Lutscher dieser Welt, vergesst die Möbel, Rosenstöcke und das Wurzelgemüse im Garten! Meine neue Leidenschaft hatte einen Namen: Schnee. Ein Wunderding.
Als zum ersten Mal in diesem Winter weiße Flocken vom Himmel herab rieselten, dachte ich nicht an Frau Holle. Ich war schließlich kein Baby mehr. Ohne zu zögern ging ich hinaus und startete eine großangelegte Untersuchung zum Thema. Voll wissenschaftlich.
Ich checkte die Beschaffenheit und Temperatur, den Geruch und Geschmack von Schnee. Doch bei dieser ersten Versuchsreihe blieb es nicht. Ich profitierte von der günstigen Witterung und dehnte meine Forschungen über die folgenden Tage und Wochen aus.
Im Gegensatz zu Holz war Schnee viel komplexer. Mal hart, mal weich, mal schwebend, mal liegend, mal hier, mal dort – genau diese Raffinesse haute mich um. Ich fraß ihn kiloweise und bedachte dabei nicht, dass er bei fortschreitendem Konsum irgendwann futsch sein würde.
Hallo, Himmel! Wir brauchten dringend Nachschub, Julchen und ich. Es war das erste Mal, dass wir uns einig waren. Das Wunderweiß hatte also auch eine völkerverbindende Wirkung.
Ich liebte es, mich im frischen Schnee zu wälzen, der in alle Richtungen stob. Ich allein in einer weißen Wolke. Als aber die unterste Schicht knochenhart wurde, mutierte das Pummelschweinchen (so nannte Julchen mich manchmal) zum grazilen Eisläufer.
Aber so war das eben. Da kam man in vollem Galopp über den Deich, konnte nicht rechtzeitig bremsen und schlidderte über die glatte Fläche. Kein Problem, dann machte ich halt mal Sitz. Das gehörte sowieso zu meinen Spezialitäten.
Mein süßer Schneehase, also Julchen, erzählte mir, dass die Inuit in Grönland, also das Ziel ihrer geheimen Sehnsüchte, unzählige Wörter für Schnee hätten: für fallenden, schmelzenden, matschigen, ach, einfach für jede Form von diesem Wahnsinnszeugs.
Ich fragte mich, ob die Grönlutscher auch einen Begriff für Schnee hatten, der gefrorene Hasenköddel unter sich barg? Das waren doch die aufregensten Stellen, diese Geheimnisse unter dem Eis.
Doch als wir das letzte Mal auf unserem Hausdeich am Everschop waren, fanden wir nur noch einen Rest vom Fest vor. Jemand hatte alles geklaut, so über Nacht. Ich schwörte, ich hatte nur einen Teil davon gefressen! Einen winzigen Teil.
Julchen meinte „Himmelschafundmeer!“, als sie die triefnassen Fennen sah. Was wohl „letzter Schneeklecks von Grün umrundet“ in der Inuitsprache hieß? Dort jedenfalls hielt ich mich die meiste Zeit auf.
Jemand musste dringend was gegen die Erderwärmung tun. Konnte ich den „letzten Schneeklecks von Grün umrundet“ vielleicht zum Bleiben überreden? Ich setzte all meine Skills ein, warf mich auf den Rücken und ruderte mit den Pfoten in der Luft. Aus Erfahrung wusste ich, dass zumindest die Lutscher tierisch drauf standen. Mit der Methode kriegte ich absolut jeden.
Doch nicht den Schnee. Er verschwand, so wie er gekommen war, und uns blieb nichts anderes übrig, als auf neue Tiefausläufer aus Grönland zu warten. Liebe Inuit, bitte schickt „Schnee, der vom Himmel fällt“, ok?!
Derweil fiel ein Geburtstagspäckchen für Julchen vom Himmel. Vielmehr brachte es der Postlutscher vorbei. Und weil er nur eines für Julchen abgeliefert hatte, zwickte ich ihn in die Hose. Wadenhöhe. Ich zerrte ein bisschen daran, es ging nicht anders. Ich hoffte auf sein Verständnis und vor allem auf seine Einsicht.
Trotzdem war Julchens Geschenk ganz große Klasse. Denn wie Madame uns mitteilte, kam es von meinem Kumpel Balou aus Berlin. Mademoiselle packte einen ultraschicken roten Tintenfisch aus, der sogar quietschen konnte.
Doch dann kam der Hammer: Auch für mich hatte Balou etwas reingetan! Hundespaghetti! Oberschafsköddelgenial. Natürlich wollte Julchen auch was abhaben. Nun, ich ließ mich nicht lumpen. Aber mit ihrem Tintenfisch spielen durfte ich dann nicht!
Da kam die Chachaputi knurrend auf mich zu. Die Welt erschien mir oft ungerecht. Ich teilte immer alles so großzügig (ok, außer meinen Napf!), und Madame et Monsieur zogen sich die Kino-Guck-Nüsse aus Berlin ganz allein rein.
Jedenfalls, mein lieber Balou: Danke dir mit Schlabberküssen! Wir haben uns alle gefreut wie die barfüßigen Titis am Strand. Weißt du, die mit so Schaufeln herumbuddeln, statt die Pfoten zu benutzen?! Mein Supervisor Julchen wollte ihnen so gerne zeigen, wie man es richtig machte. Aber die wollten gar nicht arbeiten, die Titis freuten sich einfach nur.
Mir hatte Julchen schon alles beigebracht. Und jetzt, wo der Schnee weg war, würde ich mich also wieder Wurzeln und Rosenstöcken widmen. Im Winter machten die Lutscher selber viel zu wenig im Garten. Dabei war es genau die richtige Zeit. Man konnte lustige Maulwürfe treffen und über die Beschaffenheit des Marschbodens fachsimpeln. Ich liebte den Winter.
Text: Janni (nach Diktat ein Schreiben an die Grönlutscher aufgesetzt. Titel: Import-Export. Ob die Inuit auch ein Wort für „reisenden Schnee“ hatten? Bestimmt.)
Fotos: Elke Weiler
Hach, einfach herrlich.
Und genau die passenden Bilder dazu :)
LG
Manuela
Danke, liebe Manuela! :-)
Gruss aus Luxemburg und eine schöne Woche!
Danke, Zenzi, das wünschen wir euch auch!!!
Das ist das pure Beardie Leben … wie schön diese Lebensfreude zu sehen.
Ja, liebe Daniela,
immer wieder schön mit zu erleben. Man will sich dann selber im Schnee wälzen und so… ;-)