Jedes Mal, wenn ich Lust auf den Geschmack des Nordens bekomme, schaue ich bei Bloggerkollegin Michaela auf „Mahtava“ vorbei. Das ist Finnisch und heißt so viel wie toll, klasse. Beim Lesen ist mir aufgefallen, dass Michaela sowohl in München als auch im finnischen Alakylä lebt. Das hat mich neugierig gemacht, und ich wollte Michaela ein paar Fragen zu ihrem anderen Leben stellen – oberhalb des Polarkreises.
Liebe Michaela, du bloggst vor allem kulinarisch über den Norden. Woher kommt die Leidenschaft?
Zum einen, weil ich wahnsinnig gerne für Familie und Freunde koche und backe. Meiner Speckröllchen zum Trotz auch sehr gerne esse. Und zum anderen ist es natürlich meiner großen Liebe zum Norden geschuldet.
Warum aus dieser Leidenschaft dann ein Blog wurde, lag letztendlich daran, dass die nordische Küche lange Zeit geradezu stiefmütterlich behandelt wurde. Dabei ist sie ihren kulinarischen Wurzeln immer treu geblieben, auch schon bevor es das „Manifest der neuen nordischen Küche“ gab.
Auch ich versuche im Einklang mit der Natur zu leben, mich saisonal und regional zu ernähren. Und da ich nun mal oft in Lappland bin, koche ich natürlich auch dementsprechend nordisch. Außerdem hat Essen viel mit Kulturgeschichte zu tun. Und mich hat schon immer interessiert, wieso und weshalb ein Gericht entstanden ist oder woher es kommt. Als ich vor fast vier Jahren mit meinem Blog anfing, gab es kaum Kochbücher zum Thema Skandinavien, geschweige denn zu Finnland. Also habe ich angefangen die Rezepte aufzuschreiben und online zu stellen, die ich von Freunden oder aus Zeitschriften nachgekocht habe.
Warum Finnland?
Finnland war irgendwie einfach Schicksal. Dazu muss ich vielleicht etwas ausholen. Ich war gerade mal zwei Jahre alt, als es für mich das erste Mal auf große Nordlandtour ging, zusammen mit meinen Eltern im Auto und mit Zelt bis zum Nordkap. Es folgten noch viele weitere Reisen bis in die entlegensten Ecken in nördliche Breitengrade. Daher glaube ich, mein innerer Kompass wurde einfach schon während meiner Kindheit auf Norden geeicht. Daran hat sich bis heute auch nichts geändert, und ich wäre sicherlich in Norwegen oder Kanada genauso glücklich.
Wieso also Finnland und wieso Lappland? Das verdanke ich eigentlich Anna, einer finnischen Gastschülerin, die aus Alakylä stammt. Durch sie sind meine Eltern damals vor mehr als 20 Jahren auf ein leerstehendes kleines Bauernhaus unweit ihres Elternhauses gestoßen. Seitdem ist viel Zeit ins Land gegangen und viel passiert, aber so kam es, dass Finnland für mich inzwischen zu einer zweiten Heimat geworden ist.
Wie gut ist dein Finnisch?
Beschämenderweise quasi nicht vorhanden. Na ja, zum Einkaufen reicht es, aber für eine längere Unterhaltung definitiv zu schlecht. Immer mal wieder nehme ich mir vor, einen Kurs zu belegen. Aber da in Finnland fast alle ausgezeichnet Englisch sprechen, und ich meine Bekannten vor Ort habe, obsiegt immer wieder die Bequemlichkeit.
Du lebst also in Teilzeit oberhalb des Polarkreises.
Ich habe das Glück, dass ich als freiberufliche Grafikerin teilweise online arbeiten kann, und somit mein Büro von Zeit zu Zeit einfach nach Lappland verlege. Inzwischen bin ich zwei- bis dreimal im Jahr dort, gerade in der Weihnachtszeit entfliehe ich gerne dem Stress und Konsumterror hierzulande. Außerdem gibt es natürlich, sobald der Schnee geschmolzen ist, auf dem Hof immer viel zu tun.
Wieviel Bürokratie steckt im zweiten Wohnsitz Finnland?
Da es als Ferienhaus genutzt wird, eigentlich gar keine. Der Strom wird monatlich auf den Cent genau abgerechnet. Wasser und Grundsteuer zahlt man einmal im Jahr. Der Schornsteinfeger muss alle zwei Jahre kommen. Das ist es eigentlich auch schon.
Wie sieht dein Alltag aus, wenn du in Alakylä bist?
Zweifelsohne ganz anders, als mein Alltag in München. Ich bezeichne es auch gerne mal als mein Part-Time-Landleben. Mein Alltag dort ist im Wesentlichen geprägt von den Jahreszeiten. Eigentlich mache ich nur zur Weihnachtszeit klassisch Ferien und tue einfach mal nichts. Im Frühjahr bin ich viel mit Schnee schippen und Holz holen beschäftigt, aber ich nutze auch die länger werdenden Tage für Langlaufausflüge.
Ab dem Frühsommer halte ich Ausschau nach Wildkräutern zum Trocknen und Kochen. Im Sommer stehen Mähen, Holzfällen, -spalten und -hacken an. Und im Herbst geht es dann in die Beeren. Erst werden die Moltebeeren reif, dann die Blaubeeren und zum Schluss die Preiselbeeren. Ich verbringe also viel Zeit mit Sammeln und Einkochen. Und ansonsten gehe ich dort meiner ganz normalen Arbeit als Grafikerin nach.
Was würdest du dort gerne ändern, wenn du könntest?
Da fällt mir spontan eigentlich gar nichts ein. Das Einzige, was ich mir wünschen würde, dass es öfters mal einen meiner Freunde dorthin verschlagen würde.
Würdest du ganz nach Lappland ziehen?
Mit diesem Gedanken habe ich schon öfters gespielt, aber eigentlich gefällt es mir so, wie es gerade ist. Was nicht heißt, dass ich meinen Lebensmittelpunkt irgendwann doch nach Finnland verlegen werde.
Momentan genieße ich die Abwechslung zwischen Stadt- und Landleben. Genieße es einfach, mich auf einen Wein mit Freunden beim Italiener um die Ecke zu treffen. Gleichzeitig ist es ein unglaublich beruhigendes Gefühl einfach abhauen zu können, wenn einen das Großstadtgeschiebe zu sehr nervt.
Was liebst du am arktischen Sommer, was am Winter?
Ich liebe den Beginn des arktischen Sommers, wenn die Natur geradezu explodiert. Wenn man plötzlich in einem Meer von Trollblumen steht, wo eine Woche vorher noch vom Schnee platt gelegenes Gras war. Da kann man dann sogar von den Abertausenden von Mücken absehen, die ebenfalls zu dieser Zeit besonders gehäuft auftreten. Ansonsten genieße ich die Mitternachtssonne, die ein echter Energiebooster ist. Man fühlt sich, als könnte man Bäume ausreißen. Intensives Leben komprimiert auf ein, zwei Monate. Selbst das Ende des Sommers hat seine schönen Seiten, denn dann ist Beerenzeit.
Aber ich muss gestehen, ich bin ein richtiges Winterkind. Das Knirschen des Schnees, Temperaturen im Minusbereich und mit jedem Atemzug eine kleine Dampfwolke vor dem Gesicht – für mich gibt es einfach nichts Schöneres. Ob der stille Zauber der Winterlandschaft oder die Erbarmungslosigkeit der Elemente, beides hat für mich seinen ganz eigenen Reiz.
In den Monaten Dezember und Januar, wenn die Sonne gar nicht oder nur kaum über den Horizont kommt, wenn der Himmel um die Mittagszeit im Norden blau erscheint und Richtung Süden rot erglüht, dann mache ich es mir zu Hause so richtig schön hyggelig. Aber in den Monaten Februar, März und April (der Schnee schmilzt meistens erst im Mai) hält es mich dann nicht mehr im Haus. Dann wird jeder Sonnenstrahl ausgenutzt. Ausgedehnte Langlauftouren durch die lappländische Landschaft – es gibt nichts Schöneres!
Und eines noch: Hast du ein finnisches Lieblingsgericht?
Eine schwierige Frage, es gibt so viele. Aber wenn ich es so recht überlege, hätte ich jetzt total gerne Silakkapihvit – gebratene Strömlinge.
Na denn, guten Appetit! Hyvää ruokahalua! Und herzlichen Dank für das Interview, liebe Michaela!
Es ist der Auftakt der neuen Meerblog-Reihe „Woanders leben“ über Menschen, die mehr als verreisen. Menschen, die losziehen und an anderen Orten leben, ganz, in Teilzeit oder probeweise, und ihre Erfahrungen.
Lappland ist faszinierend. Hier geht es zu einem Buchtipp: Der französische Autor Olivier Truc lässt in Schwedisch-Lappland ermitteln.
Hej Elke,
was für eine tolle, spannende Idee, die „Woanders leben“ Reihe!
Da les ich gern mit :-)
Viele Grüße von Rike
Hej Rike, danke dir! Ich denke, wir bleiben damit auch erst mal im Norden. :-) Viele liebe Grüße!
Die Serie ist wirklich eine gute Idee. Ich habe dein Interview gerne gelesen, zumal ich mir dieselben Fragen selbst auch immer gestellt habe, wenn ich in Michaelas Blog lese :) .
Danke dir! Und mir geht es jetzt so, dass ich gleich nach Lappland fahren könnte. :-)
Ein sehr spannendes Lebenskonzept! Und die Liebe zum Hohen Norden wurde Michaela sozusagen in die Wiege gelegt. Schön, dass sie dieses Teilzeitleben so ausleben kann.
LG
Sabienes
Absolut! Man muss es wirklich mögen, denn Lappland liegt nicht gerade um die Ecke. Aber Michaelas Kombination aus Stadt- und Landleben ist schon ziemlich schön. LG, Elke
Hallo Elke , herzlichen Dank für diesen ganz besonders und alle anderen Blogs.
Es ist immer das gleiche , ich lese den Anfang Deines News Letters denke noch kurz ja später und bleibe dann hängen und möchte anschließend gleich los fahren.
Vornehmlich wenn es in den Norden geht.
Danke dafür und für die schönen Bilder dazu.
Liebe Grüße aus Hamburg
Karin
Danke, liebe Karin, das freut mich sehr! Ja, der Norden steht hoch im Kurs, ich liebe ihn auch sehr. Liebe Grüße von der Küste! Elke
Welch eine tolle Idee, diese „Woanders leben“ Folgen. Ein traumhaftes Lebenskonzept hat Michaela für sich gefunden. Ihre Liebe zum Norden kann ich sehr gut nachvollziehen. Dort würde ich auch gerne leben wollen.
Liebe Grüße an die Küste
Inge
Danke, liebe Inge, genau so geht es mir auch! :-) Liebe Grüße zurück! Elke
Liebe Elke, Finnland steht schon länger auf meiner Wunschliste und mit deinem Artikel hast du mir das Ganze noch etwas schmackhafter gemacht. Danke dafür. Liebe Grüße, Theresa
Danke dir, liebe Theresa, und good luck! Für mich gilt das alte Sprichwort: Einmal Finnland, immer Finnland. ;-) Liebe Grüße, Elke