Frühstück mit Frosch

Huhn

„Hehehe!“, bellte der fliegende Teppich in einer Lautstärke, dass der Boden bebte und die Bäume wackelten. Sturm-Julchen wehte heran, eine Naturgewalt. Prophylaktisch verzogen wir uns ins trockene Schilf, denn ein rennender Hund ist schwer zu bremsen. Als Henne weißt du nur zu gut, wie das enden kann. Der Teppich verfügt über mangelnde Steuerbarkeit, wenn einmal auf Kurs! Bei einem Zusammenprall mit Julchen hatte ich bereits drei Federn gelassen. Von dem immensen Vertrauensverlust wollen wir gar nicht erst reden.

Ich hatte mich nach jenem Vorfall auf einer Schilfinsel geparkt, ich brauchte eine Auszeit. Als die freundliche Riesin sich näherte und mir gut zuredete, rasselte ich eine Schimpftirade herunter, die sich gewaschen hatte. Zum Glück sprach sie meine Sprache, zumindest ansatzweise. Manchmal muss man sich sämtliches Leid von der Seele gackern, und es tut gut, ein offenes Ohr zu finden. Daraufhin zog die Riesin Konsequenzen, die fliegenden Teppiche durften einpacken. Zurück in den Hausgarten mit ihnen! Als Henne kannst du solche Maßnahmen nur begrüßen. Jemand musste unsere empfindliche Seelen vor felligen Unholden schützen.

Henne Hafrún
It’s a chicken’s world.

Dankbar schaute ich die Riesin von schräg unten an. Über sie und ihren Co-Riesen konnte man sich nicht beschweren. Wochenlang klopften sie den Marschboden auf, um uns mit einer Delikatesse ohnegleichen zu versorgen: Würmer! Brynja knackte sogar harte Schnecken, wenn sie leer waren, sie mochte die Häuser halt. Diverse Käfer traten ebenfalls zutage, und wir zögerten keine Sekunde, wenn wir beim Frühstück, Lunch, Dinner oder bei den Zwischenmahlzeiten waren. Schnelligkeit sättigt ungemein. Einmal schaffte ich es, mir eine absolute Delikatesse an Land zu ziehen: Frosch.

Fitness für Vielfraße

Die fliegenden Teppiche warfen uns vor, wir würden alles verkimmeln, was nicht bei drei im Boden verschwand, und das rund um die Uhr. Dabei sollten sie sich mal selber den Spiegel vorhalten! Düngten wir eifrig den Boden, landete ein Teil davon im Hundemaul. Auch bediente man sich hin und wieder an unserem Körnerfutter – wie die Nagetiere! Fütterten die Riesen sie etwa nicht gut genug? Der Figur nach zu urteilen, war das glatte Gegenteil der Fall. Was dann durch Fitness zwingend wieder ausgeglichen werden musste. Und so fegte das laute Volk walzenartig durch unseren Garten.

Hennen bei der Arbeit
Pick-Arbeit

„Der gehört euch mitnichten!“, schnauzten sie uns an. Na, wer hielt sich denn Tag und Nacht hier draußen auf? Die Teppiche legten sich abends gemütlich im warmen Haus ab, wurden von den Riesen gefüttert, betüddelt und vermutlich in den Schlaf gesungen! Gegen einen derartigen Service hätte ich jedenfalls nichts einzuwenden. Uns Hennen sagte man lediglich: „Gute Nacht, schlaft schön, ihr Süßen!“ Und schloss die Pforten. Wenn wir Glück hatten, öffneten sie uns zeitig am Morgen. Je näher der Sommer kam, desto früher standen wir nämlich auf.

Vom Winter hatten wir dermaßen die Schnäbel voll! Regen, Regen, Regen. Der Riese vergrößerte extra unseren überdachten Wellnessbereich, doch wir zogen das Unterholz vor. Am wohlsten fühlten wir uns beim Kompost, vor allem bei Sturm. Er strahlte Wärme und Schutz aus. Ein Kraftort, an dem wir Energie tankten. Kurzerhand deklarierten wir den Kompostierer zu unserem Tempel. Manchmal legte der Riese unseren mit Sägespänen befüllten Schlafzimmerboden kurz auf dem Behälter ab – das ging gar nicht!

Gourmet Brynja

In so einem Falle flog ich als Chefhenne kurz hoch und checkte die Lage. Dabei zog es mir den Boden unter den Krallen weg, und ich landete zwischen fliegenden Spänen auf dem Marschboden. „Mensch, pass doch auf!“, gackerte ich den Riesen an. Ein heiliger Kompostierer hat schließlich keine Ablagefunktion! Wir Hennen vom Stamm der Sussex und Sperber sind des Fliegens und Hüpfens ebenso mächtig wie des Sprintens. Was das Tempo beim Rennen angeht, können wir es locker mit langbeinigen Riesen aufnehmen!

Die Welt gehört allen

Auch lieben wir – neben diversen Spa-Löchern und dem schattigen Sandbad – erhöhte Sitzflächen wie Äste und Baumstümpfe. Konventionelle Stühle waren auch nicht zu verachten. Die Riesin hat weiteres Mobiliar in Aussicht gestellt. Oder hatte ich es falsch verstanden? Sollten nur Riesen und Teppiche die neuen Gadgets benutzen? Wir Hennen, die wir alles teilten, scherten uns nicht um Begrifflichkeiten wie Mein und Dein. Die Welt gehört allen.

Hennen
Alle für eine, eine für alle.

Zudem setzen wir auf Geben und Nehmen. Unsere Eier legten wir mit Hingabe, dafür freuten wir uns über den einen oder anderen Snack. Der fliegende Teppich, der mich um diese Stellungsnahme gebeten hatte, meinte fordernd wie bei einer offiziellen Qualitätskontrolle zu mir: „Was ist mit den Eiern? Die sind blank, ihr müsst hübsche Muster und Bildchen drauf malen! In Lutscherkreisen feiert man derzeit das große Eierfest.“

„Für die Kunst ist nur einer zuständig“, gackerte ich belehrend auf Julchen ein. „Der Osterhase. Du weißt schon: Der, den du letztens im Wasser abgelegt hast.“ Das saß. Julchen musste die Eier halt selber designen, falls der Osterhase sich eine Erkältung zugezogen hatte oder beleidigt war, was ihm keiner verdenken konnte. Die Teppiche hatten eben null Manieren. Und von kultiviertem Gackern in unterschiedlichen Tonlagen hatten sie auch noch nie etwas gehört. Da verstanden wir uns sogar mit den Nachbarschafen besser.

Osterhase
Das Problem

Text: Hafrún – nach Diktat auf den Chicken Hill gezogen, um in der Abendsonne zu pick(nick)en.

Fotos: Elke Weiler

10 thoughts on “Frühstück mit Frosch

    1. Sei froh, dass ich zugesagt habe. Eine persönliche Stellungnahme sieht eben so aus. Du wolltest meine Sichtweise, oder? Da kann man nichts wegredigieren, wenn es einem nicht passt!

  1. Wie genial :) wir werden bestimmt richtig viel Spaß zusammenhaben. Hoffentlich kann ich euch alle auseinander halten und vergesse eure Namen nicht.

    1. Oh, wir bekommen Gäste! Natürlich werden wir euch mit den besten Eiern verwöhnen! :-) Und auch sonst das Leben versüßen. Mit Geplauder und Gesang.

      Ein fröhliches Pokpok,

      Hafrún

      1. Hallo meine Liebe, das hört sich ja super an :) Wir werden uns bestimmt prima verstehen, und ich werde euch hoffentlich alle Wünsche von den Hühneraugen ablesen können ;) und frische Eier von glücklichen Hühnern ist ja ein Traum. Ganz liebe Grüße in den Norden

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert