für mich ist das Meer nach über zehn Jahren an der Küste aufregend und geheimnisvoll geblieben. Ebenso wie das Leben mit ihm. Wie es die unterschiedlichen Arten von Menschen prägt, die sich seit Jahrhunderten hier niedergelassen haben. Ich mag die Vielsprachigkeit der Region.

Gerade lese ich „Die beiden Baroninnen“ von Hans Christian Andersen, der selbst im 19. Jahrhundert an die Nordseeküste gereist war. Jedenfalls beschreibt er die Reise von Fünen nach Nordfriesland, das bis 1864 zu Dänemark gehörte, ausgesprochen anschaulich. Wenn die Menschen plötzlich neben Dänisch auch Deutsch und Friesisch sprechen. Die kleinen Orte auf dem Weg, in denen es kein Lokal gibt, und der Kaufmann oder Apotheker zu Hause Reisende empfängt, die dann fürs Essen und eventuell auch eine Unterkunft bezahlen. In Nordfriesland tut es ein Bauer. Oder die beschwerliche Fahrt mit der Kutsche, als das Marschland erreicht ist, die schmalen, matschigen Wege auf den Deichen. Auch wenn wir heute nicht mehr mit Kutschen unterwegs sind, klingt das nach einem original nordfriesischen Winter. Die Auflösungserscheinungen. Gerade noch sagte ich zum Mann: Unsere Wiese drüben versumpft. Der Graben hat sich ausgedehnt, das Wasser einen Weg überschwemmt, und nichts erinnert mehr an die Trockenheit des Sommers. Als nächstes führt der dänische Dichter die Leserschaft in die Halligwelt, und das werde ich auch tun. Beziehungsweise meine resolute Ermittlerin.

Auf bald!

Elke

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Post vom Meer

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