Ein perfekter Tag

Der Wind pfiff unablässig ums Haus. Mitten in der Nacht stand Madame am Fenster und murmelte fasziniert: „Wir sind eingeschneit.“ Ich nahm ihre Worte wahr, nickte jedoch gleich wieder ein. Wenn sich Schnee niederließ, würde er auch am Morgen noch dort sein. Sagen wir, am späten Morgen. Die Nachtruhe war heilig.

Doch ein paar Stunden später juckte es mir unter den Pfoten, und bevor Madame et Monsieur betriebsbereit waren, machte ich Druck. Frischer Schnee – es gab kaum etwas Schöneres! Ich konnte ihn förmlich riechen. Wie lange musste man denn wieder auf den Service warten? Madame!

Artgerechtes Nachtlager

Endlich kamen sie in die Pötte. Noch bevor wir die Fenne erreicht hatten, fraß ich kiloweise das weiße Gold weg. Ein weiches, ja, zartes Knirschen zwischen den Beißerchen, so fantastisch schmeckte nur feinster Neuschnee. Während uns der Wind um die Ohren pfiff, tanzten Janni und ich ein wildes Tänzchen, völlig schwerelos. Hasengleich und hoppelstark.

Madame filmte, schoss Fotos, ihre plüschfreien Finger wurden rot vor Kälte. Ich twitterte: Schnee, Schnee, Schnee. Alles andere erschien mir sinnlos. Auch wenn alle auf den Frühling warteten, verstanden sie Frau Holles Message. Der Winter gab seine Abschiedsvorstellung, es war sein verdammtes Recht, noch mal richtig aufzutrumpfen. Was für eine Party!

Straßen verschwanden

Der Wind ließ sich nicht lumpen, er fegte Tag und Nacht, Nacht und Tag. Straßen verschwanden, Blechhöhlen machten sich rar. Es war der Idealzustand. Eine meiner neuen Freundinnen, Frollein Rotkehlchen, zwitscherte um mich herum. Sie ließ beste Grüße von der gesamten Belegschaft ausrichten, die Haferflocken schienen zu munden.

Wildes Schneetreiben

Madame et Monsieur war nämlich das Vogelfutter ausgegangen, doch diese Piepmätze nahmen auch mit Gourmet-Bio-Haferflocken vorlieb. Einer setzte sich quasi ins Frühstück und wollte gar nicht mehr raus aus dem Häuschen. In dieser himmlischen Ruhe ließ sich jede einzelne Vogelstimme identifizieren. Der Wind toste nämlich auf der anderen Seite des Deichs. Madame meinte, einen Specht zu vernehmen, doch es war nur das Ächzen eines Baums im Wind.

Den ganzen Tag lang machten wir alles gemeinsam. Das nannte ich Rudelsinn! Normalerweise nahmen Madame et Monsieur die Blechhöhle und drehten ihr eigenes Ding, was ich als familienorientierter Hund zwar nicht billigte, doch gegenüber Janni Mann als Futtertour rechtfertigte. Irgendwoher mussten die Vorräte ja kommen, versuchte ich ihm zu verklickern.

Doch dieser Tag war ein Geschenk. Die Blechhöhle blieb stehen, keine Pläne, kein Alltag. Zu viert widmeten wir uns dem weißen Wunder. Madame et Monsieur schienen endlich vernünftig zu werden. Zwar fraßen sie den Schnee nicht, eine Delikatesse sondergleichen, doch immerhin begannen sie sich zu wälzen, vermutlich inspiriert von unserer Freude. Ich übertreibe, aber sie saßen und lagen sogar im Schnee, spürten das Fluffige wie Janni und ich.

Als lägen wir auf Wolken.

Aber was war das? Sie griffen nach dem weißen Wunder und … beschmissen sich damit! Ja, Himmelschafundmeer! Und dann lachten sie auch noch, was bei Janni jedes Mal den Schwesternmodus auslöste. Vor allem, wenn Madames glockenhelles Lachen erklang, machte er sich echt Sorgen. Mich entzückte es normalerweise – aber wie konnte man so respektlos mit rarer Materie wie Schnee umgehen?

Plötzlich ließen sie sich nieder und pappten Schneemassen zusammen. Neugierig betrachteten Janni und ich, was da entstand. Vermutlich sollten diese neuen Gebilde extrem kreativ sein. Schneehasenschwein nannte Madame ihre „Kunst“. Nun denn. Solange sie mir keine echten Schweine auf die Fenne setzte! Obwohl…

Schon lange plädierte ich für eine Rudelvergrößerung. Jedes Mal, wenn wir ein Stück weiter westlich am Deich Gassi gingen, trafen wir auf Gackervolk. Janni und ich begegneten den Hühnern mit äußerstem Respekt, ich hatte sogar den Eindruck, Janni erschrak ein bisschen. Doch irgendwie zogen sie uns magisch an.

Und von der unbesetzten Housekeepingstelle möchte ich gar nicht erst reden! Dabei war es klar wie Kloßbrühe, dass Kater Mats von seiner Weltreise nicht zurückkommen würde. Zumindest nicht in diesem Leben. Madame sprach hin und wieder von Wollknäueln, aber ich war strikt dagegen. Und wenn, dann nur kleine Schafe, bitte! Sie durften auf keinen Fall größer sein als ich.

Leider waren die Gräben noch nicht zugefroren wie letztens, als ich das umliegende Terrain ein bisschen erkunden konnte. Dem Hasen auf der Spur! Doch Janni und ich tobten glücklich durch den Schnee, während sich die Landschaft von Minute zu Minute änderte. Mal schien die Sonne, im nächsten Moment konnte man kaum die Pfote vor Augen sehen.

Alle waren zusammen. Ganz im Hier und Jetzt. Ein grandioser, ein perfekter Tag.

Kitsch-Alarm!

Text: Julchen (nach Diktat auf die Couch gezogen. Schnee macht müde.)

Fotos: Elke Weiler

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