Wie im letzten Sommer trockneten auch dieses Mal die Gräben rund um die Weiden aus. In früheren Zeiten behalf man sich, indem man Meerwasser in die Gräben spülte, die normalerweise der Entwässerung des Marschlandes dienen. So gibt es auf der Halbinsel wenig Zäune, da die Gräben quasi als natürliche Grenzen dienen. Ein Nebeneffekt, der das Landschaftsbild mitbestimmt. Und es gibt immer ein paar neugierige Kühe, die sich trockene Gräben zunutze machen und ein bisschen auf Wanderschaft gehen.
In diesem Jahr sind es zwei Kälber. Vor allem eines der beiden freut sich über die unbegrenzten Möglichkeiten, spaziert frohgemut über den neuen Weg, stattet den Jungbullen gegenüber einen eher kurzen Besuch ab, schaut auch bei uns mal eben vorbei und kehrt dann zurück zur Frau Mama. Im Abendlicht vollführt es die glücklichsten Luftsprünge, die ich bei Kühen je gesehen habe. Leider spazierte es gemeinsam mit seinem Kumpel auf die Straße, und wir riefen den Bauern, der die beiden Ausreißer flugs wieder einsammelte.
Nicht nur die Kühe fühlen sich von wasserlosen Gräben inspiriert. Unsere Hennen mutierten zu wahren Moorhühnern. Das Äußere leicht ungepflegt, Schnabel und Beine verräterisch schwarz. Jedes Mal, wenn sie aus unserem Blickfeld verschwunden waren, schauten wir hier und dort in die Gräben. Einer wies noch eine Pfütze auf, die Krönung aus Sicht der Hennen, summten doch genügend Insekten auf dem abgestandenen Wasser.
Julchen und Janni taten es den Hühnern nach, die bei dieser Gelegenheit übrigens Kraut wie Unkraut dezimierten. Freie Fahrt also für die Hunde. Natürlich konnte Jule nicht anders und sah sich gleich ein bisschen auf dem Nachbargrundstück um. Alles, was mit Grenzen zu tun, stellt für sie seit jeher nur einen Anreiz zur Entdeckung dar. Zäune riss sie schon als Welpe am liebsten nieder, insofern ihre Haifischzähnchen das hergaben. Und das taten sie meist.
Das bei Julchen als Buddelplatz beliebte, eigens für die Hennen gebaute Sand-Spa liegt übrigens brach, seitdem die Hühner quasi an jeder Stelle im Garten neue Siesta-Löcher anlegen. Man liebt die Abwechslung. Dort verbringen sie gerne schon mal die warmen Mittagsstunden und reinigen sich mit dem feinen Puder des trockenen Marschbodens. Dass wir Menschen und Hunde nun höllisch aufpassen müssen, in keines dieser großzügigen Löcher zu stolpern, stört die Hennen weniger.
Als nächstes stellten wir fest, dass Björk sich absonderte. Sie war von Anfang an etwas eigen, doch plötzlich verbrachte sie ganze Tage im Brutkasten. Und das in einer Art Dämmerzustand. Hat sie etwas Falsches gefressen? Die Hennen picken ja alles, was ihnen vor den Schnabel kommt. Frösche, Schmetterlinge, Schnecken mitsamt Häusern. Einmal fanden wir eine tote Ratte und hegten den Verdacht, dass Hafrún… Aber die schaute uns nur frech an und forderte eingeweichtes Brot. Björk hingegen gluckte und gluckte. Sollten wir ihr Bruteier bestellen? Da wir uns um ihren Gesundheitszustand sorgten, schließlich fraß sie kaum etwas, holten wir sie ab und zu aus dem Kasten und setzten sie beim Clan ab.
Dann schien sie aus ihrem Delirium zu erwachen, eliminierte mit Appetit einige der auf dem Boden liegenden Pflaumen und lief flugs wieder zurück zum Brutkasten. Da dieser dauerbesetzt war, suchten die Anderen nach Nestalternativen, legten hier und dort. Unsere Aufgabe war es fortan, Eier zu suchen. Schöner als Ostern! Das Grundstück verfügt über zahlreiche Stellen im Schilf, die sich perfekt zum Eierlegen etc. eignen. Das blieb auch den Hennen nicht verborgen. Leider verrieten sie uns nie, wo sie gelegt hatten und stellten auch keinerlei Hinweisschilder auf. Wir also jedes Mal glücklich, wenn wir wieder ein paar Eier gefunden hatten.
Björk ist inzwischen wieder unter die Lebenden zurückgekehrt, Matilda leider nicht. Ich vermisse sie immer noch wie verrückt. Der Tod ist ebenso banal wie unumkehrbar. Man will ihn hassen, doch selbst dem entzieht er sich. Er ist das Nichts, stets präsent. Man kann gegen ihn anschreiben. Man kann lieben. Seit er Matildas Leben von einer Sekunde auf die andere auslöschte, rief ein Käuzchen auf einem Baum hinterm Haus nach seiner Mutter, die hin und her flog. Jeden Abend. Gestern habe ich es zum ersten Mal nicht gehört. Der Sommer ist zurück. Und ich warte darauf, dass die Kälber wieder ihre Luftsprünge vollführen.
Text und Fotos: Elke Weiler
Ja, Tiere haben auch eine Seele. Und Lust auf Leben.
Schon verrückt, dass wir von den getöteten Nutztieren hergestellten LEBENSmittel zu 33 Prozent wegwerfen. Also jedes dritte Tier schlachten wir und schmeißen es einfach weg. War ja nicht so teuer. Aber hätte lieber Luftsprünge gemacht als sinnlos geschlachtet zu werden.
Ja, das ist so unvorstellbar und leider so oft komplett sinnfrei, was der Mensch so tut. Was er mit dieser wunderbaren Erde macht…
Julchen war schon immer ein ganz besonderer, intelligenter Hund, versteht sich mit allen Tieren,ob groß oder klein sehr gut, auch mit der kleinen Matilda. Die Hühner mag sie auch gern und begleitet sie ins Gehege.
Die Hühner mögen es nicht so gerne, ins Gehege „begleitet“ zu werden. Die sind nämlich groß und eigenständig. Außerdem schätzen sie es nicht, wenn Julchen sich an ihrem Futter gütlich tut… ;-)
Guten Morgen, Elke!
Wenn mir jetzt nicht bekannt wäre, wie eine Straße euer Grundstück teilt, wäre mir ein freudiges „Das liest sich so paradiesisch!“ entschlüpft. So jedoch, ist es offenbar immer noch idyllisch für Kälber und Hühner, und Julchen mittendrin. =)
Macht ihr bei den Zufallsfunden von Eiern eigentlich den Wassertest wegen der Frische? (Nicht, daß es am Ende schon „tausendjährige Eier“ sind. :D )
Matilda wird Dir sicher noch lange fehlen. Vielleicht gibt es eines Tages ein anderes Kätzchen mit ebenfalls umwerfender Persönlichkeit…wer weiß?
Einen angenehmen Mittwoch und liebe Grüße,
Franziska
Moin, liebe Franziska,
das mit den Eiern haben wir im Griff: Die Älteren werden markiert und dort belassen. Stratos meint, das wäre besser so, sonst würden sie sich wieder neu orientieren, die Hühner. ;-) Aber diesen Wassertest kenne ich nicht! Interessant.
Falls hier wieder irgendwann ein Kätzchen an die Tür klopft, werden wir bestimmt nicht Nein sagen. Aber wir werden auch nicht aktiv werden und eine Katze aus dem Tierheim holen (wegen jener Straße).
Danke, dir auch einen schönen Tag! Hier ist der Herbst eingezogen. Dabei bräuchte ich noch ganz viele Sonnentage…
Liebe Grüße, Elke