Manchmal kam es knüppeldick, wie meine Sonne zu sagen pflegte, wenn etwas schief lief. Speziell mich hatte sie dabei oft in Verdacht. Als ob Julchen je unter mir zu leiden hätte! Artig und putzig, wie ich war. Ein Musterrüde sozusagen. Aber manchmal kam es selbst für einen sanftmütigen Foodblogger knüppeldick.
Zuletzt mitten in der Nacht. Madame hatte beschlossen, für die Nachtruhe zurück ans Oberdeck zu ziehen. Ich war außer mir! Wie sollte sich Schwester Janni so kümmern? Zu allem Überfluss flog Julchen leichter Pfote die Treppenstufen hoch, Madame eskortierend. Ich schäumte vor Wut.
„Kümmer‘ dich wenigstens um sie!“, bellte ich ihr hinterher. „Was denn sonst!“, schnaubte sie zurück. Nur ungern stufte ich Madame nun als halbe Patientin ein. Ich wusste nicht, welche Hälfte, aber das erschien mir auch unwesentlich.
Meiner Meinung noch war es viel zu früh für solche Maßnahmen. Wer knuddelte mich nun mitten in der Nacht? Als Monsieur auch noch auf dem Oberdeck zu verschwinden drohte, jaulte ich unter der Treppe. Mit dieser Methode hatte ich exzellente Erfahrungswerte gesammelt.
Schon wenig später stand mein bester Kumpel wieder auf der Matte. Auf ihn konnte man sich verlassen! Männer eben. Trotz allem fühlte ich mich leer, einsam, verlassen. Ich wollte dringend an die frische Luft, mir den Wind um die Plüschohren wehen lassen, einen klaren Kopf kriegen und so.
Also ließ Monsieur mich vor die Tür. Später wirkte er leicht angesäuert, weil ich nicht mehr zurückkommen wollte, und er in der Pyjamahose hinaus musste. Aber ich brauchte halt meine kleine Auszeit, um mich auf meine veränderten Lebensumstände einzustellen.
Dabei war doch alles so schön gewesen! Das ganze Rudel nachts zusammen auf dem Unterdeck, und wenn Madame aufwachte, gab es Krauli ohne Ende. Einer für alle, alle für einen. Doch jetzt machten alle wieder, was sie wollten. Ohne Rücksicht auf Verluste und arme, kleine Rüden.
Auch am Deich hatte sich die Lage noch nicht entspannt. Zwar gab es keine gelbe Karten mehr, doch hielt Monsieur sich meist an die Regeln der Deichwärter, und wir mussten an die Leine. Dabei hatte Julchen sich immer als die Ober-Deichwärterin betrachtet, sozusagen als „the dancing Queen of Deich“.
Einmal trafen wir Klara und ihre Madame, ein absoluter Lichtblick am Hafen. Der Labi trieb sich nach alter Labi-Manier vor allem im Wasser herum, doch ihre Madame konnte prima kraulen, und so freundeten wir uns spontan an.
Julchen rannte sofort zur Deichkrone, um Kilometer zu machen, meine süße Powerfrau. Monsieur not amused, ich also hinterher, um Juli zurückzubringen. Natürlich briet sie mir eins über, weil ich angeblich meine Befugnisse überschritt. Aber das Rudel war heilig, da kannte ich nichts.
Monsieur meinte, ich wäre viel entspannter, wenn wir beide ein reines Männer-Gassi machten. Das war klar wie Kloßbrühe, schließlich musste ich dann nicht auf meine Frau und meine halbe Patientin aufpassen. Ich sah doch, wie sich die Typen ständig für Julischka, ihre süße Nase und ihren Wackelpo interessierten!
In diesen Fällen war ich auf der Hut und bereit, mein Ein und Alles zu verteidigen. Julchen meinte, ich sollte schnellstmöglich ihre Psychoanalytikerin Mademoiselle Julie konsultieren und mir Buddeleinheiten verschreiben lassen.
Ergo fuhren wir nach St. Buddel. Das war in doppelter Hinsicht eine Wucht, denn Madame begleitete uns. Zwar lief sie noch etwas langsam, so dass Julchen sie ständig einsammeln musste, aber das lag wohl auch an der Knipserei unserer bevorzugten Reporterin.
Jedenfalls musste ich sie nochmals neu einstufen, jetzt als Viertelpatientin. Wollte ich meinen Schwesternstatus behalten, musste ich mich dringend nach neuen Patienten umschauen, denn Madame schien bald flügge zu werden.
In St. Buddel war die Welt noch in Ordnung, keine gelben Karten und stattdessen viele Kollegen, die kreuz und quer über unseren genialen Sandkasten liefen. Ich konnte etwas entspannen, nur einmal musste ich Madame und meine Juli vor einem Hund verteidigen, der sie schräg angeguckt hatte.
Wir tanzten den Vorderpfotentaps, obwohl Julchen hin und wieder sauer auf mich war. Als ob ich etwas falsch machen würde! Man durfte doch noch seine Frau verteidigen! Das Rudel beschützen! Sich ein paar Freiheiten herausnehmen!
Wir lernten lustige Kollegen in allen Größen und Farbschattierungen kennen, sogar ein Pinscher-Team rockte den Beach. Mit einem Mal war ich total happy, dass wir alle vereint waren im heiligen St. Buddel. Und da übergab ich meinen Schwesternstatus einfach dem Wind – leichten Herzens und mit einem wilden Hüpfer.
Text: Janni (nach Diktat Madame wegen einer kulinarischen Aufmerksamkeit angestupst. Etwas Wurst oder so. Schließlich wollte er Foodblogger bleiben. Auf ewig!)
Fotos: Elke Weiler