Nun bin ich erneut in den Niederlanden, dieses Mal bei den Tulpen und an der Küste von Noordwijk. Ein bisschen lesen wollte ich eigentlich vorher, mich einlesen ins Land, wie ich es immer gerne mache. Doch ehrlich gesagt, wusste ich nicht so recht, wo anfangen.
Also habe ich Experten befragt, die entweder in Holland studiert haben, vor Ort oder in direkter Nachbarschaft leben, beziehungsweise selber halbe Niederländer sind. Und ein Buch habe ich selbst noch entdeckt – ein echter Volltreffer, wie ich finde. Insgesamt ist eine sehr schöne Mischung entstanden – lieben Dank den tollen Kollegen!
„Amsterdam – Biographie einer Stadt“ von Geert Mak
– Vorgestellt von Katharina | Niederlandeblog –
Als ich nach Amsterdam zum Studieren ging, verschlang ich dieses Buch. Damals habe ich es im Original gelesen und dabei viele neue Vokabel gelernt. Es ist aber auch in der deutschen Übersetzung erhältlich und stellt in jedem Fall eine besondere Art von Reiseführer dar. Eine geniale Mischung aus Geschichten in der Geschichte der Stadt.
Ich finde es toll, wie Geert Mak die historischen Fakten in Erzählungen verpackt und einen Bogen spannt bis in die 60erJahre des letzten Jahrhunderts. Man hat das Gefühl, etwa beim Aufstand der Frauen im Beginenhof dabei zu sein. Ich mag diese Hofjes, die mitten in der Stadt so eine Ruhe ausstrahlen. Im Buch geht es um die unbekannten Figuren ebenso wie die schillernden Persönlichkeiten. So werden Details aus dem Leben Rembrandts erzählt, und der Fall eines im 17. Jahrhundert zum Tode verurteilten Zimmermädchens dargelegt. Der etwas andere Blick hinter die Kulissen von Amsterdam also.
„Rotterdams Kookboek“ von Linda Roodenburg
– Vorgestellt von Simone | Nach Holland Blog –
So wie sich Rotterdam von einer typisch holländischen Stadt unterscheidet, unterscheidet sich das Rotterdams Kookboek von einem typischen Kochbuch. Kein Hochglanz, kein Schickimicki, aber sehr viel Multi-Kulti.
In Rotterdam leben Menschen aus aller Welt, die nicht nur ihre Esskultur mit in die Hafenstadt gebracht haben, sondern auch ihre heimischen Produkte. Das Rotterdams Kookboek zeigt, beschreibt und erklärt die Menschen, das Essen und die besonderen Zutaten. Jetzt kann ich Cassave und Tajer unterscheiden und weiß, dass ich im Surinamischen Laden nach Madame Jeanet fragen muss, wenn ich die leckeren scharfen Peperoni haben möchte.
Das Buch gibt wunderbar intime Einblicke in Rotterdamer Familien, in Küchen und Kochtöpfe. Wissen und Hintergründe von verschiedenen Kulturen, Geschichten und Rezepte von Familienfeiern. Selbst wenn man die niederländischen Texte nicht ganz versteht, ist es ein wunderschönes Buch.
„Unterm Scheffel“ von Maarten t’Hart
– Vorstellt von Ralf | Grachten und Giebel, ein Holland-Blog –
Alexander Goudeveyl ist ein erfolgreicher Pianist. Als er die Tierärztin Sylvia kennenlernt, stellt er erst seine Ehe und später sein gesamtes Leben in Frage. Doch je mehr er sich seiner frischen Liebe hingibt, umso mehr verwirrt diese ihn mit Distanziertheit und mehrdeutigem Verhalten. Der eben noch glückliche Mann erfährt die ganze Bandbreite emotionaler Schmerzen – ohne Not und wider besseren Wissens.
Dieses Liebesdrama von immer währender Gültigkeit hat Maarten t’Hart im grünen Herzen Hollands zwischen Amsterdam, Den Haag und Utrecht angesiedelt. Die historisch gewachsene Landschaft wird ihrerseits mehr und mehr vom Wachstum der sogenannten Randstad zurückgedrängt und bildet somit eine herrliche Kulisse für ein Drama, in dem der Verlust das zentrale Motiv bildet.
„Miffy“ von Dick Bruna
– Vorgestellt von Jutta | 6GradOst – Geschichten von unterwegs
Als Miffy hat es Karriere gemacht. Nur in Holland, dort wo das Hasenmädchen dem Stift von Dick Bruna entsprungen ist, heißt es immer noch Nijntje.
Zwei Punkte für die Augen, ein Kreuz für Nase und Mund, eine schwarze Linie als Kontur. Plakative Farbe fürs Kleid, gerne Orange. Simple Zutaten für das Häschen mit dem etwas traurigen Blick und den viel zu langen Ohren, das Kinder auf der ganzen Welt entzückt und ihnen zeigt wie die Welt sich dreht: Radfahren, Freunde treffen, Zähne putzen. Das neugierige Nijntje weiß Rat, ist unkompliziert und liebenswert.
Die Vorlage für die Figur soll übrigens ganz real gewesen sein: Ein vorwitziger Hase am Feriendomizil der Familie in Egmond aan Zee, den Vater Bruna kurzerhand durch die Gutenachtgeschichten für Sohn Sierks hoppeln ließ. Egmond aan Zee war auch in meiner Kindheit beliebtes Ziel für sonntägliche Familienausflüge. Ort unbeschwerter Tage, an denen wir uns mit Luftmatratzen in die kalte Nordsee stürzten und drei Kugeln Eis zum Inbegriff von Glück wurden. Dass Brunas Figur hier 1955 das Licht der Welt erblickt hatte, wusste damals niemand.
Drei Generationen später ist Nijntje immer noch präsent. Zwar muss sie schon lange keine neuen Abenteuer mehr bestehen, aber ihre Geschichten sind so wunderbar zeitlos. Geschuldet auch der schönen, klaren Grafik von Brunas Büchern. Inspiriert von Künstlern wie Henri Matisse und dessen simpler Bildersprache, verfolgte der Kinderbuchautor und Illustrator in seinen Werken eines konsequent: die Reduktion auf das Wesentliche. Dafür fand Gerrit Rietveld, Vorreiter von „De Stijl“, bei einer zufälligen Begegnung dann auch prompt ein ungewöhnliches Kompliment: „That’s a nice shape, lad.“
Brunas Geburtsstadt Utrecht hat dessen berühmtester Figur ein eigenes Museum gewidmet. Selbst bis ins Rijksmuseum hat es Nijntje einmal geschafft. Nun, eigentlich stand dort der Künstler im Mittelpunkt der Ausstellung. Doch immerhin. Gleich vis-à-vis von Rembrandts Nachtwache zu hängen, ist schon eine besondere Auszeichnung.
„Fünf Meter unter dem Meer“ von Tilmann Bünz
– Frisch von mir entdeckt und die perfekte Einstimmung –
Der Untertitel „Niederlande für Anfänger“ trifft es nicht ganz, denn der Journalist Tilmann Bünz führt den Leser tief in das Wesen des Nachbarlandes ein. Von zentraler Bedeutung in dem, wie Bünz meint, „Mutterland der Toleranz“ sei der Ausdruck „moet kunnen“: Das muss drin sein. Bünz geht einigen Dingen, die wir gemeinhin mit den Niederlanden verbinden auf den Grund, sei es der liberale Umgang mit Haschisch, oder die Integration von „de Wallen“, des Rotlichtsviertels mitten in Amsterdam – unweit von Kirche und Kindergärten.
Ganz anders, da leichter gelagert, liest sich das Kapitel über Vlieland, die kleinste niederländische Nordseeinsel, sowie der den Eisseglern gewidmete Teil. Verwunderlich auch, wo sich der Winter eher rar macht in den Niederlanden. Ob man deswegen nicht gerne weiter nördlich leben würden, will er von den Einheimischen wissen. Aber Länder wie Schweden oder Norwegen mit ihrer Weite und der Natur sind den Niederländer zu leer – das wäre ja nicht „gezellig“ genug!
Man könnte Tilmann Bünz als klassischen Slow Traveller bezeichnen, denn er ist ganz nah dran am Leben, an den Menschen, am Geist des Ortes.