Österliche Ermittlungen

Wir teilten eine Vorliebe: Aas. Was mir Gustavo den Geier auf Anhieb sympathisch machte. Außerdem hatte er ein liebreizendes Lächeln. Irgendwie verschmitzt, dieser kleine Schlawiner. Grandmadame hatte ihn aus dem Rheinland mitgebracht.

Zwar lebten wir in Nordfriesland quasi im Vogelparadies, es wimmelte hier nur so von allen erdenklichen Piepmätzen. Doch ausgerechnet diese Spezies hatte es noch nicht bis in unsere Breitengrade geschafft. Obwohl es hier wirklich viel für Gustavo zu tun gab, besonders nach den Stürmen.

Warum Grandmadame auch für Mister Kater ein Geschenk mitbrachte, konnte ich nicht so ganz nachvollziehen. Und dann auch noch so etwas Albernes wie ein Piraten-Maus mit Schlapphut, die an einer Schnur hüpft! Das machte das Löffelgesicht doch ganz kirre. Hallo! Ich wollte auch mal damit spielen!

Na ja, Hauptsache, Mats schleppte nicht wieder Halbtote ohne Schlapphut an! Das hätte ja nun so gar nicht zum Osterhasenfest gepasst, wo die Lutscher naturgemäß – ähnlich wie zum winterlichen Fest der Liebe – auf häufiges Fressen und familiäre Harmonie fixiert waren. Was im übrigen für Mighty Mats ganzjährig galt.

Nach dem erneuten vorösterlichen Verschwinden von Madame – es war nun schon das dritte Mal in immer kürzer werdenden Abständen – konnte ich auf rigorose Maßnahmen nicht mehr verzichten.

Was im Klartext hieß: Wenn sie im Büro saß, lag ich hinter ihrem Stuhl. Wenn sie aß, lag ich unterm Küchentisch. Wenn sie Fernseh guckte, lag ich auf oder vor dem Sofa. Ich begleitete sie bis zum Bad und hatte es am liebsten, wenn sie die Tür auf ließ. So konnte ich sicher stellen, dass sie mir nicht durchs Fenster entwischte.

Besser als gar keine Therapie: buddeln
Mach dich locker!

Meine Psychoanalytikerin Mademoiselle Julie riet mir, mich beim Buddeln und Tanzen locker zu machen und von meinen Verlustängsten zu befreien. Diese Klugscheißerin. Außerdem sollte ich mir eine vernünftige Aufgabe suchen.

Dabei hatte ich doch alle Pfoten voll zu tun! Die Diktate, das Mündel und nun die Tätigkeit als Privatdetektivin. Natürlich hatte mich niemand engagiert. Aber man konnte ja schließlich mal am lebenden Objekt üben, oder?

Außer Gustavo war Grandmadame noch eines meiner Oster-Highlights zu verdanken: die Hälfte eines in italienischen Kräutern marinierten Steaks. Ich kann nur sagen: fast so gut wie Spaghetti Bolo. Aber es fehlte halt das I-Tüpfelchen: Parmesan.

Bei schönem Wetter führte ich mein Rudel samt Neuzugang Gustavo nach Nordstrand, wo Würstchen gegrillt wurden, und man von dem Osterfeuer am Abend zuvor erzählte. Wiederholten sie jetzt das Zündeln nach dem traditionellen Biikebrennen im Februar auch zu Ostern? Weil der Winter immer noch nicht ganz vertrieben war? Wer durchschaute das lustige Lutschertreiben schon!

Julchen und Gustavo
Weiß der Geier, warum…

Ich musste mich auf die simplen Dinge des Lebens konzentrieren. Mein neuer Geierfreund lag sehr gut in der Luft und auch im Maul. Ich zeigte ihm die wichtigsten Stellen im Süder- und Norderhafen. Dort trafen wir schließlich Peggy, eine sechsjährige Beardine mit feinen Manieren. Nur mir gegenüber wurde sie unterm Tisch einmal kurz ausfällig.

Dabei hatte ich gehofft, wir könnten gegen den hauseigenen Bernhardiner des Cafés gemeinsam Front machen. Der wollte uns zwar die Meinung geigen, hielt sich dann aber lieber im Hintergrund auf. Männer!

Auch Emil machte sich rar, da sich sein Rudel wie üblich an Feiertagen vervielfachte. Immerhin hatte er am Everschop eine Auster für mich deponiert. Doch ehe ich sie knacken, ausschlürfen und die darin versteckte Perle als Verlobungssouvenir an mich nehmen konnte, entwendete Madame mir das gute Stück und beförderte es ins Wasser. Himmelschafundmeer!

Sollte ich mich aus Protest der Occupy-Bewegung anschließen? Stattdessen entschied ich mich, meine Fang- und Sprintqualitäten zu schulen. Alles im Hinblick auf das baldige Erscheinen von Emy, einer Trainingsparterin meiner Schwester Missy. Doch wo blieb sie?

Julchen will die Auster knacken!
Österliche Ermittlungen

Sie wollte mit ihrem Rudel auf unserer schönen Halbinsel urlauben, was generell eine extrem fesche Wahl war. Doch leider ließ das Wetter sie im Stich. Ich konnte Regen auch nicht so gut leiden, doch der Wind fönte den Plüsch rasch wieder trocken.

Grandmadame meinte, die Niederrheiner würde häufiges Nieselwetter ganz depressiv stimmen, während sich bei uns im Norden die Wolken schneller verzogen. Dem Wind sei Dank. Doch machte er uns mürbe? Im Gegenteil. Er stimmte uns kämpferisch. Er lud uns mit Energie auf. Er machte uns zu Helden der Gegenwart! Zu Felsen in der Brandung.

Schon öfters hatte ich mit der mir eigenen, präzisen Beobachtungsgabe observiert, dass wir Nordländer an schlimmen Sturmtagen besonders witzig und gut gelaunt waren.

Zuletzt in Büsum. Lag es am exzessiven Genuss von Fischbrötchen? Eine Möglichkeit. Auch waren die Cafés immer bis zum Bersten gefüllt. Lag es an den riesigen Sahnetorten? Oder an der Anhäufung bestimmter regionaler Eigenarten wie Pharisäer, Tote Tante und Eiergrog?

Ich werde dem auf die Spur gehen. Da könnt ihr sicher sein!

Text: Julchen (nach Diktat Visitenkarten für ihre neue Privatdetektei in Auftrag gegeben: *Nur eine bringt die Wahrheit ans Licht: Superjulchen*)

Fotos: Elke Weiler

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert