Theorie und Tango

Die Art, sich auf zwei Beinen fortzubewegen, fand ich äußerst unpraktisch. Den Lutschern fehlte es dadurch an Schnelligkeit, etwa wenn Passanten ohne Genehmigung um die Hütte herum scharwenzelten. Jede Sekunde war dann kostbar!

Auf vier Beinen bist du schnell wie ein Blitz. Oder sollte ich besser sagen „wie ein Julchen“? Da Letztere meine Mithilfe nicht sonderlich schätzte, griff ich immer seltener ein. Nur in wirklich dringenden Fällen wie beim Müllklau. Wenn diese lärmende Riesenblechhöhle vorfuhr und alle Sachen stibitzte, die Monsieur mühselig aufgestellt hatte.

Aber es gab wenige, wirklich sehr wenige Situationen, in denen ich wie ein Lutscher auf zwei Beinen lief. Momente, in denen es angebracht war. Momente, die einen inspirierten: Als Madame sich dem Arancino widmete. Magie! Ich beobachtete und verfolgte jeden Handgriff.

Was hat sie verbuddelt?
Wo ist der Arancino?

Dann passierte es einfach. Die fertigen Dinger rochen so phänomenal, dass ich wie ein Lutscher lief! Ja, tanzte! Tango um den Arancino herum! Meine Vermutung ging dahin, dass Lutscher bis zur Entdeckung des Arancino ebenfalls auf vier Beinen durch die Gegend geflitzt waren.

Irgendetwas musste jedenfalls passiert sein. Diese Art von Entschleunigung musste einen Grund haben, denn es konnte nicht am Aussehen liegen. Auch die Tatsache, dass Lutscher größtenteils ihr Fell verloren hatten, erschien mir von Nachteil. Ständig klagten sie über das Wetter!

Natürlich konnte man sie so besser abschlecken, vor allem im Sommer, wenn sie sich ungeschützt der Sonne aussetzten. Ihren Namen trugen die Lutscher also verdient. Obwohl… man könnte sie auch in Löffel umtaufen. Ich kannte keine andere Spezies, die sich dermaßen der Zubereitung von Food widmete.

Jedenfalls war dieser Arancino selbst für Bolo-verwöhnte Beardies und qualitätsorientierte Foodblogger der Oberhammer. Wollte ich Julchens Herz gewinnen, musste ich vermutlich ihren Weg mit Arancini pflastern, das wurde mir von Minute zu Minute klarer.

Julchen for ever
Julchen for ever

Denn Mittsommer war vorüber, ohne dass wir uns verlobt hatten. Ich war seit meinem dritten Geburtstag schon über drei Jahre alt und immer noch nicht unter der Haube! Es war zum Pferdeäpfelpürieren, Grasfressen und Küheverbellen!

Madame steckte mir, dass wir bald im gelobten Schweden urlauben würden. Bestimmt wäre Julchen dort – wider ihrem Naturell – mega entspannt. Also die beste Gelegenheit für einen Verlobungsantrag! Ich wollte mir die Sache gründlich durch den Plüschkopf gehen lassen.

Eigentlich konnte ich nicht so richtig einsehen, warum man so etwas Essentielles wie einen Antrag nicht im vertrauten Ambiente machen sollte. Besser ich organisierte ein romantisches Picknick an unserem Strand bei Sonnenuntergang… und fraß zunächst alles selbst.

Aber dann wäre Julchen stinksauer. Vermutlich. Vielleicht war auf der heimischen Fenne der beste und romantischste Ort für eine Verlobung… Wenn der Holunder blühte, sein Duft die Sinne vernebelte, und ich mit Blüten im Haarkleid zu ihr hindackelte…

Ihr einfach mal was zuflüstern?
Ihr einfach mal was zuflüstern?

Aber mein Julchen ist eine komplexe Beardine, das war mir vom ersten Moment an klar gewesen. Damals, als ich noch zu ihr aufblickte und am liebsten sofort meine Haifischzähnchen in ihrer Fellbacke vergraben hätte.

Als sie wie eine Göttin an mir vorüber schwebte, auf zarten Pfoten und mit goldenem Plüsch, der nach Erde, Kräutern und Meer duftete. Nie hatte ich etwas Schöneres gesehen, gerochen, zwischen den Beißerchen gespürt. Damals war ich noch jung und ahnte nicht, was auf mich zukam.

Wie streng Julchen mit einem armen kleinen Rüden sein würde! Dass sie ihr Outdoorreich nur ungern mit einem wie mir teilen würde! Als Foodblogger fand ich natürlich automatisch meinen Idealplatz unterm Esstisch und pfiff auf ihr Outdoorreich.

Fortan waren mir alle Vierbeiner suspekt, die sich stärker für Food interessierten als ich. Wenn sie dann auch noch mit Julchen befreundet waren – umso schlimmer! Meine Holde riet mir, mal mit einem Kumpel um die Häuser zu ziehen. Was ein Wunder war, denn normalerweise hieß das Allheilmittel der Psychoanalytikerin Mademoiselle Julie: Buddeln, was das Zeug hält.

Janni muss nachdenken.
Janni wittert Probleme.

Ich besprach die Sache mit meinem besten Freund Monsieur, und der willigte ein. Spontan einigten wir uns auf ein bis zwei Dönerabende, wenn die Mädels weg sein würden. Wozu brauchte man überhaupt Verlobungen? Holunderblüten im Plüsch?

Um sich von Madame schwungvolle Lutscherschlager vorjaulen zu lassen, die so alt wie das Universum waren? „Zwei Apfelsinen im Haar und an den Hüften Holuuuuuunder…“ Eigentlich Bananen, und Monsieur fand das jetzt auch noch witzig! Es erinnerte ihn an den Hund aus dem Film „Rio“! Ja, Himmelschafundmeer! Echter Weiberkram solche Filme!

Viel lieber schaute ich mir sämtliche Wikingerfilme mit Monsieur an. Oder Tatort mit Madame. Die Handlung war eh unwichtig. Hauptsache gemeinsam. Als Foodblogger bist du der gemütliche Typ.

Text: Janni (nach Diktat die Spieskommer gecheckt, ob auch wirklich kein Arancino mehr…)

Fotos: Elke Weiler

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