Ein Bett im Blumenfeld

Tulpenzeit in Holland

Holland im Frühling und viele, viele Tulpen

Ein Hase kreuzt meinen Weg und verschwindet in den ewigen Blumenfeldern. Es strömt dieser Duft in die Luft, schon die ganze Zeit. Als wäre ich in einem Gewächshaus, einem einzigen riesigen Gewächshaus. Die Narzissen sind fast verblüht, doch die Tulpen haben Hochsaison. Und die sensiblen Hyazinthen.

In der Nähe von Lisse wohne ich in einem Airstream aus dem Jahre 1969. Der ganze Frühling scheint sich in seiner Außenhülle aus Aluminium zu spiegeln: Sonne, Wolken, Blumen. Immer wieder halten Radfahrer an, fotografieren den Vintage-Caravan oder kommen gleich auf ein Schwätzchen vorbei. Neugierig, vor allem die Niederländer.

Ich mag diese kleinen Wege, die in Nordfriesland hauptsächlich von Traktoren und einigen Einheimischen genutzt werden. In Süd-Holland ist das anders, da herrscht reger Betrieb, gerade hier rund um Lisse und Noordwijk. Der Keukenhof ist nicht weit, und im Frühjahr zieht es die ganze Welt hierher.

Nichts als Narzissen und Tulpen rund um den Caravan
Verschwimmende Realitäten

Anja und Daan haben mich mit Kaffee und einer frisch gebackenen Karamellwaffel in Empfang genommen, denn der Airsteam steht vorübergehend auf ihrem Gelände. So lange der Keukenhof geöffnet ist, besuchen viele Gäste das gemütliche Café von „De Tulperij“, für das Daan nicht wenige seiner 11.000 Blumenzwiebelkisten geopfert hat.

Sproetjes = Sommersprossen

Hübsch ist es geworden, Anja hat ein Händchen für die Deko im Retro-Stil. Auf einem der Strohballen hat Sproet es sich bequem gemacht, Anjas Hausgenosse auf Samtpfoten. So lange noch keine Kundschaft kommt, schläft er sich hier aus. Schließlich war der junge Mann die ganze Nacht auf Achse. Anja erklärt mir, dass Sproetjes auf Deutsch Sommersprossen sind – Sproet hat so etwas Ähnliches um die Nase.

Acht Kilometer von meinem Domizil „De Tulperij“ in Voorhout bis zum Strand von Noordwijk liegen vor mir. Ab und an steige ich vom Rad und frage einen Passanten nach dem Weg zum legendären „Beachclub O“ in Noordwijk. Dort bin ich mit Femke zum Dinner verabredet. Zwar komme ich etwas zu spät, aber immer noch rechtzeitig vor dem Sonnenuntergang, der sich heute ziemlich ins Zeug legt. So bin ich nicht die Einzige, die nach den Jakobsmuscheln für ein schnelles Foto in die Kälte hinaus huscht.

Ein Kater namens Sproetje
Der Kater als Deko-Gipfel

Femke stammt aus Amsterdam und arbeitet seit einiger Zeit in Noordwijk. Nach einer bunten Dessertmischung inklusive Pannacotta, Tiramisú und Creme Brûlée radeln wir noch ein Stück gemeinsam des Weges. Das ist auch gut so, denn im Dunkeln sieht bekanntlich alles anders aus, und wer weiß, ob ich den Weg allein zurück gefunden hätte.

Alles muss fließen

Ich versuche, das von Femke vorgegebene Tempo über die restliche Strecke zu halten. Auch in der Nacht ist noch allerhand los auf holländischen Straßen. Und merke: Wer als Fremder auf dem Rad nicht weiter auffallen will, sollte mindestens in einem Affentempo über die Radwege düsen und nicht unnötig am Kreisverkehr anhalten. Alles muss fließen.

Halte dich aufrecht auf deinem Fiets, die Körpersprache lässig, die Hände in die Jackentaschen, wenn du kannst. Vergiss nicht, die dir unbekannte, aber originelle Haifischzahn-Markierung auf dem Boden bezüglich der Vorfahrt richtig zu deuten. Und alle Nase lang ein Fiets oder gar ein Bromfiets (Moped) zu überholen.

Ich bin froh, dass ich die richtige Abzweigung zu „De Tulperij“ im Dunkeln identifiziere und freue mich auf meinen Airstream. Die Mondsichel steht hell über der Nacht, ein paar Sterne leuchten. In „De Tulperij“ wird noch aufgeräumt, so dass ich etwas Licht habe. Ungefähr für fünf Minuten, dann herrscht Dunkelheit. Wo zum Teufel sind die Lichtschalter im Caravan? Immerhin hat mein Handy noch Strom und kann als Taschenlampe dienen.

Nach der vergeblichen Suchaktion fällt mir auf, dass sämtliche Wandlampen in der Mitte eine Art Knopf besitzen. Das scheint keine Deko zu sein! Also drehe ich daran, und wie durch ein Wunder geht das Licht an. Nicht bei allen, ok, aber es reicht. Bei einigen lässt sich bei häufigerem Drehen sogar eine Abstufung in der Leuchtkraft erzielen.

Leider funktioniert die gasbetriebene Heizung im Airstream gar nicht. Um mich nach der Tour durch die Nacht ein wenig aufzuwärmen, springe ich kurz unter die Dusche. Es ist schön warm, doch leider hält es nicht lange vor. Ich lege alle verfügbaren Decken aufs Bett, kann aber nicht vermeiden, dass die frostige Kälte vom Boden hochzieht. Der Airstream, ein Kühlschrank.

Unbekannte, schräge Vögel rufen in die Nacht.

Viel habe ich nicht geschlafen, als der Wecker um 4.30 klingelt: Ich muss zur Blumenauktion nach Rijksburg. Auch wenn Alsmeer über das größte Auktionsgelände der Niederlande verfügt, kommt mir das in Rijksburg schon wie eine eigene Stadt vor. Um 5.30 Uhr geht es hier los, und ich werde von den Auktionären Linda und Johan fachgerecht ins Blumenbusiness eingewiesen.

Am Ende darf ich sogar neben Linda sitzen, während sie routiniert verkauft. Das geht verdammt schnell, zumal die vor uns sitzenden, fast ausschließlich männlichen Käufer manchmal auch bei gleichzeitigen Auktionen im Netz zuschlagen. Dabei wird die Entscheidung anhand von Informationen und Bildern des Züchters getroffen.

In Rijnsburg laufen die Blumenkarren über die Schienen, die Bouquets werden bei jeder neuen Sorte kurz gezeigt, und sofort schwingt das Preisrädchen hektisch auf und ab. Tulpenblüten dürfen noch nicht geöffnet sein, so sagen sie mir. Doch es werden bei weitem nicht nur Tulpen ersteigert. Die Käufer tragen Headsets, und wenn sie aufs Knöpfchen gedrückt haben, geben sie dem jeweiligen Verkäufer ihre Wunschmenge von Einheiten an.

Zeit für Verniedlichung

„Een“, „twee“, „drie“ oder „vier“ höre ich, fast alle hier sind Niederländer. Doch trotz der Hektik bestellen viele statt „een“ gerne „eentje“ – Zeit für soviel Verniedlichung muss sein. Restliche Einheiten werden mit einem schnellen „Ja“ bestätigt. Linda hatte mich mit Kaffee versorgt, so dass mir nicht schwindelig vor lauter Blumen und Zahlen wird.

Doch erst, als ich wieder in „De Tulperij“ ankomme und mir Zeit fürs Frühstück nehme, werde ich langsam wach. Ich lasse die Sonne in den Airstream, falle über den vollen Kühlschrank her und freue mich über den warmen Kaffee, den Anja vorbeibringt. Auf einem Strohbett am Rande des Tulpenfelds lasse ich mich nieder, hier wärmt die Sonne am schönsten.

Kater auf der Couch
Bitte nicht umschalten!

Sproet schaut ebenfalls vorbei, denn inzwischen ist ein Trupp Schulkinder in „De Tulperij“ aufgetaucht, die sich von Anja in die Geheimnisse des Blumenzwiebelzüchtens einweisen lassen. Das ist dem Kater nun doch zu viel, und er sucht das Weite. Während Sproet noch hin und her überlegt, ob er meine Einladung aufs Strohbett annehmen soll, chille ich endlich.

Und genieße den Moment. Die Sonne auf der Haut. Die Farben des Frühlings.

Text und Fotos: Elke Weiler


Schon bald geht es hier weiter mit Teil 2 meiner Tulpen-Tour. Ich werde euch unter anderem in ein außergewöhnliches Gewächshaus und in DEN Frühlingsgarten schlechthin führen. Am Ende wird vor allem eines klar: Schuld ist immer der Gärtner.

Wusstet ihr, dass in 2017 erstmals über zwei Milliarden Tulpen in den Niederlanden produziert werden? Der größte Teil davon wird übrigens nicht mehr im Boden, sondern auf dem Wasser und ohne chemische Zusätze angebaut.
Gemeinsam mit dem Gärtner André vom Keukenhof philosophiere ich über die Beliebtheit von Tulpen. Und das verbotene Flower-Selfie.
Mit Dank an das Niederländische Büro für Tourismus & Convention, die zu dieser Reise eingeladen haben, sowie an meine herzlichen und fürsorglichen Gastgeber Anja und Daan!

10 thoughts on “Ein Bett im Blumenfeld

  1. Ich habe leider nicht im Airstream übernachtet, aber ihn auch gesehen! (also das was ich durch das Fenster entdecken konnte). Ich bin schon gespannt auf deine weiteren Eindrücke und find das cool das du bei einer Auktion dabei sein konntest!

    Ich bin schon gespannt auf den zweiten Teil!

    1. Danke, liebe Monika!
      Erinnerungen an die Tulpen und Holland oder an eine ähnliche Erfahrung im Airstream?
      Die zweite Nacht war in der Tat wesentlich angenehmer! :-)
      Liebe Grüße, Elke

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert